Wolfgang Schorlau: Der grosse Plan Privatermittler Georg Dengler
Belletristik
Seit seinem so aufklärend-erhellenden wie unterhaltsam-spannenden faction-Krimi gegen die Vertuschung von NSU-Morden durch ganzdeutsche Staatsschutzbehörden, «Die schützende Hand. Denglers achter Fall»[1], ist Wolfgang Schorlau einer meiner aktuellen autorischen Merkposten.
Mehr Artikel
21. April 2019
4
0
4 min.
Drucken
Korrektur
Der lebt nach seinem Rauswurf dort als Privatermittler in Stuttgart, wird vom breitschultrig-virilen Ronald Zehrfeld geschauspielert und von der mobilen Berliner IT-Spezialistin und Netzseitenhackerin Olga (dargestellt von einer listig-agilen Birgit Minichmayr) als helping brain unterstützt. Die Regie der ersten drei jeweils etwa neunzigminütigen Dengler-Filme – Die letzte Flucht (2015), Am zwölften Tag (2016), Die schützende Hand (2017) – hatte Lars Kraume.
Der Kölner KiWi-Verlag bewirbt diesen "bisher grössen Fall" der Schorlau-Serienkrimi mit Fragen, die im Buch gelöst werden (können und sollen) unter anderem so:
"Endlich, die mageren Jahre sind vorbei! So jedenfalls scheint es dem Stuttgarter Privatermittler Georg Dengler. Zum ersten Mal ergattert er einen wirklich gut bezahlten Auftrag: Das Berliner Auswärtige Amt will, dass er nach der Mitarbeiterin Anna Hartmann sucht. Ein Handyvideo legt nahe, dass sie entführt wurde. Mithilfe seiner technisch versierten Freundin Olga gelingt es Dengler, vier verdächtige Männer zu identifizieren. Bevor er sie befragen kann, werden sie allesamt ermordet. Gibt es einen Verräter im Auswärtigen Amt? Oder gibt Denglers neue Mitarbeiterin Petra Wolff Informationen an die Killer weiter? Denglers Ermittlungen enden in einer Sackgasse.
Die Entführte war als Beamtin an die Troika ausgeliehen worden, die Griechenland die Bedingungen der Eurogruppe diktiert hat. Liegt hier der Schlüssel für den Fall? Dengler nimmt einen neuen Anlauf und stösst auf das grösste Geheimnis der sogenannten Griechenlandrettung: Auf welchen Konten sind die vielen Milliarden europäischer Steuergelder letztlich gelandet? Als Dengler die Namen der Personen und Institutionen ermittelt, die diese gewaltigen Summen kassiert haben, gerät er selbst ins Visier."
Das klingt anregend und spannend. Und verweist auf schwerwiegende Mängel namentlich des gegenwärtigen Recherche- oder Qualitätsjournalismus in Ganzdeutschland mit seinem auch gegen Schorlaus Romane vorgebrachten Verdikt oder Verdammungsurteil: Verschwörungstheorie.
Gegen diese Anwürfe bleibt festzuhalten: auch der 'neunte Dengler' ist seriös recherchiert und versiert erzählt. Es geht nicht nur um die aktuelle Finanzkrise, die Währungsschwäche, die parasitäre Schwindelökonomie in Insel- und Festlandhellas. Sondern auch um geschichtliche und sozialstrukturelle Entwicklungsprobleme in dieser südeuropäischen Peripherie und damit um tieferliegende Dimensionen der griechischen Tagödie.
Im aktuellen Geschehen wird die 'Griechenlandkrise' der Zehnerjahre als Ergebnis von Spekulationsaktionen auf den internationalen Finanzmärkten gegen den Euro und den 'schwachen Staat' der derzeit etwa elf Millionen Hellas-Griechen mit vielen Millionen als Verlierern und wenigen ausländischen Grossbanken wie Deutsche Bank als Gewinnern faktennah (gelegentlich auch zu minutiös und detailreich) aufgearbeitet.
Im zweiten Haupterzählstrang wird (über den Grossvater der Romanfigur Anna Hartmann zwei Generationen zuvor) erinnert an die Besetzung Griechenlands durch die Deutsche Wehrmacht während des Zweiten Weltriegs 1941-1944, die Ausplünderung des Landes, die Gewalt der Besatzer und und ihre Massaker – und daran, dass die inzwischen auf nahezu 300 Milliarden €uro zu beziffernde Schadenssumme als Reparation bisher vom staatlichen Rechtsnachfolger Bundesrepublik Deutschland in Inhalt, Form und Höhe grundsätzlich nicht anerkannt, vielmehr bestritten wird. Und folglich unabgegolten ist.
Auch dieser neue Dengler-Serienkrimi bedeutet aufklärende Unterhaltung. Und weil das so ist, möchte ich etwas, was allgemein rising expectations genannt wird, ansprechen: gemeint ist die mit überzogenen Erwartungen einhergehende Überfrachtung. Auch Schorlaus Dengler-Romane sind weder endgültige Problemdarstellung und Sachaufklärung noch können sie – zugegeben: oft sperrige und wenig eingängige – tieferlotende kritische wissenschaftliche Aufarbeitungen ersetzen, genauer: es geht auch in Wolfgang Schorlaus Dengler-Romanen immer um romanhafte unterhaltsame Aufklärung ... nicht mehr und nicht weniger – όχι λιγότερο.
Wolfgang Schorlau: Der grosse Plan. KiWi-Paperback, Köln, 2018. 448 Seiten. ca. 22.00 SFr. ISBN 978-3-462-04667-0
Fussnoten:
[1] Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2015, 428 p.; erweitert ²2017, 432 p., s. Die schützende Hand. Anatomie eines Staatsverbrechens. Wolfgang Schorlau über seinen neuen Krimi und den NSU-Komplex: https://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/tandem/swr2-tandem-die-schuetzende-hand/-/id=8986864/did=16329014/nid=8986864/asohnf/index.html [alle Links wurden mit Manuskriptabschluss am 18.4.2019 überprüft]
[2] Zu diesem ZDF-Film der Dengler-Serie s. https://presseportal.zdf.de/pm/dengler-die-schuetzende-hand/ sowie zuletzt dieses Autoreninterview https://www.youtube.com/watch?v=oHgUCs5SX0g – Die ARD sendete bereits 2015 eine dreiteilige NSU-Filmserie mit dem letzten wichtigen Beitrag: Die Ermittler – Nur füt den Dienstgebrauch (6.4.2015, Länge etwa 90´); s. https://www.daserste.de/unterhaltung/film/mitten-in-deutschland-nsu/sendung/die-ermittler-nur-fuer-den-dienstgebrauch-100.html; https://www.daserste.de/unterhaltung/film/mitten-in-deutschland-nsu/redaktion-ueber-die-ermittler-nur-fuer-den-dienstgebrauch-100.html
[3] https://www.kiwi-verlag.de/buch/der-grosse-plan/978-3-462-04667-0/
[4] Eine Hörbuchfassung des Romans veröffentlichte der Argon Verlag (Berlin 2018, 12 Stunden, 4 Minuten; zwei MP3-CD). Anlässlich eines von Dr. Diether Dehm moderierten Gesprächs las der Autor kürzlich in Berlin aus seinem Roman: https://www.youtube.com/watch?v=3U6zagPfMdw [etwa ab 26´]
Fussnoten:
[1] Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2015, 428 p.; erweitert ²2017, 432 p., s. Die schützende Hand. Anatomie eines Staatsverbrechens. Wolfgang Schorlau über seinen neuen Krimi und den NSU-Komplex: https://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/tandem/swr2-tandem-die-schuetzende-hand/-/id=8986864/did=16329014/nid=8986864/asohnf/index.html [alle Links wurden mit Manuskriptabschluss am 18.4.2019 überprüft]
[2] Zu diesem ZDF-Film der Dengler-Serie s. https://presseportal.zdf.de/pm/dengler-die-schuetzende-hand/ sowie zuletzt dieses Autoreninterview https://www.youtube.com/watch?v=oHgUCs5SX0g – Die ARD sendete bereits 2015 eine dreiteilige NSU-Filmserie mit dem letzten wichtigen Beitrag: Die Ermittler – Nur füt den Dienstgebrauch (6.4.2015, Länge etwa 90´); s. https://www.daserste.de/unterhaltung/film/mitten-in-deutschland-nsu/sendung/die-ermittler-nur-fuer-den-dienstgebrauch-100.html; https://www.daserste.de/unterhaltung/film/mitten-in-deutschland-nsu/redaktion-ueber-die-ermittler-nur-fuer-den-dienstgebrauch-100.html
[3] https://www.kiwi-verlag.de/buch/der-grosse-plan/978-3-462-04667-0/
[4] Eine Hörbuchfassung des Romans veröffentlichte der Argon Verlag (Berlin 2018, 12 Stunden, 4 Minuten; zwei MP3-CD). Anlässlich eines von Dr. Diether Dehm moderierten Gesprächs las der Autor kürzlich in Berlin aus seinem Roman: https://www.youtube.com/watch?v=3U6zagPfMdw [etwa ab 26´]