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Blätter für deutsche und internationale Politik: Januar 2024

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Blätter für deutsche und internationale Politik: Januar 2024 Staat ohne Macht? – Kein Kapitalismus mit Anarchie!

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Sachliteratur

In der Januar-Ausgabe der Blätter für deutsche und internationale Politik hat Quinn Slobodian den interessanten Beitrag Staat ohne Macht veröffentlicht, der einige Kerngedanken seines aktuellen Buches beinhaltet.

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Datum 15. August 2024
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Ich kann den Beitrag sehr empfehlen, weil darin gut ausgeführt wird, dass der sogenannte „Anarchokapitalismus“ nicht nur ein Internetphänomen von gelangweilten Wirtschaftsstudierenden ist (auch wenn deren Theorie häufig entsprechend schlecht ist), sondern in Netzwerken vornehmlich aggressiver Reicher gepflegt wird. Anders als gelegentlich angenommen, sind „Anarcho-Kapitalisten“ dabei sehr häufig mit rechtsextremen Akteuren verbunden. Dies zeigt sich übrigens auch bei den Konferenzen der „Students for Liberty“. Insofern wäre es gut, diesen Entwickelungen entgegen zu wirken, deren asoziale Utopien wie „Privatstädte“ zu entlarven und ihre Protagonist*innen wie etwa Peter Thiel zu enteignen.

Bedauerlicherweise entsorgt Slobodian mit seiner sonst guten und wichtigen Darstellung dieses Lagers gleich den Anarchismus mit. Denn ja, Anarchist*innen nehmen an, dass eine Vielzahl kleinerer Staaten besser ist, als grosse Nationalstaaten. Die sogenannten Anarcho-Kapitalisten lehnen allerdings auch nur eine Fiktion von Staatlichkeit ab und wollen diese eigentlich zu Privatstaaten umkrempeln, in welchen sie ungestört ihrem Rassismus, Antifeminismus und Sozialchauvismus nachgehen können. Anarchist*innen setzen sich für die Selbstbestimmung aller Menschen ein – die Anarcho-Kapitalisten wollen lediglich ihre bürgerlichen Rechte, welche sie als naturgegeben missverstehen, rücksichtslos ausweiten.

Zu Verwechslungen kommt es leider immer wieder, weil Autoren wie Murray Rothbard sich anarchistischer Überlegungen bedienten – sie aber völlig verdreht in ihr krudes Projekt einbauten, mit welchem inzwischen neben Trump auch jemand wie Milei an die Regierungsmacht gekommen ist. Statt diese Missverständnisse aufzuklären, gibt es bedauerlicherweise auch im linken Lager Arschlöcher wie Ewgeniy Kasakow, die seit Jahren ein Bild des Anarchismus zeichnen, welches vorrangig ihren madigen Hirnen entspringt, nicht aber dem real-existierenden Anarchismus.

Eine differenzierte Kritik am Anarcho-Kapitalismus müsste also zunächst deutlich machen, warum dieser weder dem anarchistischen Denken entspringt, noch mit anarchistischen Projekten verwandt ist oder irgendwelche Schnittpunkte aufweist. Bei Bitcoin-Befürworter*innen bleibt die Abgrenzung hierbei teilweise schwammig, weswegen ich mich mit Agorapunks auseinandergesetzt habe, deren Blog allerdings wieder down ist. Mein Ansatz ist dabei, anarchistische Sichtweisen fundiert zu erläutern und zu verbreiten. Leider kann dies aber nur gelingen, wenn man auf das zähe Alltagsbewusstsein von Menschen einwirkt, dass auch vom Irrsinn der „Anarcho-Kapitalisten“ einerseits und der Staats-Fetischisten andererseits durchtränkt ist.

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Blätter für deutsche und internationale Politik: Januar 2024