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Die Welt geht unter, aber wir kommen durch...

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Partykulkur und Hedonismus Die Welt geht unter, aber wir kommen durch...

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Da haben wir nun also die Erlösung, endlich sind wir befreit worden von den anachronistischen, posthumanitären Moralzwängen der Hippies, den Freaks der 80er-Bewegung und den Chaosquerdenkern der neuen Generation. Ja sie waren unbequem, diese Forderungen und Ermahnungen, die sie auf die Strasse trugen.

Street Parade in Zürich am 13. August 2011.
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Street Parade in Zürich am 13. August 2011. Foto: niky81 (CC BY-SA 2.0 cropped)

Datum 7. Juni 1995
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Sie waren unzufrieden, diese abartigen Menschen, und das unangenehme daran war, das sie bereit waren zu kämpfen, für ihre Ideen und Träume.

Aber eben, die Hippies hängen nun, Gott sei dank, nicht mehr auf der Strasse, sondern in ihren Einfamilienhäuschen, die Freaks der 80er haben sich glücklicherweise zu Tode gespritzt, und die letzten paar übrig gebliebenen Unzufriedenen haben sich in ihren miesen, mickrig-kleinen Mietwohnungen verkrochen und rauchen frustriert und resigniert ihr Dope.

Sie alle, die uns schon immer nur ein noch schlechteres Gewissen einreden wollten und uns so die lustige Stimmung versauten, wurden ersetzt, ja fast schon überrollt. Früher waren da noch die Räumungspanzer und Wasserwerfer der Bullen notwendig, heute erledigen das unsere Brüder mit ihren fröhlichen Umzugswagen an der Street-Parade.
Kreischend und johlend wie die Spiesser an der Fastnacht ziehen sie durch die Gassen von Zürich, wo einstmals noch wahrhaftige Männer und Frauen mit Steinen und Molis in den Händen gegen die herrschende Ordnung ankämpften. Heute beschmutzen die Vergnügungssüchtigen Tekknofreaks mit ihren verstaubten Ecstasy-Köpfen das ehrenwerte Pflaster von Zürich. Womit haben wir das verdient, diese Geisteshaltung des ewigen Lächelns und des fortgeschrittenen Glücks? Hat die ach so dämliche Jugend von heute wirklich keine Kritik mehr vorzubringen an dieser Gesellschaft? Oder wollen sie diese ganz einfach nicht mehr formulieren? Sind all die unzähligen illegalen Partys im Raum Zürich schon Widerstand genug, oder sind die Kidz von morgen einfach nur zu schlapp und ausgelaugt vom vielen Feiern, so dass sie nicht mehr ihre Schnauze aufbringen, wenn sie nicht gerade voll zugeknallt sind?

Und dabei geht's uns allen doch gar nicht so toll, wie es sollte; aber eine befreiende Motivationsspritze in Form einer Pille oder eines aufputschenden Neuzeitgetränkes bringt dem Menschen naturgemäss doch noch einiges mehr als eine nimmer endende Diskussion über die Problematik unserer kränkelnden und angeschlagenen Gesellschaft.

Wir wissen doch alle langsam das vieles nicht in Ordnung ist, vieles nicht so sein sollte und nicht so wird wie wir's gerne hätten, aber wir ziehen es verständlicherweise vor, über unsere Orgasmusschwierigkeiten und deren Folgen auf unser Innenleben zu diskutieren, als dass wir unser mühevoll aufgebautes seelisches Gleichgewicht unnötig strapazieren mit unbequemen Gedanken. Das war doch schon immer so, nicht wahr? Es war zweifelsohne nur mal kurz Mode etwas auf revolutionär und rebellisch zu machen, war gut fürs Image, und heute geht mensch auf Partys um hip zu sein.

Den regen Zulauf von orientierungslosen Schäfchen, den die Tekknobewegung momentan erfährt, ist damit zu erklären, dass dem konsumbegeisterten Neuling in Sachen Auftreten, Kleidung und Gedankengut kaum Grenzen gesetzt werden. Jeder, der ein Lachen auf seine verzerrten Gesichtszüge bringt und sich ein Nuggi ins Maul stopft, gehört dazu.

Die ganze Szene lebt von dieser Beliebigkeit, alles ist erlaubt. Mensch darf sich wieder wie ein Kind fühlen und benehmen. Jegliche Verantwortung und Gewissenhaftigkeit wird empört zurückgewiesen. Keiner will zuständig sein für die Probleme unserer Zeit, da er sich hoffnungslos überfordert fühlt, und so bleibt das Bedürfnis nach ein bisschen Spass, das sich ja bekanntlich mit Geld befriedigen lässt.

Was wir gerne erreichen täten oder noch viel lieber kaufen würden, ist die hundertprozentige tolle Stimmung auf ewig, und das mit Lebensgarantie. Wir preisen die Lebenskultur, die uns endlich das verspricht, was uns in TV und restlichen Medien schon immer vorgegaukelt wurde und wird. Das ewige erfrischende Lächeln der Immer-gut-drauf-Menschen, auch happy people oder Clubmitglieder genannt. Jawohl, die Wundermusik mit den Wunderpillen ist kommerzialisiert worden, die hat sich gemausert von der Subkultur zum totalen Massenspektakel, an der viele Geier mitverdienen und absahnen und noch viel mehr ihre Hirnzellen verlieren. Da hat sich eine wunderhübsche Marktlücke aufgetan, die die Haifische wieder etwas belebt, wenn sie an die aufgepeitschte, konsumgeile Teigmenge denken, die all ihre Früste und Lüste im Geldrausch umzusetzen versuchen.

Die Wünsche eines jeden Markstrategen sind in Erfüllung gegangen: die tanzenden Puppen wollen keinen Sinn suchen oder Hintergedanken anstellen, nein, sie wollen im Konsumpf ersticken, und das mit einem Red Bull in der Hand. Dem Spiel sind somit keine Grenzen gesetzt. Aber Vorsicht, lächle fleissig mit, lass dir ja nichts anmerken von deiner innerlichen Leere und Abgestumpftheit. Pflege deinen Small-Talk-Kult bis aufs Äusserste. Wir tanzen alle gemeinsam ab ins Jahr 2000 mit unserer Pharmazeutika im Brummschädel und Energy-Drinks im flauen Magen, ok, ein bisschen die "fin de siecle"-Stimmung ausleben, nichts dagegen, bin auch dabei, bin ja selber auch ein Spacefreak, aber erlaubt mir nur noch eine Bemerkung: irgendwann ist auch das tausendjährige römische Reich an den Exzessen und Orgien der sinnentleerten Menschen untergegangen.

Mangelnde Werte, Verlust von Moralvorstellungen, Individualismus, materielle Besessenheit und Vergnügungssucht. Was soll's, wir wissen ja alle dass alles besser wird, und gerade deshalb hol auch ich mir garantiert noch den letzten Kick, mit meinem nächsten Fick!

U.v.d.H.