Menschen aus verschiedenen feministischen migrantischen Organisationen sowie Angehörige von Opfern sexualisierter Gewalt hielten bewegende Redebeiträge. Eine Künstlerin performte ihren Beitrag «Echo», der die Situation einer Opferbefragung/-anhörung eindrücklich aufzeigt.
Die Arbeitsgruppe des Streikkomitees hält fest:
- Wir sind nicht einverstanden, dass ein NEIN zu sexuellen Handlungen in der Schweiz nicht ausreicht,
- dass sexuelle Handlungen gegen den Willen einer Person nur selten und «im schlimmsten Fall» als Vergewaltigung eingeordnet werden,
- dass das Schweizer Sexualstrafrecht die Istanbul-Konventionen nicht einhält,
- dass Betroffene von sexualisierter Gewalt verschiedene zermürbende und entwürdigende Prozeduren durchmachen müssen, um eine Täterperson zur Rechenschaft zu ziehen,
- dass wir in einer patriarchalen Gesellschaft leben, in der eine Vergewaltigungskultur tief verankert ist und dadurch ein Sexualstrafrecht überhaupt erst nötig wird.
Prekäres Schweizer Sexualstrafrecht
Für sexuelle Handlungen gegen den Willen einer Person sollten Täter_innen in Verantwortung genommen werden. In der Schweiz – und in zu vielen anderen Staaten – ist das nicht der Fall. Das Problem im Schweizer Sexualstrafrecht ist folgendes: Nach diesem ist eine sexuelle Handlung gegen den Willen einer Person nur dann strafbar, wenn ein_e Täter_in «Gewalt anwendet», die betroffene Person «bedroht», sie unter «psychischen Druck» setzt oder «zum Widerstand unfähig» macht.Ein einfaches, simples, klares, einziges «NEIN» der Betroffenen reicht vor Gericht nur selten aus, um eine_n Täter_in wegen sexueller Nötigung oder Vergewaltigung zur Verurteilung zu bringen.
Hinzu kommt, dass eine Vergewaltigung als solche nur belangt wird, wenn eine «vaginale Penetration» stattgefunden hat, ansonsten gilt es als sexuelle Nötigung.
Wir fordern die Reform des Schweizer Sexualstrafrechts nach der Istanbul-Konvention!
Die Schweiz widersetzt sich der Instanbul-Konvention
Die Istanbul-Konvention ist ein Übereinkommen des Europarates zur Prävention und Bekämpfung sexualisierter Gewalt und häuslicher Gewalt, die Frauen und queere Menschen tagtäglich erleben. Laut der Konvention hat jede sexuelle Handlung ohne gegenseitiges Einverständnis (Consent) als Straftat zu gelten. Das Schweizer Sexualrecht und die Rechtspraxis ist nicht konform mit dieser Konvention, obschon die Konvention im April 2018 vom Schweizer Staat mitunterzeichnet wurde und somit auch in der Schweiz in Kraft getreten ist.Wir fordern die Reform des Schweizer Sexualstrafrechts nach der Istanbul-Konvention!
Mehr als die Verschärfung des Sexualstrafrechts
Verschärfungen des Sexualstrafrechtes legen den Schwerpunkt auf die «Strafe». Das hilft nur, wenn Strafen eine abschreckende Wirkung haben. Die Tatsachen aber, dass nach wie vor sexualisierte Gewalt zum Alltag gehört und das es nur in seltenen Fällen überhaupt zu einer Anzeige kommt, stimmen wenig optimistisch.Auch berücksichtigt die Konzentration auf das Strafrecht nicht, dass es Menschen gibt, die sich nicht an staatliche Institutionen wenden können: Weil sie keinen oder einen unsicheren Aufenthaltstatus haben, weil sie von Mehrfachdiskriminierung betroffen sind und die Ressourcen für das Prozedere nicht aufbringen können oder weil ihnen in der zermürbenden Maschinerie keinen Glauben geschenkt wird und sie aufgeben.
Wir brauchen grundlegende Veränderungen, insbesondere in der Sozialisierung von cis-männlichen[1] Personen. Gäbe es keine Vergewaltigungskultur, wäre ein Sexualstrafrecht und dessen Verschärfung nicht nötig. Und davon würden alle profitieren.