Besonders streng wurde die Forderung, Bewerber*innen für den Staatsdienst müssten die Gewähr bieten, dass sie jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetztes eintreten, von dem Baden-Württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger (CDU, davor NSDAP Mitgliedsnr. 4.026.789) vertreten. Filbinger musste später wegen des Satzes "Was damals rechtens war, kann heute nicht Unrecht sein", bezogen auf seine Tätigkeit als Hitlers eifriger Marinerichter, zurücktreten.
Nun hat der derzeitige Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann (Grüne) sich in einem offenen Brief zu den Berufsverboten geäussert. Doch anders als Willi Brandt kann sich Kretschmann auch im Jahr 2023 nicht dazu durchringen, sie insgesamt als Fehler zu bezeichnen und eine Entschuldigung suchen die Betroffenen in dem Brief vergeblich. Stattdessen rechtfertigt Kretschmann die Berufsverbote sogar als Teil einer "wehrhaften Demokratie". Dass damals wirklich nur die Demokratie in Einzelfällen übereifrig vorwärts verteidigt wurde, kann man aber mit guten Gründen bestreiten. Radio Dreyeckland sprach mit Michael Csaszkóczy. Der Lehrer musste aufgrund einer versuchten Neuauflage des Radikalenerlasses, seine Einstellung gerichtlich erkämpfen. Eine Entschuldigung dafür hat er bisher auch noch nicht gehört.
Kretschmann hat immerhin eine wissenschaftliche Untersuchung der Berufsverbote in Auftrag gegeben und Betroffene zu einem Gespräch eingeladen.
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"Wer uns m it Nazis in einen Topf schmeisst..." - Kretschmanns wenig offener Brief zu den Berufsverboten
Mit dem sogenannten "Radikalenerlass" von 1972 wurde bis zuletzt 1991 (Bayern) Bewerber*innen aus dem linken Milieu der Eintritt in den Staatsdienst, sowie bei Post und Bahn verwehrt, was in nahezu allen Fällen auf ein totales Berufsverbot hinauslief.
Autor: Jan Keetman
Radio: RDL Datum: 27.01.2023
Länge: 14:32 min. Bitrate: 172 kbit/s
Auflösung: Stereo (48000 kHz)
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