Etwas Gutes hat diese Groteske, widerlegt sie doch aus sich heraus mehr als offensichtlich das Zivilisationsgezeter aus durch Bratwurst und stupiden Hass deformierten Mäulern auf rassistischen „Nein zum Heim“-Protesten, die da selbst meist jene „jungen Männer, die Bier trinken und mit Smartphones hantieren“ sind. Schliesslich führen die Kämpfer*innen der Selbstverteidigungseinheiten YPG und YPJ in Rojava keine lebensferne Debatte über die „Herdprämie“ und sonstigen Schmonsens. Die kämpfen zusammen, gleichberechtigt und solidarisch gegen den misogynen Klassenfeind.
Eine von Ausbeutung und Unterdrückung befreite Gesellschaft kann nur eine frei von Sexismus und Marginalisierung sexueller Orientierungen sein. Alles andere ist schräghängender Quark, über den Ernst Bloch ganz allgemein schrieb: „Die Menschen haben aber keinen aufrechten Gang, wenn das gesellschaftliche Leben selber noch schief liegt.“ Eine radikale Zukunftsperspektive lieferte die feministische Autorin Joanna Russ (1937-2011) mit ihrem 1975 erschienenen Roman „The Female Man“. Ins Deutsche unter dem Titel „Planet der Frauen“ übertragen und zurzeit weitestgehend vergessen.
Wir kennen die Verbindung
Russ montiert in ihrem dritten Roman nicht nur verschiedenste Textformen, sondern auch mehrere Paralleluniversen. Vier Alter Egos der Autorin stellen die Hauptakteurinnen. Dem jeweiligen Gesellschaftsstand entsprechend, bewegen sich diese Frauen zwischen Joch, Krieg gegen die barbarischen, unterirdisch lebenden Männer und dem matriarchalen Leben ganz ohne Macker. Sie fächern die als Oberbegriffe aufgepropften Stigmata „Frau“ bzw. „Weiblichkeit“ auf und setzen Fragezeichen hinter geschlechtsspezifische Idealtypen.Die absolute Frauenverwaltung etwa findet auf dem Planeten Whileaway statt. Scheinbar hat eine Seuche dort vor Jahrhunderten die komplette männliche Bevölkerung ausgerottet. Die Verschonten pflanzen sich künstlich fort und leben in lesbischen Ehen, verachten Beziehungen mit
zu grossem Altersunterschied, wirtschaften hauptsächlich agrarisch und wandeln keineswegs im Paradies: „Hinter dieser Unbefriedigtheit verbirgt sich jedoch grenzenloser Optimismus.“
Als Janet Evason, Whileawayanerin und eine der vier Heteronyme der Autorin im Roman, als eine Art Botschafterin auf der Erde in einer TV-Show von ihrem Leben berichtet, wirkt die gleichgeschlechtliche Ehe auf den Showmaster tatsächlich wie Sci-Fi: „Ich… Miss Evason… wir… nun, wir kennen die Verbindung, die Sie Ehe nennen, Miss Evason.“
„Männlichkeit, Kinder… ist Männlichkeit.“
Joanna Russ geht sarkastisch mit ungelösten und an den Rand gedrängten Fragen um, fabuliert und spinnt dabei auf höchstem Niveau. „Planet der Frauen“ ist ein Werk der in ihren Anfängen stehenden Gender Studies und deren neuer Denkanstösse als kritische Sozialwissenschaft. Das Werk zeigt dabei auch die Stärken des Science-Fiction-Genres: Weit ausholen, ohne unglaubwürdig zu sein, ausprobieren und grössere Projekte streifen, 0femalemandie das Fassungsvermögen der Literatur selbst eigentlich überschreitet – und dazu Komik an der langen Leine: „Gelobt sei Gott, dessen Abbild wir auf der Plaza aufstellen, um die Elfjährigen zum Lachen zu bringen.“Der „Planet der Frauen“ bleibt aktuell. Da reichen Schlenzer in die globale Jetztzeit (Same-Sex-Marriage) und in szenelinke Debatten (K.I.Z.). Wie komplex manche Widersprüche sind, zeigt allein die Debatte darum, Hotpants an deutschen Schulen zu verbieten. Die US-Amerikanerin Russ kommt als feministische Sozialistin nun auch nicht ohne die Besitzfrage aus, die menschengemachte Trennlinie zwischen den Menschen selbst, die eben jene hegemoniale Männlichkeit, wie sie die Soziologin Raewyn Connell beschreibt, zur Grundlage haben: „Wenn ich sage Ihnen und Uns, dann meine ich natürlich die Besitzenden und die Nichtbesitzenden, die beiden Seiten, es gibt immer zwei Seiten, nicht wahr? Ich meine die Männer und die Frauen.“