Ein Plädoyer Tötet die Maschine!
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Nein, nein, Sie brauchen nicht zu befürchten, hier den Artikel eines TwentiethCentury-Luddite zu lesen, der nichts besseres zu tun hat, als zum Sturm auf die Rechenzentren zu blasen.
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25. März 2000
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Korrektur
Das Internet wartet mit einer ständig wachsenden Zahl an Informationen auf, die Printmedien ergiessen (trotz wachsender Webelektronik) eine wahre Flut von Veröffentlichungen über dem Konsumenten aus.
Da muss der Einzelne selektieren, sagen die Befürworter von Elektronik-Medien. Möglich, in manchen Bereichen, zum Beispiel, wo man günstig ein Ersatzteil für sein Auto bekommt, oder wo demnächst die Lieblingsband spielt... Aber wie sieht es aus mit Informationen z.B. über den Krieg in Tschetschenien? Was ist die Wahrheit?
Wo sind Informationen verschleiert, verzerrt, wo sind durch Sensationsgeilheit eigene Informationen (Wahrheiten) geschaffen, in Szene gesetzt worden? "Alles Unsinn!" höre ich die Mediengläubigen rufen.
Lies seriöse Zeitungen, schaue Dir gute politische Sendungen an, hol Dir über Internet Hintergrund-infos...'Gut, Danke! Jetzt mal ehrlich: wann haben Sie sich das letzte Mal ausführlich über ein politisches Thema informiert? (Ich hab's im Golfkrieg getan) Wer nimmt die Zeit, sich tatsächlich über all die Sachen genau zu informieren, oder besser gesagt, wer HAT die Zeit dazu? ( ,Arbeitslose und Rentner, fährt der Zyniker dazwischen). Allein die Vielzahl von Geschehnissen und Themen macht es nahezu unmöglich, wenn man sich wie Normalbürger um Arbeit, Familie, Haus usw. kümmern muss.
Kriege, politische Konflikte, Spenden- und Schwarzgeldaffären... Wobei ich bei dem zweiten Rad der Maschine wäre: die Politik. Objektiv beschrieben haben wir eine repräsentative Demokratie, in der durch geheime Direkt- oder Parteiwahl Mitglieder der Parteien in Stadträte, Landtage oder eben Bundestag und Bundesrat einziehen, um dort ihre Wähler zu vertreten.
Die Wähler haben jederzeit die Möglichkeit, die Vorstellungen und Ziele der Partei(Mitglieder) mittels einlesbaren und in Wahlreden und Sendungen vorgestellten Programmen zu erfahren.
Subjektiv und negativ gefärbt betrachtet ist es eine auf demokratischer Basis gewählte Oligarchie, d.h. (Def. Duden): Staatsform, bei der auch bei formeller Gleichberechtigung der Staatsbürger die tatsächliche Herrschaft in der Hand einer kleinen Gruppe liegt.
Diese Macht nun üben die vom Volk gewählten Parteien respektive ihre Mitglieder ebenfalls nur vordergründig aus. Ich vertrete die Meinung, (die ich mir aus Zusammenziehen von Informationen aus Medien gebildet habe) dass ein grosser Einfluss seitens von Konzernen und Banken, besser gesagt, durch deren Vorstände ausgeübt wird.
Formell werden Entscheidungen durch Minister oder Kanzler getroffen, aber letztlich sind sie Marionetten, die mit dem Kopf nicken, wenn an den Fäden Parteispende oder Aufsichtsratposten gezogen wird.
Und schon klappt es mit dem Waffenverkauf, oder bei der Fusion zweier Grosskonzerne werden 5.000 Menschen arbeitslos. Und hier komme ich zum dritten wichtigen Antriebsrad unserer Maschinerie: die Wirtschaft. Noch immer wird uns ihr Aufschwung und ihre Stabilität als nonplusultra unserer Gesellschaft gepredigt.
Das Eigenheim, die Einbauküche darin und der Zweitwagen davor sind Standard. Und auf Deubel komm raus wird expandiert, EXPOrtiert, und ganz nebenbei immer mehr fusioniert... Setzt der Hammer: t-online will angeblich mit der Kirchgruppe zusammengehen! Für mich ein Grund, den Online Anbieter zu wechseln, glaube ich).
Das heisst, dass die Produktion und der Handel beispielsweise mit Gütern (genau so aber auch von Informationen) in die Hände von immer weniger aber dafür grösser werdenden Konzerngruppen und deren Vorstände gelangt.
Dies läuft meines Erachtens auf eine Monopolisierung und damit zusammenhängend auf Preisbindung hinaus. Auch für gefährlich halte ich die Entwicklung in der Getreide- und Fleischproduktion. Immer grössere (und unübersichtlichere) Konzern-ketten richten ihre eigenen Kontroll- und Gentechniklabors ein; von aussen ist nicht mehr nachzuvollziehen, ob Richtlinien hinsichtlich Zusätzen oder Verarbeitung eingehalten werden.
Und so könnte ich die Missstände innerhalb der Maschinerie quasi ad infinitum fortführen.
,Was gedenkst Du anders zu machen?' werde ich gefragt, und es ist eine berechtigte Frage, habe ich doch schon lange genug lamentiert. ,Machen kann ich nichts, denn ich bin nicht mächtig', werde ich antworten, aber ich kann sagen und schreiben, wie ich es mir vorstelle: Also, die Medien könnten mit weniger Sensationsreportage auskommen, das würde sie in meinen Augen glaubwürdiger machen. Und auf Parteienwerbung im Fernsehen kann vollständig verzichtet werden, denke ich.
Alternativen zur bestehenden politischen Herrschaftsform liegen auf der Hand: Direkte Demokratie wie (ich wollte gerade schreiben: 'im alten Griechenland', aber da warens ja auch nur die Privilegierten) also zum Beispiel in der Schweiz (wenn dort auch nur eingeschränkt). In der Literatur finden sich viele Beispiele für Möglichkeiten der Nutzung des Inernet zur Grundlage einer partizipatorischen Demokratie. (bsp.: Lawrence Grossman; the electronic republic)
Aber im selben Moment drängen sich Zweifel in mir auf, ist ein tragender Teil der Bevölkerung intellektuell und sozialisiert so weit, dass es Möglichkeiten wie Volksentscheide und Internetabstimmungen unbedenklich zu nutzen in der Lage ist?
Ich muss mit einem nein antworten, denn ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Grossteil der deutschen Bevölkerung jemand braucht, der ihnen sagt wo es langgeht. Da ist einmal die Kriegs- und Nachkriegsgeneration, die die Nazizeit nicht verarbeitet, respektive aufgearbeitet hat.
Und der jüngere Teil der Bevölkerung, die sogenannte Aufschwung-Generation, schiebt die Verantwortung gerne von sich, so wie sie es von ihren Eltern ja auch nicht anders lernen konnten.
Ist es also schlecht bestellt um unsere Demokratie? Sind wir ein Volk von Scheuklappenträgem und Jasagern? Ich meine nein. Wenn ich mich umschaue, entdecke ich überall Menschen, die ein Leben führen, welches nicht von Konsum, Geldsorgen und Rentenangst bestimmt wird, oder von Machtausüben und Karrieremachen geprägt ist.
Menschen, die anders leben, sich Freiräume geschaffen haben, in denen sie existieren können, weitestgehend ohne mit der Maschinerie in Berührung zu kommen, oder sogar, um von dort aus die Maschine, das System zu kritisieren, zu bekämpfen, und damit versuchen, es langsam zu verändern. Ich hoffe und glaube, dass es immer mehr Menschen werden, und damit ist der Tod der Maschine sicher!