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Rede von Pfarrer Fitterer-Pfeiffer am 9. November bei der Mahnwache gegen Rechts in Karlsruhe

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Rede von Pfarrer Fitterer-Pfeiffer am 9. November bei der Mahnwache gegen Rechts in Karlsruhe

(Mein Name ist Albrecht Fitterer-Pfeiffer, ich bin Pfarrer in Neureut-Kirchfeld, meine Kirchengemeinde ist Mitglied im Netzwerk gegen Rechts.

(Mein Name ist Albrecht Fitterer-Pfeiffer, ich bin Pfarrer in Neureut-Kirchfeld, meine Kirchengemeinde ist Mitglied im
Netzwerk gegen Rechts. Ausserdem vertrete ich heute die Christlich-
Islamische Gesellschaft Karlsruhe als Christlicher Vorsitzender.)
Kam in der Ankündigung
Liebe Freundinnen und Freunde,
Eine Partei, die zu bedeutungslos ist, um verboten zu werden,
kämpft um Bedeutung. Und deshalb wählt sie einen
geschichtsträchtigen Tag, um heute hier in Karlsruhe Politik zu
machen. Weil sie selber keine Bedeutung haben, brauchen sie einen
bedeutenden Tag.
Das Schlimme ist: Die NPD ist bedeutungslos geworden. Aber ihre
Inhalte sind salonfähig geworden. Bis weit in das bürgerliche Lage
hinein gibt es Menschen, die Migration für ein wichtiges Problem in
unsrer Gesellschaft halten. Diese Stimmung verkennt völlig, dass
kulturelle Höchstleistungen meist dort auftreten, wo sich
unterschiedliche Kulturen in einem fruchtbaren Dialog begegnen.
Und die Reaktionen auf das vermeintliche Problem Migration
lassen befürchten, dass ein Pogrom wie 1938 kein einmaliger
Fehltritt der deutschen Geschichte war, sondern irgendwann wieder
möglich werden könnte.
Schon heute müssen wir erleben, dass eine der edelsten
Errungenschaften von Demokratie, nämlich der Schutz von
Minderheiten, immer wieder infrage gestellt wird.
Der 9. November ist Gedenktag des Pogroms an Jüdinnen und
Juden 1938. Die Verbrechten des Nationalsozialismus an Jüdinnen
und Juden sind ein bis heute einzigartiger Schandfleck auf
Deutscher Geschichte. Zugleich erinnert uns dieser Gedenktag jedes
Jahr an die Verpflichtung, Jüdinnen und Juden zu schützen, nicht
nur vor gewaltsamen Übergriffen wie 1938, sondern auch vor
Beschimpfung, Verächtlichmachung und Diskriminierung. Diese
Art, über Jüdinnen und Juden zu reden, hat die Novemberprogrome
1938 ja erst möglich gemacht.
Wir haben aus der Vergangenheit aber nichts, rein gar nichts gelernt,
wenn wir heute zulassen, dass andere heute kollektiv verdächtigt
oder zu Sündenböcken gemacht werden.
• Wenn Seenotretterinnen als „Schleusser“ beschuldigt werden,
• wenn Menschen, die vor Krieg und deutschen Waffen
geflüchtet sind, als „irreguläre Migrantinnen“ verdächtigt
werden,
• wenn Menschen, die in ihrer Heimat aufgrund des
(massgeblich von unserer Politik mitverschuldeten)
Klimawandels keine Perspektive sehen und bei uns Zuflucht
suchen, wenn die dann als „Wirtschaftsflüchtlinge“
denunziert werden.
• wenn Muslimas und Muslime kollektiv des Antisemitismus
verdächtigt werden, (vielleicht ja vor allem, um von unserem
eigenen Antisemitismus und Rassismus abzulenken)
• wenn ein Kanzlerkandidat von „kleinen Paschas“ redet oder
von der „Einwanderung in unsere Sozialsysteme“
dann ist das genau die Politik, die den Weg bereitet für Hass und
Diskriminierung von Minderheiten.
Ich bin evangelischer Pfarrer und sehe mich als solcher in der
christlich-jüdischen Tradition. Worte der Bibel sind mir wichtig. Ein
ganz zentrales Bibelwort gibt uns den Auftrag: Du sollst den
Fremdling nicht bedrängen noch bedrücken. An der gastlichen
Aufnahme Fremder entscheidet sich, ob wir in dieser christlich-
jüdischen Tradition stehen.
Der 9. November ist ein zentraler Tag deutscher Erinnerungskultur.
Seit 1938 haben noch viele andere Menschen in unserem Land
Heimat gefunden. Der 9. November erinnert uns in aller
Deutlichkeit daran, nicht wieder den Fehler zu machen, den die
Deutschen Anfang des letzten Jahrhunderts gemacht haben:
Minderheiten auszuschliessen, auszugrenzen, zu diskriminieren und
zu diffamieren. Nur wenn wir diesen fatalen Fehler nie wieder
machen, nur dann haben wir unsere Lektion aus dem 9. November
gelernt, nur dann erfüllt er der 9. November seine Aufgabe als
Gedenktag.
Der Aufmarsch, den die ansonsten bedeutungslose NPD hier heute
wegen dieses Tages geplant hat, verpflichtet uns noch deutlicher,
noch dringlicher dafür einzutreten: Nie wieder dürfen verletzliche
Minderheiten ausgegrenzt und diskriminiert werden. Uns heute
daran zu erinnern, uns heute hier gemeinsam auf die Strasse zu
bringen, das mag der letzte Rest an Bedeutung sein, den wir dieser
Splittergruppe zugestehen können.
Die Erzählungen meines Religionslehrers von der Pogromnacht
1938, die er als Achtjähriger erlebt hat, gehören für mich zu den
frühesten und eindrücklichsten Erinnerungen, dass ich etwas über
das Unrecht des Nationalsozialismus gelernt habe. Sichtbar und in
aller Öffentlichkeit wendete sich der Mob gegen Jüdinnen und
Juden. Ohne jede Scheu und Scham zeigte der Nationalsozialismus
seine Fratze.
Damit so etwas nie wieder passiert, lasst uns heute für unsere
jüdischen, türkischen, syrischen, ukrainischen, palästinensischen,
marokkanischen oder nigerianischen und russischen Nachbarinnen
und Nachbarn eintreten – oder wo auch immer sie herkommen.
Begegnung macht uns reicher. Lasst uns das nie vergessen, gerade
am 9. November.
Dass wir hier heute gemeinsam stehen – über viele
weltanschauliche Grenzen hinweg, dass wir hier heute Vielfalt
praktizieren, das ermutigt mich, darauf zu hoffen, dass es nicht
wieder so weit kommen kann.

Quelle: https://ka-gegen-rechts.de/wp-content/up...

Creative Commons Lizenz

Autor: Antikriegsradio im Querfunk, Karlsruhe

Radio: antikriegsradio_R(at)querfunk.de Datum: 19.11.2024

Länge: 07:43 min. Bitrate: 198 kbit/s

Auflösung: Stereo (48000 kHz)