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Kinder des Zorns: Die Geschichte der AIZ

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Die Geschichte der Antiimperialistischen Zellen (AIZ) Kinder des Zorns

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Archiv

In Deutschland hat der bewaffnete Kampf, der durch den langfristigen Diskussionsprozess der Roten Armee Fraktion (RAF) beinahe zum Stillstand gekommen ist, durch das Erscheinen der Antiimperialistischen Zelle (AIZ) wieder frischen Wind erfahren.

Datum 24. Juni 1996
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"Revolten sind Feuerwerke, geschossen in das Dunkel der Macht; sowie sie erleuchten, sind sie am Verlöschen."


M. Foucault




Die AIZ traten am 22. April 1992 als Reaktion auf das mittlerweilen schon fast legendäre "Aprilpapier" der RAF zum ersten Mal mit einem Communiqué an die Weltöffentlichkeit. Die Berufskollegen von der RAF hatten damals in ihrer Erklärung vom 10. April 1992 die Aussetzung von tödlichen Aktionen gegen die BRD-Eliten angekündigt und somit vor allem innerhalb der eigenen Reihen einen Diskussionsprozess über Sinn und Unsinn von bewaffnetem Kampf ausgelöst, der bis zum heutigen Tage andauert und sehr wahrscheinlich auch nicht so schnell enden wird.

Ihre ausführlichen Debatten, die die RAF "angesichts der tiefgreifenden globalen und innergesellschaftlichen Umbrüche" zu führen glauben musste, enden in der ausdrücklichen Forderung nach der Notwendigkeit einer "grundsätzlichen Aufarbeitung von Theorie und Praxis des bewaffneten Kampfes der letzten zwei Jahrzehnte". Dieser Diskussionsprozess, welcher zweifelsohne ein Wahnsinnsmeisterwerk der Dialektik ist, kann in dem Buch "Wir haben mehr Fragen als Antworten - Diskussionen 1992 - 1994" (herausgegeben vom ID-Archiv, 1. Auflage 1995) nachgelesen und verstanden werden.

I. Die Saat

Das Papier der AIZ ist eine Ansammlung von Zitaten und Auszügen aus den alten Kampfschriften der 1. RAF-Generation ("Das Konzept Stadtguerilla", 1971 und "Zur Strategie des antiimperialistischen Kampfes", 1972), welche vorwiegend der konkreten Hand Ulrike Meinhofs entsprungen sind.

Das AIZ-Papier endet mit den einzigen eigenen Worten: "Und wir, als Teil des Widerstandes in der BRD, fügen jetzt hinzu: Widerstand steht dafür, dass das, was in 22 Jahren war, nicht dem Staatsapparat und den Medien gehört. Diese Geschichte lebt in uns. Widerstand gegen die imperialistische Grossmacht BRD bestimmt sich durch diese Erfahrungen. Der Kampf geht gemeinsam weiter."
Die deutsche Tageszeitung (TAZ) bezeichnete die AIZ daraufhin in ihrer Ausgabe vom 25.4 als eine RAF-Splittergruppe. Einen Monat später, am 22.5.92 legt die AIZ dann ein ausführliches Papier vor, indem sie die TAZ - Meldung dementiert und sich selbst als militante Autonome, die einen Teil des Widerstandes darstellen, ausgibt. Sie erklären, dass für sie im Laufe des Jahres '91 klar wurde, dass eine einfache Fortsetzung ihrer Politik als militante Autonome politisch nicht mehr viel bringt: "Wir waren ziemlich ratlos, wie viele andere auch, und haben angefangen, grundsätzlich über militante Politik nachzudenken. Wir haben uns ausführlich mit verschiedenen Texten von bewaffneten Gruppen auseinandergesetzt."

Dabei sind sie zufällig über die alten Schinken der RAF gestolpert, von welchen sie behaupten, sie hätten auch heute noch für militante Linke einen Gebrauchswert, womit sie sicherlich gar nicht so Unrecht haben. Auch von den Texten der militanten spanischen Antifa-Gruppe PCE(r)/GRAPO waren die angehenden Kämpfer der AIZ sehr angetan. Das Konzeptpapier der AIZ vom 22.5. befasst sich eingehend mit unseren Gesellschaftsstrukturen, deren politischen Formen und knappen, möglichen Lösungsansätzen: "...Wir müssen ausgehen von der aktuellen gesellschaftlichen Realität in der BRD.

Die relative Stabilität des Systems in den Metropolen beruht darauf, dass es den Herrschenden immer wieder gelingt, eine tatsächliche/vermeintliche Interessenidentität mit Menschen bis weit in den Mittelstand zu erzeugen.

Das System ist (noch) in der Lage, die integrativen Mechanismen, die dazu notwendig sind, der jeweils aktuellen Situation anzupassen. Das ist jedoch nur ein (wenn auch bestimmender) Teil der Realität in der BRD. Dort, wo die integrativen Mechanismen versagen, entlarvt sich die herrschende Politik als das, was sie gegenüber dem Trikont sowieso ist: nämlich als menschenverachtend.

Diese Politik versucht darauf hinzuwirken, dass sich Hass / Wut / Verzweiflung / Resignation gegen die eigene Person oder gegen noch Schwächere richtet und nicht gegen die Herrschenden. Indem militante Aktionen diese Strategie durchkreuzen, entfalten sie ihre politische Wirkung: aus der jeden Tag in der Metropole erfahrene Destruktion menschlicher Werte heraus wird im Angriff auf die Eliten, die Konzerne, die Repressionsorgane der Ausweg gefunden, d.h. der Schritt vollzogen ohne den es keine Freiheit geben kann. Freiheit ist nur möglich im Kampf um Befreiung!

Alle Menschen, die in den Metropolen Widerstand leisten, entdecken, dass ihr Gegner im Kampf um die Befreiung derselbe ist, gegen den die Völker im Trikont ein menschenwürdiges Leben zu erkämpfen versuchen. Internationale Solidarität ist das, was die Herrschenden am meisten fürchten. In der BRD sind militante Aktionen nicht nur moralisch notwendig, sondern auch politisch sinnvoll! Widerstand heisst Angriff !"

II. Die Guerilla schlägt zu

Am 2. November 1992 wird die AIZ dann zum ersten mal militärisch aktiv. Im Rechtshaus der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Uni Hamburg verschütten sie ganze 240 Liter Benzin und zünden dieses an. Alles kaputt! Die Aktion verursachte einen Sachschaden von 1.8 Millionen Mark.

Danach tut sich ein knappes Jahr wieder nichts mehr, bis ein Kommando der AIZ am 18.8.93 in Solingen vor dem Haus eines GSG 9 Angehörigen eine Holzbarrikade errichtet und diese zu den Klängen türkischer Widerstandsmusik anzünden. Sie schlagen vor, alle Mitglieder dieser terroristischen Vereinigung zu enttarnen und aus ihrer Anonymität zu reissen.

Am 5.9.93 erscheint das zweite theoretische Papier der Widerstandskämpfer. In diesem widmen sie sich vornehmlich dem System des Imperialismus und dessen Formen von Ausbeutung:"Wenn wir vom Imperialismus im engeren Sinn sprechen, verstehen wir darunter die Ausbeutung der Mehrheit der Menschen im Trikont aufgrund der imperialistischen internationalen Arbeitsteilung.

Als Ergebnis der 500 Jahre Kolonialisierung/Ausbeutung ist die Situation für die Mehrheit der Menschen in den Metropolen so fundamental verschieden, dass die Neubestimmung revolutionärer Politik hier zur Farce werden muss, wenn das nicht berücksichtigt wird. Diejenigen, die hier in der BRD Widerstand leisten, müssen sich völlig im Klaren sein, dass die Mehrheit der Gesellschaft von der imperialistischen Arbeitsteilung profitiert und sich dessen auch mehr oder weniger bewusst ist.

Wenn die RAF die Realität hier am 30.3.93 mit "24-Stunden-Alltag von Leistung und Konkurrenz" beschreibt, trifft das die Realität der Mehrheit der Menschen nicht. Die meisten Menschen in der BRD haben vieles, v.a. materielle Dinge, an dem sie Freude haben und das sie verteidigen werden.

Dies ist für das Funktionieren des Systems in den Metropolen von zentraler Bedeutung. Und es geht sogar noch weiter: Das System in den imperialistischen Zentralen kann es sich leisten, soziologisch und ideologisch Räume für Formen der Selbstverwaltung freizugeben (die allerdings von jeder Entscheidung in Grundsatzfragen ausgeschlossen bleiben), Räume für die Meinungsäusserung und das Abreagieren, die bis ins Unendliche besetzt werden können."

Drei Monate später, am 17. November 1993, beschiessen die Guerilleros der AIZ eine Fassade von Gesamtmetall in Köln mit automatischen Waffen. In ihrer Erklärung schreiben sie, dass die Aktionen der vergangenen 12 Monaten ein Phase des Übergangs gewesen seien und dass weitere Aktionen ausgeführt werden.

Kurz vor der Europawahl, am 4. Juni 1994, legt die Gruppe mehrere Sprengsätze vor ein CDU-Büro in Düsseldorf. In dem dazugehörigen Pressecommuniqué, das am 8. Juli erscheint, kündigen sie bewaffnete Angriffe auf die Wohnsitze der BRD-Eliten an. Gezielte Angriffe, so die AIZ, auf einzelne Funktionsträger aus Politik und Wirtschaft, seien durchzuführen.

Mitte September 1994 lassen sie noch einmal mehrere Sprengsätze vor einem FDP-Büro in Bremen detonieren, um das Primat der Praxis in einer antiimperialistischen Aktion zu unterstreichen.

III. Antiimperialismus am Beispiel Volkmar Köhler

Am 22. Januar 1995 ist es dann soweit: Die AIZ macht ihre Drohung war. Sie lassen eine Rohrbombe vor dem Einfamilienhäuschen von dem Ex-Staatssekretär für Entwicklungshilfe, Volkmar Köhler (CDU), Vorsitzender der deutsch- marokkanischen Gesellschaft in Wolfsburg, hochgehen. Mit diesem Attentat macht die AIZ klar, dass gezielte Angriffe auf führende Funktionsträger (à la RAF) nicht immer tödlich sein müssen, sondern auch seinen Zweck erfüllen, wenn die Ruhe der Bonzen im Hinterland durch Terror gestört und durchbrochen wird.

Herr Volkmar Köhler, der seine Herrenrasse-Theorien in seinem Buch "Die dritte Welt und wir" (5.Auflage) aufs Genauste erläutert, überlebt diesen Anschlag unbeschadet. Doktor Köhler, CDU-Politiker, ist ein schönes Beispiel dafür, wie verklärt und weltfremd die Wirtschaftsmenschen und hohen Politiker auf Fragen nach einer gerechteren Weltwirtschaftsordnung reagieren.

So schildert er in seinem Buch, wie ihm solche Forderungen nicht nur als lästig erscheinen, sondern brüskiert sich danach auch noch über die Länder im Trikont, die sich immer nur über die 500 Jahre lange Ausbeutung beklagen, anstatt sich den herrschenden Strukturen anzupassen.

So verwundert es nicht, dass Dr. Köhler 1987 (dank seiner Gesinnungsweise) Vorsitzender der Deutsch-Marokkanischen Gesellschaft geworden ist und somit der Kontaktsmann und Chef-Lobbyist für das marokkanische Terror-Regime im Kreis der deutsch-europäischen Wirtschaftseliten ist. Köhler entlarvt sich in seinem Buch als menschenverachtendes Scheusal, wenn seine Ausführungen an der Spitze mit der Feststellung enden: "Im übrigen stellt sich die Frage, ob es denn überhaupt die Aufgabe des bestehenden oder irgendeines anderen weltwirtschaftlichen Systems sein kann, das Vorhandene gerecht oder gar gleich zu verteilen."
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Bild: Dr. Volkmar Köhler, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Bundesrepublik Deutschland. / Bundesarchiv, B 145 Bild-F074147-0034 - Schaack, Lothar (CC BY-SA 3.0)

Dies sagt ein Mensch, der in völliger Kenntnis der internationalen wirtschaftlichen Situation sein sollte. So könnte er z.B. dem neuesten Weltbankatlas entnehmen, dass das Jahres-Prokopfeinkommen in der BRD 23'560 $, in Mosambik dagegen nur 80$ beträgt; die Lebenserwartung in der BRD liegt bei 79 Jahren, in Guinea-Bissau bei 39 Jahren.

In den acht Jahren, in denen Köhler als Entwicklungshelfer tätig war, flossen durchschnittlich jedes Jahr von den 2.5 Milliarden DM, die die BRD den Trikontstaaten als "Hilfe" gegeben hat, 86% des gesamten Betrages unmittelbar in die BRD und 10 % in andere kapitalistische Staaten der ersten Welt zurück; 4% blieben im Trikont.

Es gibt eine Reihe von Trikontstaaten, deren Führungscliquen willens - und aufgrund der Hochrüstung ihrer Sicherheitsapparate auch in der Lage sind - in ihren Ländern das durchzusetzen, was die imperialistischen Staaten von ihnen verlangen.

Als König Hassan von Marokko, in Erfüllung der IWF/Weltbank vorgaben 1981 die Preise für Grundnahrungsmittel drastisch erhöhen liess, reagierten die Jugendlichen aus den Slums von Casablanca mit militanten Demonstrationen (Steinen und Mollis) und Umverteilungsaktionen (Plünderungen).

Der von den vereinigten Deutschen und imperialistischen Staaten ausgerüstete Militärapparat ( Kanonen von Rheinmetall, MP's von Heckler & Koch, Alphajets von Dornier, Radpanzer von Thyssen, Lenkwaffensysteme von MBB, Unimogs von Mercedes,etc.) eröffnete das Feuer auf die Protestierenden. Mit den ca. 2.000 Toten von Casablanca hat Marokko den kapitalistischen Staaten nachdrücklich demonstriert, das er die von ihnen gewünschte Entwicklung mit Gewalt gegen die Mehrheit der Marokkaner durchzusetzen gewillt ist.

Marokko mit der Clique um König Hassan ist ein solcher Trikontstaat, der mit seinem Chef des Geheimdienstes, Basri, durch Knast und Folter die eigenen Leute unterdrückt und somit seinen Beitrag zur Abschottungspolitik der Wohlstandsfestung Westeuropa leistet.

IV. Kontinuierlicher Terror im Hinterland

Am 23. April 1995, drei Monate nach dem Attentat auf Köhler, explodiert ein Sprengsatz der AIZ vor der Villa von CDU-Politiker Theodor Blank im Düsseldorfer Villenviertel Erkrath. Zuvor hatten sie die häusliche Alarmsirene ausgelöst um das Spektakel angemmessen akustisch zu untermalen. Der Schreck-Effekt gelingt: Total verstört muss Theodor Blank samt Familie durch den Hinterausgang aus seinem eigenen Haus flüchten.

Der Sachschaden bleibt jedoch gering. Folgerichtig stellt die AIZ in ihrem Kommuniqué vom 23.4.95 kritische Gedanken zu dem Sprengstoffanschlag an: "Wenn sich der Widerstand als "Sachbeschädigung" artikuliert, ist das politisch für die BRD-Eliten zwar ärgerlich; jedoch, wie hoch der materielle Schaden auch sein mag, in einem der reichsten Länder der Welt stellen solche Aktionen für die BRD-Eliten mehr eine versicherungstechnische Angelegenheit dar.

Das Sein bestimmt das Bewusstsein eben auch in der Wohlstandsfestung BRD. Weil es deshalb keinen massenhaften Widerstand einer deutschen Linken geben wird, werden die von der BRD-Linken durchgeführten militanten Aktionen nicht so zahlreich sein, als dass dadurch auf die Eliten relevanter Druck ausgeübt werden könnte.

Ohne potentiell tödliche Aktionen wird die BRD-Linke hier nicht den Druck auf die Eliten ausüben können, der im Rahmen der internationalen Auseinandersetzung zwischen dem Imperialismus und den um Befreiung kämpfenden Menschen nötig ist.

Deshalb haben wir uns nach den Aktionen in Hamburg, Solingen, Köln, Düsseldorf und Bremen dafür entschieden, potentiell tödliche Aktionen dort auszuführen, wo die BRD-Eliten wohnen/arbeiten, wie im Januar dieses Jahres in Wolfsburg oder jetzt in Düsseldorf-Erkrath."

Fünf Monate später, am 17. September 1995, zerstört ein Sprengsatz der AIZ die Frontseite der Villa von CDU-Verteidigungsexperte Paul Breuer in Siegen. Leider entsteht auch diesmal wieder nur ein geringer Sachschaden von 5.000 DM.

In dem 16seitigen AIZ-Bekennerschreiben, wird detailliert beschrieben, was Klaus Naumann als Generalinspekteur der Bundeswehr im April 1995 von der von Paul Breuer geleiteten Arbeitsgruppe 13 (Verteidigung) der CDU/CSU mitgeteilt hatte. Auch finden sich Zitate aus vertraulichen, internen Protokollen des Verteidigungsausschusses. Die deutsche Politszene zeigt sich über die Tatsache, dass die AIZ Insiderwissen aus geheimen Protokollen des deutschen Bundestages besitzt, extrem besorgt.

V. Internationale Solidarität!

Am 13. Juli 1995 veröffentlicht die AIZ ein theoretisches Papier, indem die Widerstandskämpfer erklären, dass ihre grundlegenden Prinzipien auf der tripple-oppression-Theorie basieren, d.h. die gegenwärtige Realität ist gekennzeichnet durch patriarchalische, rassistische und kapitalistische Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnisse.

Sie erinnern an die neue City-Bombing-Taktik der IRA, welche bis heute Sachschäden in Milliardenhöhe hinterliess, den World-Trade-Center-Anschlag in New York City, welcher ihrer Meinung nach klar und deutlich gegen das Herz des Systems gerichtet war, weisen daraufhin, dass im heissen Sommer 1995 in einer beispiellosen Säuberungsaktion des französischen Sicherheitsapparates 140 Muslims angegriffen und verhaftet worden sind und sprechen in diesem Zusammenhang von einem neuen Typus internationaler Militanter in den Metropolen: "Vor diesem Hintergrund fordern wir in der BRD-Linken eine Auseinandersetzung mit den Schwestern und Brüdern ein, die dort auf islamischer Grundlage kämpfen.

Diese Kämpfe sind sehr grundlegend antiimperialistisch: Ihre Kraft speist sich aus dem Widerspruch zwischen der Lebensweise in den imperialistischen Staaten und der islamistischen Vorstellung von einem einfachen und gerechten Leben.

Ein kritisch-solidarisches Verhältnis zu den revolutionär-islamischen Gruppen bedeutet für uns weder, dass wir unsere grundlegenden Prinzipien verraten (die auf der tripple-oppression-Theorie basieren), noch das wir kritiklos die Position dieser Gruppen übernehmen.

Der soziale Sinn des Kampfes entwickelt sich in der BRD in der Konfrontation mit dem, "was während der 80er Jahre von oben ideologisch schon verbreitet worden ist: Die Verherrlichung des Rechts des Stärkeren, die Dauerparty der Profitjäger, Egoismus, die verzweifelte leere Show, Selektion von nicht verwertbarem Leben, Entpolitisierung und Vereinzelung."
(Christian Klar in einem Brief vom März 95)"

Vor allem die sicherlich längst fällig gewordene Forderung der AIZ, Solidarität mit muslimischen Schwestern und Brüdern zu üben, stosst einem grossen Teil der Linken extrem sauer auf. Die Scene wirft ihnen die Unterstützung antisemitischer Gruppierungen, mangelnde politische Alternativen und fehlende Verantwortung vor.

VI. Weiteres Attentat

Einen Tag vor Weihnachten, am 23. Dezember 1995 erzittern die Hausmauern von Düsseldorf unter einer 30-Kilogramm schweren Rohrbombe der AIZ. Sie benutzten dazu abermals einen Feuerlöscher, gefüllt mit Metallkrampen, der die Hausfassade eines Bürogebäudes, indem sich das Bauunternehmen des Bonzen Heitkamp befindet, bis in die vierte Etage hinauf weitgehend zerstörte.

In dem Bürohaus, an dem ein Sachschaden von 70'000 Mark entstand, befindet sich neben der Baufirma von Heitkamp auch das peruanische Konsulat, von welcher Heitkamp auch gleich noch nebenbei peruanischer Honorarkonsul ist.
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Bild: Theodor Blank, Verteidigungsminister, Arbeitsminister, CDU, Bundesrepublik Deutschland. / Bundesarchiv, Bild 146-1995-057-16 (CC BY-SA 3.0)

In dem 24-seitigen Schreiben der Guerillaorganisation werden weitere Aktionen angekündigt, die unter dem Namen Khaled Kelkal laufen sollen. Kelkal wurde im September '95 von einer französischen Antiterroreinheit auf der Strasse eines Vorortes von Lyon im Rahmen der ethnischen Säuberungsaktionen des französischen Staates hingerichtet. Weiter heisst es in dem Bekennerschreiben: "Wenn wir potentiell tödliche Aktionen dort durchführen, wo das BRD-System in personeller/institutioneller Form Präsenz zeigt, signalisieren wir der BRD-Gesellschaft unmissverständlich: So geht es nicht weiter. Wo und wie angegriffen wird, hängt ganz wesentlich von der Politik der BRD-Eliten ab. Es liegt an der Mehrheit der Gesellschaft, jene Eliten zu einer Änderung ihrer Politik zu veranlassen."

In demselben Kommuniqué ruft die AIZ erneut zur Solidarität mit denjenigen auf, welche verstärkt in militanter Form auf revolutionär-islamistischer Grundlage den Imperialismus herausfordern. Sie nennen die Namen der Moslem-Guerillaorganisation Dschihad und den der libanesischen Hizb'allah. Zudem stellen sie sich auf die Seite der maoistisch peruanischen Guerilla-Organisation Sendero Luminoso.

VII. Verhaftung und Kritik

Die AIZ hat in Westeuropa einen äusserst schweren Stand. Von den linken Medien wird sie durch konsequente Nichtbeachtung bestraft, und aus autonomen Kreisen ist nur unwirsche und destruktive Kritik zu vernehmen.

So forderten z.B. einige Redaktoren von dem mittlerweilen weitherum bekannten Autonomenblatt Radikal, dass sich die AIZ auflösen solle, weil ihr die militante Theorie und Praxis fehle(?) und sie somit eine Gefahr für die gesamte deutsche Linke darstelle. Andere Besserwisser zerreissen sich das Maul über das "mangelnde Verantwortungsbewusstsein" der "überflüssigen" Zellen.

Das alte Problem: Einige Wenige tun was und die kritiksüchtige Masse begnügt sich selbstzufrieden mit lasterhaftem Tratsch, der nur für des Kritikers Ego konstruktiv sein kann (Was Grosse tun, besprechen gern die Kleinen), anstatt das Geschehen selbst in die eigenen Hände zu nehmen.

Sicher bemerkenswert und auch neu ist die Tatsache, dass eine Stadtguerillagruppe wie die AIZ innerhalb ihrer vierjährigen Existenz noch keinen einzigen Menschen verletzt oder getötet hat. So verwundert es auch nicht, dass der militante Widerstand in der BRD wieder etwas wachgerüttelt worden ist.

Eine Gruppe mit dem Namen K.O.M.I.T.E.E, die sich jedoch unter der Repressionswelle des deutschen Staates, die am 13.6.95 mit einer Grossrazzia in ganz Deutschland ihren Höhepunkt fand, nach einjähriger Existenz wieder auflösen musste und deren Aktivisten sich gezwungen sahen, in den Untergrund abzutauchen, führte vergangenen Jahres zwei Sprengstoffanschläge durch.

In Berlin treiben einige Militante unter dem Namen Klasse gegen Klasse seit drei Jahren ihr Unwesen (Luxuskarossen abfackeln, Sprengstoffanschläge ausüben und vieles mehr).

Bisher kam die AIZ nicht mehr zu weiteren Aktionen, auch wenn das sicherlich wünschenswert wäre und äusserst positiv aufgenommen werden würde. Aber die Tatsache, dass es sich bei der AIZ um eine relativ kleine Gruppe von "Feierabendterroristen" mit für einen Grossteil der Gesellschaft doch etwas verwirrenden ideologischen Vorstellungen handelt, die nicht im Untergrund lebt und bisher stets selbstgebastelte Bomben ohne profesionellen Sprengstoff aus Militär- oder Bergwerksbeständen verwendete, lässt leider den Schluss aufkommen, dass die AIZ in absehbarer Zeit nicht zu einer ernsthaften militärischen Kraft, die für das System über längere Zeit gefährlich werden könnte, wie die RAF das einmal war, heranwachsen wird.

Zumal der personelle Bestand der AIZ am 26. Februar 1996 auf tragische Weise durch die deutsche Repressionsmaschinerie um zwei Menschen reduziert wurde. In der Nacht zum Montag wurden von der GSG 9 in Schleswig-Holstein zwei Männer, die der AIZ angehören und schon seit Monaten überwacht wurden, festgenommen. Es handelte sich hierbei umBernhard Falk undMichael Steinau. Heute weiss man, dass diese beiden Personen wahrscheinlich die einzigen Mitglieder der Zelle begründeten.

U.v.d.H.