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Geschichten von verlorenen Herzen & geheilten Trinkern

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Killroy Geschichten von verlorenen Herzen & geheilten Trinkern

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Killroys Herz schlug dumpf gegen die Brust. Das Blut pochte in den Schläfen. Unablässig blickte er ins nächtliche Firmament auf der Suche nach seinem Stern.

Geschichten von verlorenen Herzen & geheilten Trinkern.
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Geschichten von verlorenen Herzen & geheilten Trinkern. Foto: Matthew Woitunski (CC BY 3.0 cropped)

Datum 10. Dezember 1998
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Seine Gedanken fühlten sich kalt in dem endlosen Raum. Kosmische Kälte durchströmte seine Adern & liess ihn erschaudern. Die Sehnsucht verkrustete sein Herz wie das Meerwasser Salz an den Händen. Die Augenlider klirrten wie berstende Glashäutchen, ruhelos tastete sich sein Blick in den Nachthimmel. Vielleicht war sein Stern Pfefferminz: Ein kaum wahrnehmbarer Glücksschauer erregte seine Nerven. Er wusste es nicht, er konnte es noch nicht wissen.

Leidenschaftlich dachte er, wenn er das geliebte Wesen besässe, erstickte das Herz, das einsgewordene Herz seine Einsamkeit, die Liebe würde das Spiel entfachen.

Killroys Angst einen gefundenen Schatz zu verlieren, entfachte seine menschenverachtende Angst, die sich in einen selbstzerstörerischen Hass steigerte.

Niemals würde er mit dem geliebten Menschen glücklich bleiben, denn sein Misstrauen war ein Spiegel seines Innersten. Killroy kannte Frauen: Mädchen, Mütter, Töchter, Geliebte & Huren. Aber in seiner Raserei zerbrachen die Freundschaften wie Thekenglas.

Schien eben noch das Liebesglück in greifbarer Nähe, begann auch schon diese unabwendbare Leidenszeit. In ritualisierten Alkoholexzessen zerschlug er blindwütig, was er Augenblicks zuvor hoch liebte. Ein im Unbewussten sitzender Selbsthass trieb ihn zu unbegreiflichen Gewalttaten.

Anfangs konnte er noch um Verzeihung bitten, sich schamvoll aus der Verantwortung stehlen, aber nur um das schmutzige Spiel der Demütigungen gegen seine Freundin und letztendlich gegen sich selbst in neue Verlängerungsphasen zu treiben, bis ein wütender Orkan orgiastischer Gefühle alles vertrieb

Freunde und Geliebte wendeten sich nach solch einem Erguss mit Abscheu von ihm, der jetzt nur noch in betäubendem Suff sich ertragen konnte, er war so widerlich ... um so trotziger sang Killroy in die Kneipennächte: "1 Mann der alleine trinkt, stirbt A L L E I N E! I am lonely, bin so alleine", bis seine heiser geschrienen Stimmbänder ermatteten. "Scheisse", krächzte er, wie'n totfrierender Rabe auf winterstarrem Feld.

Killroy wollte leiden, versank in Selbstmitleid & Suff, wollte sein Schicksal nicht annehmen, wollte nichts aushalten; er wollte nur ohne zu geben, trank, um Entschuldigung für seinen Selbsthass zu haben. Killroy war schwach und trank seiner Schwäche Mut zu, bis er gar nicht mehr merkte, dass er ja gar nicht mehr er selbst war, sondern nur aus Bier/Schweiss & Tränen und aus abgewrackten Träumen und quälenden Selbstzweifeln bestand. Das hatte er noch wahrnehmen können, als er aus einem Delirium erwachte, ("Scheisse", krächzte er, wie'n totfrierender Rabe auf winterstarrem Feld ... ) und machte sich auf'n Weg seine Angst zu besiegen.

Mit krankhafter Gefühllosigkeit begann er, die Geschwüre seines Leidens zu sezieren. Killroy führte das Skalpell wie ein Todesengel der Assassinen den Nizari-Dolch. Er wendete das Innerste zum Äussersten.

Schnitt die langen Därme zu Kalamarisringen. Blutopfernd zuckte das aus dem Leib gerissene Herz kontraktiv in einer Schale aus rauchschwarzem Obsidian, bevor die bereits wartenden Harpyien es mit ihren scharfen Schnäbeln zu Haché zerhackten.

Die Hirnschale zerbarst wie'n reifer Kürbis an einer Gartenmauer in der Halloween-Nacht. Teile der Gehirnkapsel, Rindenfelder, blutiger Auswurf und Fäkalien mischten sich zu einem dumpfen Brei, süsslicher Geruch nach Verwesung breitete sich über dem Szenario aus.

Mit röchelndem Atem schwang Killroy das Beil des Henkers. Sein Arschloch schnatterte wie ne Klapperschlange beim letzten Furz. Die verhassten Bierschweissangstträume mit brachialer Gewalt in den Dreck gestampft.

So oder ähnlich begann die seelische Befreiung, der Killroy sich bediente. Erleichtert gestand er sich ein: "Ich war ein Trinker".

(Mit penibler Sorgfalt begann er mit den Aufräumarbeiten, sortierte Leichenteile, wischte den Blutsudel von den Wänden & spülte auch gleich falsche Vorstellungen über seine Person mit dem Fäkalienschmutz ins Klo.) Nach soner penetranten Arbeit durfte er sich nen Kaffee genehmigen und inhaltsleer eine Zigarette in den Mundwinkeln durchkauen.

Alleine, aber keine Lust sich sonem Priester anzuvertrauen, schon wieder Seelenverkäufer. Also verliess er den Platz des Geschehens & betrat mit fröstelndem Körper die nächtliche Strasse und erinnerte sich jener Geschichte, die man sich überall auf der Welt erzählt, um der Hoffnung Platz zu machen, wenn einen die Einsamkeit in ihren Fängen hält: dass da oben am Himmel für jeden von uns ein Stern leuchtet. Und seiner hatte die Farbe Pfefferminz.

Noch starrte Killroy unwissend ins Firmament, betrachtete staunend das unermessliche Himmelsgewölbe mit den Lapislazuli funkelnden Punkten.

Er fühlte sich gerührt wie beim Betreten eines gewaltigen Kirchendoms. Sein Blick gewann an Reinheit. Die nächsten Weglängen seiner Reise waren die der Geduld. Empfindsam wie ein Spinnennetz begann der Glaube an sich selbst ihn einzunehmen, aber kein Gott würde ihn retten, sollte er nochmals den Glauben an sich verlieren und der Trunksucht verfallen.

Aus unscheinbaren Spinnweben wurden klebrige Fäden, die ihn behutsam ketteten, konnten kräftige Taue wachsen, die das Selbstvertrauen mit eiserner Wacht hielten, ohne dass er die Warnung vergass. Killroy fühlte nunmehr ein kaltes Herz in seiner Brust schlagen.

Michael Schönauer