Haftvollzug in der psychiatrischen Klinik
Ahmad H. ist am 28. Mai 1997 in Regensdorf von der Polizei aufgegriffen worden. Bei seinen Vernehmungen gab er an, über das Internet in die Schweiz eingereist zu sein. Ahmad H. trug keine Papiere auf sich und hatte keine Kontakte zu in der Schweiz lebenden Personen. Nach 30-tägiger Untersuchungshaft wegen Verstosses gegen das Ausländergesetz (illegale Einreise), ordnete die Fremdenpolizei am 30. Juni 1997 Ausschaffungshaft an.Am 17. Juli 1997 musste der Gefangene vom Gefängnispsychiater der Justizdirektion wegen seines psychischen Zustandes erstmals notfallmässig in die Klinik Hard nach Embrach verlegt werden. Dort stabilisierte sich der Zustand des Häftlings. Am 3. September wurde er zurück ins Flughafengefängnis nach Kloten verlegt.
Am 14. Oktober fand im Flughafengefängnis eine Konfrontation mit einem Beamten des Bundesamtes für Flüchtlinge (BFF) und einem Vertreter der libanesischen Botschaft statt. Der Zustand von Ahmad H. verschlechterte sich darauf erneut rapide, weshalb er am 17. Oktober wieder in die Klinik Hard verlegt werden musste.
Ein weiterer Versuch, den geistig verwirrten Mann in die Gefängniszelle zu stecken, musste Mitte November bereits nach zwei Tagen abgebrochen werden. Ahmad H. blieb bis zur Aufhebung der Ausschaffungshaft am 11. Dezember 1997 in der Klinik. Im Februar 1998 bezog er ein Zimmer in Zürich und wurde von der Aussenstelle der Klinik Hard, dem Ambulatorium Örlikon, betreut.
Erster Ausschaffungsversuch im März '98
Obwohl sie bestens über den labilen Zustand des Ausländers informiert waren, beschlossen Beamte der Zürcher Fremdenpolizei unmittelbar nach der Entlassung von Ahmad H. aus der Klinik, einen Ausschaffungsversuch in die Wege zu leiten. Am 27. März 1998 wurde er in seinem Zimmer in Zürich verhaftet und in eine Zelle des provisorischen Polizeigefängnis auf der Kasernenwiese gebracht.Dort setzt er seine Zelle in Brand, um sich - wie er später sagte - das Leben zu nehmen. Obwohl auch die Kantonspolizei genau wusste, dass Ahmad H. psychisch krank ist, wurde er für drei Stunden in den Bunker des Propog gesperrt. Von dort verlegte man ihn in eine Zelle der Flughafenpolizei auf dem Flughafen Kloten, von wo er am 28. März 1998 nach Beirut ausgeschafft werden sollte.
Der traumatisierte Mann wurde am 28. März von zwei namentlich bekannten Kantonspolizisten ins Flugzeug geschleppt. Es gelang den Beamten jedoch nicht, ihn an den Sitz zu fesseln. Der Captain der Swissair-Maschine ordnet den Abbruch des Ausschaffungsversuchs an.
Ahmad H. wurde von den beiden Kantonspolizisten aus dem Flugzeug geschleift und zog sich dabei zwei handflächengrosse Brandwunden (Schürfungen) auf dem Rücken zu.
Im Vollzugsbericht schreiben die begleitenden Kantonspolizisten, dass sie für einen "erneuten Versuch, H. auszuschaffen, zu Verfügung" stehen würden, dass jedoch "vorgängig nach einer geeigneten Lösung zu suchen (sei), wie er ruhig zu stellen ist". Der rapportierende Beamte der Flughafenpolizei schlägt ausserdem vor, bei der nächsten Ausschaffung eine andere Fluggesellschaft als die Swissair zu wählen.
Haftrichter lehnt Ausschaffungshaft ab
Die Fremdenpolizei ordnete nach der gescheiterten Ausschaffung erneut Ausschaffungshaft gegen Ahmad H. an. Der Psychiater des Flughafengefängnis liess ihn in die Gefängnisabteilung der Psychiatrischen Klinik Rheinau verlegen. Am 31. März verweigert der Haftrichter die Bestätigung der von der Frepo angeordneten Ausschaffungshaft. Am 1. April wird er deshalb in die psychiatrische Universitätsklinik Burghölzli verlegt.Eine Beschwerde gegen die versuchte Ausschaffung weist Regierungsrätin Rita Fuhrer am 18. Mai ab. Ein Verfahren wegen Gefährdung der Gesundheit von Ahmad H. stellt die Bezirksanwaltschaft Bülach am 28. August 1998 ein.
Erfolglose Intervention der Ärzte
Nachdem sich der Zustand von Ahmad H. wieder verbessert hat, kehrt er im Mai 1998 in sein Zimmer nach Zürich zurück. Die ihn betreuenden Ärzte halten fest, dass eine anhaltende Stabilisierung seines Gesundheitszustandes nur möglich sei, wenn er von der Angst vor Zwangsmassnahmen der Behörden (Gefängnis, Ausschaffung) befreit werde. Augenauf versucht im Gespräch mit dem zuständigen Beamten der Frepo zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen. Einen letzten Brief vom 18. November 1998 beantwortet der Frepo-Beamte jedoch nicht mehr. Dafür leitet er am 9. Dezember 1998 den zweiten Ausschaffungsversuch ein.Ahmad H. weigerte sich, die Medikamente einzunehmen. Der Arzt verliess den Raum und kam später mit drei Polizisten zurück. Unter Anwendung von Gewalt wurde Ahmad H. ein Venenkatheder in den linken Arm eingesetzt und eine erste Dosis eines Medikamentes verabreicht. Er wurde müde.
Mit einem Rollstuhl brachten ihn die beiden Beamten, die ihn bereits am 28. März misshandelt hatten, zur Maschine der Cyprus Airways, Kurs 353. Im Flugzeug wurde Ahmad H. erneut über den Venenkatheder ein Medikament verabreicht. Ahmad H. gibt an, zu diesem Zeitpunkt noch ein bisschen geschrien zu haben.
Darauf hätten sich im Flugzeug verschiedene Leute zu ihm umgedreht. Die begleitenden Polizisten schreiben in ihrem Vollzugsbericht, dass "weitere Gewaltanwendung (...) im Flugzeug nicht erwünscht" gewesen sei. Ahmad H. wurde wieder aus der Maschine herausgebracht. Am Abend des 19. Dezember transportierte ihn die Polizei in sein Zimmer nach Zürich, wo er ohne weitere Betreuung zurückgelassen wurde.
Weiterhin von Ausschaffung bedroht
Am Morgen des 20. Dezember erwachte Ahmad H. kurz. Am Abend war er in der Lage, seine einzige Kontaktperson in der Schweiz aufzusuchen. Bei dieser schlief er erneut die ganze Nacht durch. Am Morgen des 21. Dezember, zwei Tage nach der Zwangsmedikation, war er immer noch angeschlagen, müde und konzentrationsschwach.Im Vollzugsbericht der Kantonspolizei heisst es, dass Ahmad H. "wohl kaum jemals mit einer Passagiermaschine ausgeschafft werden kann". Aufgrund dieser Bemerkung und früheren Erfahrungen ist zu befürchten, dass die Fremdenpolizei des Kantons Zürich auch nach dem zweiten Ausschaffungsversuch die Abschiebung des psychisch kranken Mannes nach Beirut vorantreiben will.
Um dies zu verhindern, hat augenauf eine Aufsichtsbeschwerde an den Zürcher Kantonsrat gerichtet und bei der Fremdenpolizei die vorläufige Aufnahme von Ahmad H. verlangt. Wir befürchten jedoch, dass nur massiver öffentlicher Druck die Zürcher Behörden davon abhalten wird, von ihrem menschenverachtenden und die physische Integrität unseres Freundes gefährdende Vorgehen abzuhalten.
Wir klagen die Fremdenpolizei und die Kantonspolizei des Kantons Zürich und das Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) an, einen schwer angeschlagenen Menschen ohne Rücksicht auf seine Gesundheit massiv zu verfolgen.
Wir klagen die Polizeidirektorin Rita Fuhrer an, dieses ihr bestens bekannte Treiben nicht zu verhindern. Wir klagen die Verantwortlichen des Flughafengefängnisses, des psychiatrisch-psychologischen Dienstes der Justizdirektion und die in den Fall involvierten Richter an, einem wehrlosen Kranken, der von den Polizeibehörden verfolgt wird, die nötige Hilfe verweigert zu haben.
Wir danken allen Männern und Frauen, die uns helfen, dass Ahmad H. die Hilfe zukommen kann, die er nach dem zweiten Ausschaffungsversuch mehr denn je braucht.
Zürich, 12. Januar 1999
Gruppe augenauf, Postfach, CH-8026 Zürich