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Christian Geissler: Kamalatta

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Christian Geissler: Kamalatta Another lovesong

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Belletristik

Christian Geissler hat es sich und seinen Lesern nie leichtgemacht. Davon kündet nicht zuletzt der Versuch, in seinem Roman kamalatta einen Bogen zu spannen von den Kämpfen der arbeitenden Klasse, von der Widerstandslinie gegen den Nationalsozialismus hin zum bewaffneten Aufbruch im postfaschistischen Deutschland.

Portrait des Schriftstellers Christian Geissler (* 25.12.1928, † 26.08.2008) auf seinem Grabkreuz.
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Portrait des Schriftstellers Christian Geissler (* 25.12.1928, † 26.08.2008) auf seinem Grabkreuz. Foto: Bruno Brückner (CC BY 2.0 cropped)

Datum 5. November 2018
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Seine Haltung war dabei ebenso kompromisslos fordernd an sich selbst und an uns wie sein Ringen um eine Sprache, die der scheinbaren Anmassung unseren Feinden bewaffnet gegenüber zu treten, gerecht wird.

kamalatta liest sich nicht leicht weg, darf sich nicht leicht weg lesen, weil es mehr war als eine biografische Fussnote aus sicherer Distanz. Der Stoff war eine Intervention, der Versuch eines alten Kommunisten eine Brücke zwischen den Widerstandsgenerationen zu schlagen.

Veröffentlicht Ende der 80iger arbeitet sich das Buch entlang des von der RAF 1982 vorgelegten Grundsatzpapiers „Guerilla, Widerstand und antiimperialistische Front“ an der Frage ab, wie all Jene, die es wirklich ernst mein(t)en mit ihren Versuchen dieses System aus den Angeln zu heben, zusammen kommen und ihre Kämpfe gemeinsam bestimmen können.

Aus heutiger Sicht mögen viele der damals vertretenden Sichtweisen und ideologischen Versatzstücke befremden oder sogar abstossen. Seien dies die Anleihen im Fundus der Leninismus oder Maoismus, seien es die Fixierung auf die „US-Staatenkette“, die Ungenauigkeiten in der Differenzierung zwischen Antiimperialismus und Antiamerikanismus. Wie so vieles kann und muss genau Jenes aber im konkreten historischen Kontext und politischen Diskurs verstanden und beurteilt werden, um den Protagonist*innen jener antagonistischen Organisierungsansätze gerecht werden zu können.

Doch im Grunde genommen handelt kamalatta gar nicht davon. Christian Geissler nähert sich der Fragestellung des bewaffneten Antagonismus aus der Haltung heraus an, wie aus dem Bemühen, all Jenen beizustehen, die bedrängt und in Not sind, mehr als eine appellative Handlung folgen kann. Und trägt in sich, als Nebenstrang und Subtext aus dem Wissen der Lektüre der beiden zuvor erschienenen Werke 'Das Brot mit der Feile' und 'Wird Zeit das wir leben', die Erinnerung daran, dass jegliche ernstzunehmende Opposition zu den bestehenden Verhältnissen letztendlich sich gemein machen muss mit Jenen, die allzeit ausgebeutet und geknechtet, nach Wegen der Rebellion suchen.

Die Gründer*innen der RAF wussten im Übrigen am Anfang genau darum. Einige, die zum ersten Kern der Stadtguerilla zählten, hatten zuvor im Märkischen Viertel, einem Neubauquartier in Berlin, gemeinsame Sache mit den dortigen Mieter*innen gemacht, die erste Hausbesetzung in Berlin fand dann auch folgerichtig genau dort statt , andere hatten sich der Arbeit mit Jugendlichen auf Trebe verschrieben.

Was Christian Geissler in Bezug auf kamalatta als einziges vorzuhalten wäre, ist das diese Intervention zu spät kam. Zwar hatte er seit den 70igern wiederholt Gefangene aus dem bewaffneten Kampf besucht und mit ihnen die politische Diskussion gesucht und sich gegen die Haftbedingungen der Genoss*innen engagiert. Doch jenes kurze Zeitfenster, in dem es sowohl von Seiten der neuen sozialen Bewegungen wie z.B. der Hausbesetzerbewegung in Westberlin als auch von Seiten der RAF und den antiimperialistischen Gruppen einen offenen Prozess der Diskussion um die Möglichkeiten eines realen Zusammenkommens gegeben hatte, war Ende der 80iger schon lange Geschichte.

Doch genauso wie die RAF sich immer weiter von ihrem ursprünglichen Anspruch, bewaffnete Fraktion im Klassenkampf zu sein, entfernte, so sehr fiel auch die „soziale Frage“ in den Wurmfortsetzungen „der Bewegung“ hinten runter, verlor sie ihre Anziehungskraft für jugendliche, proletarische Rebell*innen, verkam sie zur identitären, selbstreferenziellen Szeneblase.

Wenn also dieser Tage der 'Verbrecherverlag' eine Neuauflage von Christian Geisslers kamalatta veröffentlicht, mag dies eine Gelegenheit sein, die Fäden der ursprünglichen Diskussion wieder aufzunehmen. Gerade die aktuellen Entwicklungen, das Erstarken einer völkischen Rechten, die Bündnispartner bis hinein in den Staatsapparat aufzuweisen hat, die weitgehende Ohnmacht linksradikaler und antifaschistischer Akteure, setzt die Fragestellung nach der Organisierung von 'Gegenmacht' notwendigerweise auf die Tagesordnung. Das diese nur in Zusammenhang mit „der sozialen Frage“ gedacht werden kann, will sie sich nicht in einer nicht ernstzunehmenden Postulierung erschöpfen, ergibt sich aus sich selbst heraus.

Sebastian Lotzer

Christian Geissler: Kamalatta. Roman. Verbrecher Verlag, Berlin, 2015. 650 Seiten, ca. 45.00 SFr, ISBN 9783957323439