UB-Logo Online MagazinUntergrund-Blättle

China strebt nach maritimer Macht

5214

Ambitionierte Pläne China strebt nach maritimer Macht

earth-europe-677583-70

Politik

Von der Seemacht USA ist China noch weit weg, doch die Marine rüstet auf und will bald mit drei Flugzeugträgern Präsenz markieren.

Der chinesische Flugzeugträger CV-16 «Liaoning» in der Nähe von Hongkong, Juli 2016.
Mehr Artikel
Mehr Artikel
Bild vergrössern

Der chinesische Flugzeugträger CV-16 «Liaoning» in der Nähe von Hongkong, Juli 2016. Foto: Baycrest (CC BY-SA 2.5 cropped)

Datum 7. Januar 2019
1
0
Lesezeit6 min.
DruckenDrucken
KorrekturKorrektur
Im ersten Jahrtausend unserer Zeitrechnung waren die seefahrenden Araber führend. Sie beherrschten die Seidenstrasse zu Wasser und machten satte Gewinne. Abgelöst wurden die Araber ab dem 12. Jahrhundert allmählich von den Chinesen. Neu konstruierte Schiffe und vor allem die Erfindung des Kompass' trugen zur Überlegenheit auf den Meeren bei. Admiral Zheng He demonstrierte das augenfällig mit seinen sieben Expeditionen zwischen 1405 und 1433 von Asien bis Ostafrika. Das Tribut-System, das fremde Machthaber verpflichtete, die Überlegenheit der chinesischen Kultur und der Oberhoheit der Kaiser anzuerkennen, war die chinesische Variante des internationalen Handels.

Die Seemacht der Europäer

Nach den Reisen Admiral Zhengs mit seinen grossen Flotten wandte sich China wieder nach innen. Kurz darauf begann das Zeitalter der europäischen Schifffahrt, zunächst mit den Spaniern und den Portugiesen, danach mit den Holländern und Franzosen und schliesslich mit den Briten. Dank der Renaissance, der Reformation und der wissenschaftlichen Revolution wurde das Zeitalter der europäischen Aufklärung möglich und somit auch die von Grossbritannien ausgehende industrielle Revolution. Das ermöglichte den Briten, eine Flotte zu bauen, die auf neuester Technologie aufbaute: Dampfschiffe. Damit wurde Grossbritannien im ausgehenden 18. Jahrhundert und im 19. Jahrhundert zur beherrschenden Weltmacht.

Grossbritannien wurde im 20. Jahrhundert allmählich von den USA abgelöst. Ohne mächtige Flotte, erstmals auch mit Flugzeugträgern, wäre ein Sieg der mit den Amerikanern alliierten Staaten im Zweiten Weltkrieg gegen Deutschland und Japan unmöglich gewesen.

Modernisierung der Marine

Im 21. Jahrhundert schickt sich nun das Reich der Mitte erneut an, auf den Weltmeeren eine wichtige Rolle zu spielen. Im Unterschied zum 18., 19. und 20. Jahrhundert allerdings wird das 21. Jahrhundert eine multipolare Welt. Neben der Supermacht USA wird die regionale Supermacht China künftig auf den Weltmeeren, zumal im Pazifik, im Ost- und Südchinesischen Meer eine entscheidende Rolle spielen.

Der Westen reagiert jeweils aufgeregt bei der Präsentation des chinesischen Militärbudgets am Nationalen Volkskongress im März. Die Zahlen zeigen jedoch nur, dass das moderne China nach vierzig Jahren Reform und Öffnung ganz einfach seine Streitkräfte und die Marine modernisiert. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr betrug das Militärbudget der USA 610 Milliarden Dollar, jenes von China 228 Milliarden; danach folgen Saudi-Arabien mit rund 69,4 Milliarden, Russland mit 66,3 und Indien mit 63,9 Milliarden Dollar.

Für Schlagzeilen und alarmierte Kommentare sorgte Ende November die Ankündigung der amtlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua (Neues China), die Volksrepublik baue an einem dritten, mit moderner Technologie ausgestatteten Flugzeugträger. Schon vor sechs Jahren, als der erste chinesische Flugzeugträger «Liaoning» in Dienst gestellt wurde, sorgte das in westlichen Medien für besorgte Aufmerksamkeit. Allerdings ist das Schiff bereits jahrzehntealt. Es wurde ursprünglich für die Sowjetische Marine gebaut und 1998 von der Ukraine an China verkauft. Ein zweiter Flugzeugträger mit dem Typennamen 001A lief im April des laufenden Jahres von Stapel und wird derzeit auf See getestet. Dieses neue Schiff aus chinesischer Produktion ist grösstenteils ein Nachbau der «Liaoning» und wurde nur in wenigen Details weiterentwickelt.

Ambitionierte Pläne

Der dritte chinesische Flugzeugträger mit der Typenbezeichnung 002 befindet sich derzeit noch im Bau. Das Schiff mit über 70'000 Tonnen Wasserverdrängung, über 300 Meter Länge und 75 Meter Breite wurde von A bis Z von chinesischen Ingenieuren entwickelt. Ob der neue Typ atomar angetrieben sein wird wie die amerikanischen Flugzeugträger oder mit Dampfturbinen wie «Liaoning» und 001A ist nicht bekannt.

Der neue Flugzeugträger soll jedoch ein elektromagnetisches Katapult-System zum Starten der Jets haben wie die Schiffe der USA. Das erhöht laut Experten die Schlagkraft erheblich. Auf der «Liaoning» wird noch mit Sky-jumps oder Schanzen gestartet. Das erlaubt allerdings nur ein Abfluggewicht von rund 30 Tonnen. Mit dem Katapult sind 50 Tonnen möglich. Das bedeutet: Die Flugzeuge können mehr Treibstoff tanken und haben somit eine grössere Reichweite, zudem können die Kampfjets mit grösserer Bombenlast starten. Das Schiff wird wohl nicht nur Flugzeuge an Bord haben. Chinesische Experten gehen davon aus, dass auch Drohnen mit faltbaren Flügeln eingesetzt werden. Eine solche Drohne mit der Typenbezeichnung HK-5000G wurde an der «Airshow China 2018» in Zhuhai ausgestellt.

Der neueste chinesische Flugzeugträger soll in zwei bis drei Jahren in Dienst gestellt werden. Doch bereits ist schon ein vierter Flugzeugträger in Planung. In einem Kommentar der «Global Times» – einem Ableger des Parteiblattes «Renimin Ribao» (Volkszeitung) – heisst es, China habe bezüglich Flugzeugträger «ambitionierte Pläne». Konteradmiral Yin Zhuo ist der Meinung, dass China im Westpazifik und im Indischen Ozean Flugzeugträgerverbände brauche. Dafür, so der Konteradmiral, seien insgesamt «fünf bis sechs» Flugzeugträger nötig. Militärexperte Xu Guangyu geht noch einen Schritt weiter: «Es ist zu hoffen, dass China auf jedem Kontinent Stützpunkte haben wird.» Entlang dem Indischen Ozean von Myanmar über Sri Lanka und Pakistan bis hin zu Mogadischu ist das bereits nahe an der Wirklichkeit.

Auch Indien rüstet auf

Auch Indien, erpicht auf Kontrolle des Indischen Ozeans, rüstet maritim auf. Ein russisch gebauter Flugzeugträger (40'570 t) ist seit 2013 im Einsatz. Zwei weitere sind im Bau. Ein Träger mit 40'000 Tonnen Wasserverdrängung wird dreissig Flugzeuge aufnehmen und 2023 in Dienst gestellt. Ein atomar angetriebener 65'000t-Flugzeugträger mit 55 Flugzeugen an Bord wird kurz danach einsatzbereit sein. Indien wäre also hinter den USA und China die drittgrösste Trägermacht der Welt. Andere Staaten wie Frankreich mit einem einzigen Flugzeugträger («Charles de Gaulle») oder Russland mit «Admiral Kusnetsow» fallen dagegen ab. In Südostasien verfügen noch Thailand, Australien, Japan und Südkorea über Helikopterträger.

Das Betreiben von Kampf-Gruppen auf dem Meer ist hoch komplex. Die Amerikaner haben damit über 75 Jahre Erfahrung. Neben dem Flugzeugträger mit bis zu 70 Kampfjets sind im amerikanischen System normalerweise ein Kreuzer mit Lenkwaffen, sechs bis acht Zerstörer oder Fregatten zur Abwehr gegen Luftangriffe, ein Angriffs-Unterseeboot sowie ein Munitions- und ein Versorgungsschiff beteiligt. Der gesamte Mannschaftsbestand beträgt knapp über 7000. Die USA verfügen über elf Flugzeugträger. Marine-Experten gehen davon aus, dass wegen Revisionen und den stets nötigen Modernisierungen zwei bis drei Träger nötig sind, damit stets der Einsatz eines Flugzeugträgers gesichert ist.

Die USA sind unangefochten an der Spitze, und sie werden es wohl noch lange bleiben. Umso erstaunlicher ist, dass der im Bau befindliche chinesische Flugzeugträger 002 so viel Aufmerksamkeit der westlichen Medien erhält, nicht aber der neueste Wurf der Amerikaner. Nach der atombetriebenen Nimitz-Serie folgen nun drei weitere Träger mit modernster Technologie. Die «USS Gerald R. Ford» soll 2023 in Dienst gehen. Zwei weitere dieser Klasse sind noch geplant. Ein Träger soll den Namen «USS John F. Kennedy» erhalten.

Peter G. Achten / Infosperber