Prolog
Ähnlich verhält es sich mit einer Partei, die heute von sich Reden macht, der Alternative für Deutschland (AfD). Sie spielt sich als Partei des „kleinen Mannes“ auf, während ihre Vertreter nicht nur so leidenschaftlich Kuchen fressen, dass er ihnen zum Gesicht herausquillt, wie Beatrix von Storch (selbst aus dem Hochadel) kürzlich demonstrierte. Auch sozial- und wirtschaftspolitisch ist die „Alternative“ eine Partei der Kuchenfresser, eine Partei der Reichen und des Kapitals, die ihre neoliberale Ausrichtung dadurch kaschieren möchte, dass sie die dunkelsten Ressentiments, den dumpfen Rassismus und den Hass auf die noch Schwächeren schürt.Dass sie so eine Partei ist, die für Geflüchtete, migrantische Kolleginnen und Kollegen und generell alle „nicht-deutschen“ Menschen in diesem Land eine Gefahr darstellt, ist oft betont worden und offenkundig. Was sie aber dem Klientel, das sie umwirbt, der deutschen Unterschicht, jenseits von fremdenfeindlichen Parolen zu bieten hat, wird oft übersehen. Nach aktuellen Umfragen kommt die Partei kurz vor den anstehenden Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz auf neun Prozent, in Baden-Württemberg auf 13 Prozent und in Sachsen-Anhalt sogar auf 19 Prozent.
„Alternative“ für Unzufriedene?
Die Gründe für den Aufschwung des Rassistenvereins sind vielfältig: Man bekommt kaum noch mit, was die Politik macht. Da sperren sich kurz die Damen und Herren ein und beschliessen, den kriselnden Banken mit Milliarden Euro aus der Patsche zu helfen. Ja, seit Jahrzehnten werden die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher − auf der ganzen Welt, in Europa und auch in Deutschland, dem Land, dessen Wirtschaft blüht, nachdem es die anderen EU-Länder plattgemacht hat. Doch es zeigt sich mal wieder: Geht es „der Wirtschaft“ gut, geht es nicht unbedingt auch der Mehrheit der Bevölkerung gut. Im Gegenteil. Die Zeiten sind hart, bei vielen steht schon die ganz dünne Brotsuppe auf dem Tisch, zumindest im übertragenen Sinne. Es ist daher verständlich, dass sich Menschen nach einer „Alternative“ sehnen − einer Alternative zu dieser Form der Demokratie, zu diesem Wirtschaftssystem. Diejenigen aber, die gerade lautstark behaupten, eine »Alternative für Deutschland« zu sein, bieten alles: nur keine Alternative. Vor allem nicht für diejenigen, die sich zurecht verarscht fühlen.Dass es eine grosse Zahl an Unzufriedenen gibt, hat die AfD früh erkannt. Von Anfang an versucht die Partei deshalb die »kleinen Leute« anzusprechen. Das hat sogar schon ihr Gründer Bernd Lucke versucht, als er − gerade zu Beginn − die Banken kritisierte. Doch so richtig konnte Lucke sein Herz für die „einfachen Menschen“ nicht vermarkten. Es erwies sich: Aus einem Wirtschaftsprofessor wird so schnell kein Arbeiterführer. Seine besserwisserische Art zu reden, sein ganzes Auftreten passte nicht so recht. Er machte mehr den Eindruck eines der Typen, die die Proll-Mädels und -Jungs schon auf dem Pausenhof um die von Mami sorgsam geschmierte Stulle erleichterten. Einer, der schon Minuten vor Unterrichtsbeginn sorgfältig Bücher, Stifte und Hefte bereitgelegt hat, niemanden seine Hausaufgaben abschreiben liess und seinen Wohnsitz im Arsch des Lehrkörpers hatte.
Mittlerweile hat der Streber mit seinen anderen Schulkameraden aus der ersten Reihe die AfD verlassen. Sie sind auch gegangen, weil ihnen die AfD zu „prollig“ wurde, meinte zumindest mal der Reichste aus der Streberbande, Hans-Olaf Henkel. Zu prollig − das hörte sich ja erst einmal gut an. Man könnte denken, dass es nun mehr um die Belange der Werktätigen, Arbeitslosen und Prekarisierten gehen würde, schliesslich hat „prollig“ ja irgendetwas mit Proletariat zu tun. Darunter verstand man früher die Gruppe der Menschen, deren Arbeitskraft die Taschen ihres Chefs füllte, nicht die eigenen. Heute versteht man unter „prollig“ zwar etwas anderes: Ein Proll ist ein ungehobelter, weitgehend unzivilisierter Typ. Trotzdem: Die AfD nach Lucke versucht viel stärker, die „kleinen Leute“ anzusprechen.
Politiker wie Möchtegern-Bismarck Alexander Gauland oder Möchtegern-Hitler Björn Höcke reden ständig vom „kleinen Mann“, um den man sich kümmern wolle. Auch auf der Strasse ist die AfD seit Sommer präsenter. Zwar geht es bei den Aufmärschen, zu denen die AfD aufruft oder die sie unterstützt, meist nicht um Soziales sondern um blanke Hetze gegen Flüchtlinge, doch wer sich die Demos genauer anschaut, sieht und hört sofort, dass es für viele auch um andere Themen geht. Hier laufen gut situierte Unternehmer mit Arbeitern und Arbeitslosen Schulter an Schulter− und auch die Parolen richten sich nicht nur gegen Flüchtlinge, sondern gegen „die Elite“.
Doch hat die AfD den „kleinen Leuten“, die sie umgarnt, überhaupt etwas zu bieten? Schauen wir in die Programme der Partei für die anstehenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt.
Für die Unternehmen, gegen die Armen
Die deutlichste Sprache spricht das Programm der AfD in Baden-Württemberg. Dort wird die Partei nicht müde zu betonen, dass die AfD ein Partner der Wirtschaft sei. Weil sie so gerne mit den Bossen abhängen würde, betet sie auch alles nach, was diese gerne hören. Die AfD ist für Deregulierungen, für Steuersenkungen, für Bürokratieabbau. Sehr ähnlich liest das das Programm in Rheinland-Pfalz. Und in Sachsen-Anhalt. Da präsentiert sich die AfD besonders gerne als Fundamentalopposition. Doch wenn man im Programm der AfD Sachsen-Anhalt mal die Passagen findet, in denen nicht einfachnur die Begriffe „Volk“, „Identität“ und „Nation“ in wahlloser Reihenfolge aneinander gereiht werden, wird schnell deutlich, dass sich hinter all dem Gerede auch nur der Drang verbirgt, mal „Elite“ spielen zu dürfen. So findet sich im Landtagswahlprogramm ein ganzes Kapitel zu Massnahmen, die getroffen werden sollen, damit es den Unternehmen besser geht. Zu Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik verliert die AfD kaum ein Wort, wohl auch, um das Wählerpotenzial aus den unteren Klassen nicht zu vergraulen.
Anders in Baden-Württemberg: Da gibt die Partei offen zu, Politik fürs Kapital zu machen. »Die AfD strebt eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes in Verbindung mit Entlastungen bei Steuern
und Abgaben für Arbeitnehmer und Unternehmen an.« Flexibilisierungen bedeuten: den Druck auf die Arbeitslosen, Arbeiter und geringbezahlten Angestellten erhöhen. An anderer Stelle wird noch deutlicher, was sich die selbsternannte Alternative vorstellt. Sie möchte Hartz IV durch »Bürgerarbeit« ersetzen. Im Klartext: Langzeitarbeitslose sollen zu Arbeit gezwungen werden. Arbeitszwang statt Sozialstaat lautet hier die Devise. Welche Arbeit es ist, darf der »kleine Mann« natürlich nicht entscheiden. Dieses Zwangsarbeitsmodell übertrifft selbst Hartz-IV noch an Boshaftigkeit.
Bleibt noch die Sache mit den Steuern: Ständig fordert die AfD, die Steuern zu senken, Bürokratie abzubauen und die Sparpolitik einzuhalten. Daher ist es nur zu konsequent, dass sich die Partei auf ihrer Homepage auf das Kirchhofsche Steuermodell beruft. Kirchhof war der Typ, den Merkel als Supersteuerfuzzi im Wahlkampf 2005 als Geheimwaffe einsetzte. Er war sehr beliebt, weil er versprach, das Steuerrecht vereinfachen zu wollen. Was Kirchhof, Merkel und auch die AfD gerne verschweigen: Vor allem einer Gruppe würde in diesem Modell das Leben vereinfacht werden, den Besserverdienenden. Da die AfD gleichzeitig dagegen ist, Schulden zu machen, kann das nur bedeuten: Unterm Strich werden Sozialleistungen und Infrastrukturausgaben zurückgefahren werden, zu spüren bekommen das vor allem die, die ohnehin schon nichts haben.
Entsprechend verwundert es auch nicht, dass sich die AfD in allen drei Programmen für den Erhalt des dreigliedrigen Schulsystems ausspricht. Studien belegen es regelmässig und Betroffene wussten es sowieso schon immer: Arbeiterkinder haben es schwerer in der Schule als etwa die Kinder von Ärzten. Bei der Schulempfehlung nach der Grundschule entscheidet meist nicht die Leistung, sondern der Beruf der Eltern. Das ist das Wesen des dreigliedrigen Schulsystems: Alles soll so bleiben, wie es ist. Der einfache Arbeiter soll einfache Arbeiterkinder bekommen, der reiche Unternehmer reiche Unternehmenskinder. Das wünscht sich auch die AfD.
AfD = FDP mit Pickelhaube
Die Beispiele zeigen: Die AfD umgarnt zwar die kleinen Leute und tut so, als wäre sie gegen die Elite. Letztlich steht auch sie für eine Politik im Interesse des Kapitals. Die AfD verpackt das nur ein bisschen deutschnationaler und spiessiger. Die AfD ist insgesamt nicht mehr als eine FDP mit Pickelhaube. Die Partei bleibt damit ein elitärer Scheissverein, egal ob mit Lucke oder ohne.Wie gesagt: Es gibt viele Gründe, sich von dem System verarscht zu fühlen. Die AfD möchte im Grunde nichts anderes, als dass die bestehende Sozial- und Wirtschaftsordnung aufrecht erhalten wird. Und um das in Zeiten sich zuspitzender Krisen gewährleisten zu können, setzt sie rassistische und nationalistische Ressentiments geschickt ein, um sich als „Alternative“ zu präsentieren, die sie in keinem Sinn dieses Wortes ist.
In Sachen Wirtschafts- und Sozialpolitik, die Politikfelder, die die kleinen Leute am meisten betreffen, ist die AfD alles andere als eine Alternative. Sie ist sogar schlimmer als der bürgerliche Mainstream. Die Anliegen der kleinen Leute interessiert sie dabei einen feuchten Dreck. Das einzige, was die AfD an den Prolls interessiert, sind ihre Wählerstimmen.