Das Problem der Ferienwohnungen hat sich in den letzten Jahren zu einem regelrechten Politikum entwickelt. Zum 1. Mai beschloss der Berliner Senat ein Zweckentfremdungsverbot, um die Vermietung von Ferienwohnungen einzuschränken. Stadtpolitische Initiativen besetzten Ferienapartments, um die Rückführung in eine dauerhafte Wohnnutzung durchzusetzen. Und in den Archiven Berliner Tageszeitungen finden sich allein in den letzten 18 Monaten Hunderte Beiträge zum Thema.
Um zu verstehen, warum das Thema derart boomt, reicht es nicht, auf die geschätzt 24.000 Ferienwohnungen zu verweisen. Bezogen auf den Berliner Markt sind das gerade einmal 0,9 Prozent des Wohnungsbestandes. Dass das Angebot preisgünstiger Wohnungen vor allem in den Innenstadtbezirken in den letzten Jahren drastisch geschrumpft ist, liegt vor allem an einem massiven Zuwachs der Eigentumswohnungen. [1] Doch das Geschäft mit den Apartments steht exemplarisch für den Wandel des Wohnungsmarktes und offenbart die unzureichenden Strategien des Berliner Senats, eine soziale Antwort auf die Wohnungskrise zu finden.
Da sich die Vermietung von Ferienapartments spätestens seit dem Inkrafttreten des Zweckentfremdungsverbots am 1. Mai in einer rechtlichen Grauzone vollzieht, gibt es keine genauen Daten über die Anzahl der Ferienwohnungsangebote. Eine Studie des Immobilienentwickler GBI ermittelte für April 2016 etwa 24.000 Ferienwohnungsangebote in der Stadt. Mit über 20.000 Apartments wird der grösste Teil über die Internetplattform Airbnb vermittelt. Im Jahr 2015 wurden etwa 13.000 dieser Angebote als komplette Wohnungen angeboten. Ein Grossteil der Ferienwohnungen liegt in den Innenstadtgebieten, in denen auch die höchsten Mietsteigerungen zu verzeichnen sind.
Je grösser die Auslastung des Ferienapartments, desto höher der zu erwartende Gewinn (siehe Kasten unten). Vor diesem Hintergrund ist es kaum verwunderlich, dass Stadtteilaktivist_innen etwa im Kreuzberger Wrangelkiez berichten, dass vor allem die bisher preiswerten Wohnungen in den Hinterhäusern systematisch in Ferienwohnungen umgewandelt wurden. Hier ist die Ertragslücke zwischen dem Ferienwohnungsgeschäft und den durch eine normale Vermietung möglichen Mieteinnahmen am grössten. Das Geschäft mit den Ferienwohnungen setzt hierbei eine Verdrängung der Mieter_innen voraus und wird zu einer Strategie der Gentrification.
Doch es gibt auch andere Gründe als den kommerziellen Betrieb von Ferienunterkünften, Wohnungen über Airbnb zu vermieten. Etwa 6.000 Airbnb-Apartments werden nur drei bis zehn Tage im Monat vermietet. Die Einnahmen aus diesen Vermietungen betragen 150 bis 600 Euro im Monat. Viele Anbieter_innen nutzen die Plattform als Möglichkeit, ein zusätzliches Einkommen zu generieren oder die steigenden Mietkosten zu kompensieren. Einer Nutzerbefragung von Airbnb zufolge nutzt ein Drittel aller Anbieter_innen die Ferienwohnungsplattform, um »über die Runden zu kommen«. De facto fliesst ein Grossteil dieser Extraeinnahmen aus der Untervermietung an die Haus- und Wohnungsbesitzer_innen weiter. Die durchschnittliche Wohnkostenbelastung der Airbnb-Anbieter_innen liegt bei fast 40 Prozent der Haushaltsnettoeinkommen.
Auch in diesen Fällen ist die steigende Zahl der Ferienwohnungsvermietungen also eine unmittelbare Folge der Gentrification. Doch die Einnahmen landen über Umweg – über die Mietzahlungen der Hauptmieter_innen – bei den Vermieter_innen in den Berliner Aufwertungsgebiete.
Informalisierung der Wohnungsversorgung
Die Entwicklung in Berlin ist nicht nur Ausdruck eines hohen Verwertungsdrucks, sondern auch einer damit verbundenen Informalisierung. Während Haus- und Wohnungseigentümer_innen mit der faktischen Umgehung des Mietrechts Extraprofite realisieren können, bieten die Ferienwohnungen für viele Wohnungssuchende die Gelegenheit, unabhängig vom offiziellen Mietmarkt eine Unterkunft zu finden.Den etwa 450.000 pro Jahr in Berlin registrierten Umzügen (Aussenwanderung und Binnenumzüge) stehen nur noch etwa 220.000 im Internet leicht zu recherchierende Wohnungsangebote gegenüber – deutlich weniger als noch vor ein paar Jahren. Das heisst: Viele Wohnungen werden nicht über öffentlich leicht zugängliche Internetplattformen vermittelt.
Von Vorteil bei der Wohnungssuche sind detaillierte Kenntnisse des Wohnungsmarktes und eng gestrickte soziale Netzwerke. Die Möglichkeiten, über Beziehungen an eine preiswerte Genossenschaftswohnungen zu gelangen, über den Tipp von Bekannten als Nachmieter_in in ein bestehendes Mietverhältnis einzutreten oder von den Verwandten einer Freundin zu hören, die ihre Wohnung untervermieten wollen, sind ungleich verteilt. Eine verstärkte Informalisierung benachteiligt vor allem jene, die neu in der Stadt sind, wenige Kenntnisse über die verschiedenen Mietoptionen haben oder die deutsche Sprache noch nicht gut beherrschen. Vor allem für junge Neuberliner_innen aus Europa oder Nordamerika bietet sich das international bekannte Angebot von Airbnb und anderen global agierenden Plattformen an, um eine erste Unterkunft in der Stadt zu bekommen. Vor allem für zeitlich befristete Aufenthalte gibt es kaum andere Angebote. Die steigende Zahl der Ferienwohnungen ist also nicht nur Ursache, sondern vor allem Effekt des Wohnungsmangels in der Stadt.
Placebo-Politik des Senats
Die Bedeutung der Ferienwohnungen für die Mietentwicklung und die Wohnungsversorgung ist eher gering, jedenfalls verglichen mit dem Trend, Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Doch die Ökonomie der Ferienwohnungen ist eng mit den veränderten Verwertungsstrategien auf dem Berliner Wohnungsmarkt verbunden und hat deshalb starke Symbolkraft. Der Berliner Senat versucht, den symbolischen Überschuss der Problematik auszunutzen, und demonstrierte mit der Wiedereinführung des Zweckentfremdungsverbots und einer Medienkampagne gegen die missbräuchliche Vermietung von Ferienwohnungen Handlungsfähigkeit.Doch insbesondere professionelle Anbieter_innen haben längst reagiert und ihre Angebote von Airbnb auf andere Plattformen verlagert. So ist seit Anfang Mai der Umfang der temporären Angebote für möblierte Wohnungen bei ImmobilienScout24 auffällig gestiegen. Die Bezirksämter haben nicht ansatzweise genug Personal, um die Zweckentfremdungsverstösse flächendeckend zu kontrollieren. Treffen wird die bezirkliche Kontrolle vor allem die privaten und semiprofessionellen Anbieter_innen, die nicht so flexibel auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren können wie Vermietungsunternehmen.
Zudem steht die Berichterstattung zum Zweckentfremdungsverbot in keinem Verhältnis zu seinem Effekt. Über die Diskussion um Ferienwohnungen sind Fragen wie die nach dem Neubau preiswerter Wohnungen [2], der Durchsetzung der Mietpreisbremse und dem Umgang mit den verbliebenen Sozialwohnungen aus der öffentlichen Aufmerksamkeit verschwunden.
Mit dem Interessenverein der Berliner Privatvermieter und der ApartmentAllianz haben sich in den letzten Jahren gleich zwei Interessenverbände in die öffentliche Diskussion eingebracht. Sie fordern einen differenzierten Umgang mit den Privatvermietungen und prangern den Senat dafür an, dass er mit seiner Immobiliengesellschaft Berlinovo selbst etwa 7.000 Apartments vermietet. In Kooperation mit der Internetplattform Wimdu hat die ApartmentAllianz eine Klage gegen das Zweckentfremdungsverbot eingereicht, die in erster Instanz jedoch zurückgewiesen wurde.
Neue Player auf dem Wohnungsmarkt
Andere Vermietungsplattformen halten sich mit juristischen Initiativen zurück und verbreiten auf ihren Webseiten und in den sozialen Medien Zahlen und Geschichten, die belegen sollen, dass ein Grossteil der Ferienwohnungen nicht mit kommerziellem Interesse vermietet wird. Ob Zufall oder nicht: Auf einer öffentlichen Veranstaltung in Berlin, zu der Vertreter_innen von Airbnb eingeladen waren, aber kurzfristig absagten, meldete sich ein junger Mann zu Wort und berichtete über seine Vermietungsmotive (gestiegene Wohnungskosten gegenfinanzieren). Der vorbereitete Text, den er verlas, enthielt die aktuellen Argumente von Airbnb gegen das Zweckentfremdungsverbot in Berlin. Von ähnlichen Interventionen wurde auch aus San Francisco und Barcelona berichtet. Solche persönlichen Berichte tragen dazu bei, Initiativen gegen die Ferienwohnungsvermietung zu verunsichern.Für diese Form des Social Engineerings stadtpolitischer Debatten gibt es gute Gründe: Für die Vermittlungsplattformen geht es um ihre Anteile am Vermietungsgeschehen, sie haben ein Interesse am Ausbau des Geschäfts. Die Macher_innen des Informationsprojektes »Airbnb vs. Berlin« (www.airbnbvsberlin.de) berichteten kürzlich, dass Airbnb Nutzer_innen, die ihre Wohnungen sehr günstig anbieten, automatisch auf den üblichen Durchschnittspreis in der Umgebung aufmerksam macht.
Das alles heisst nicht, dass das Geschäft mit den Ferienwohnungen völlig egal ist. Damit sich an den Problemen auf dem Wohnungsmarkt etwas ändert, wäre aber ohnehin eine mietenpolitische Bewegung notwendig, die in der Lage ist, politischen Druck zu entfalten. Wie eine Position zu Ferienwohnungen aussehen kann, die sich nicht darauf beschränkt, eigene wirtschaftliche Interessen zu verteidigen, zeigten vor kurzem mehrere temporäre Besetzungen von Ferienwohnungen in Berlin-Wedding und in Kreuzberg. Die Aktivist_innen verknüpften die Besetzung mit der Forderung einer Unterbringung von Geflüchteten und Wohnungslosen.