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Der Maoismus und China heute

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Rezension zum Buch von Henning Böke über den Maoismus Der Maoismus und China heute

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Sachliteratur

Zur Auseinandersetzung mit der Philosophie des Maoismus sowie mit China allgemein findet sich in der Theorie.org Reihe ein Buch aus dem Jahre 2007, das den Weisheiten von Mao durchaus einiges abgewinnen kann: Dass eine bestimmte Denkmethode der richtigen Erkenntnis des Kapitalismus vorausgesetzt sei, ist dabei die Annahme des Autors.

Der Maoismus und China heute.
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Der Maoismus und China heute. Foto: Mo Riza (CC BY-NC 2.0 cropped)

Datum 21. Januar 2016
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KorrekturKorrektur
Dieses Denken in Widersprüchen hätte Mao von Marx, Engels und natürlich Hegel übernommen, allerdings weiter verfeinert und verbessert:

„Für Mao ist der Widerspruch so universell wie die ständige Bewegung und Entwicklung. Er kann sich auf Engels berufen, der Bewegung als „Widerspruch“ fasst. Wenn aber alles Sein beständig von Widersprüchen durchdrungen ist, dann ist es notwendig, verschiedene Widersprüche zu unterscheiden, in ihrer Spezifik zu bestimmen und zu gewichten: „Haupt-“ und „Nebenwidersprüche“, die „hauptsächliche“ und die „sekundäre Seite“ jedes Widerspruchs und seinen „antagonistischen“ oder „nichtantagonistischen“ Charakter. Während der traditionelle Marxismus die Entwicklung der Gesellschaft als bestimmt durch die Entfaltung einfacher Grundwidersprüche auffasst, wobei die konkreten Verhältnisse einer bestimmten Gesellschaft bloss Vermittlungsformen der allgemeinen Grundbestimmungen des jeweiligen Gesellschaftstyps sind, bietet Mao den methodologischen Grundriss einer unvergleichlich komplexeren Gesellschaftsanalyse, mit der er einen Vorsprung nicht nur gegenüber dem dogmatischen sowjetischen Parteimarxismus, sondern auch gegenüber dem geschichtsphilosophischen Modellen von Hegel verpflichteten Marxismus der westlichen Intelligenz erlangt.“ (Böke 2007: 33)

Böke lobt also Mao dafür, dass dieser den bestimmten Zusammenhang etwa von Klassen und ihren „Widersprüchen“ sowie deren Auswirkungen auf die Gesellschaft nicht in den ökonomischen Gegenständen selbst entdeckt sondern in einer bestimmten Art des Denkens. Diese soll bei Mao zu einer „unvergleichlich komplexeren“ Analyse führen.

Für diese Verrücktheit kann sich Mao tatsächlich auf Engels berufen. Der alte, gerade von Hegel bereits kritisierte erkenntnistheoretische Zirkel findet sich bei Engels wieder: Zur richtigen Erkenntnis des Gegenstandes bedarf es demnach nämlich einer richtigen Methode des Denkens, die – sofern man sie sich einmal vom Inhalt des Denkens getrennt vorstellt – das Kriterium ihrer eigenen Richtigkeit doch aus nichts anderem als dem zu erkennenden Gegenstand selbst beziehen kann, was hiesse, ihn als erkannten bereits vorauszusetzen, um die Adäquanz der Methode zu seiner Erkenntnis beurteilen zu können.

Diese abstrakten, sprich: vom Gegenstand des Denkens getrennten Denkvorschriften entstammen allesamt methodologischen Rezeptionen der von Marx sachlich durchgeführten Kritik der politischen Ökonomie: Wo Marx etwa den bestimmten Zusammenhang zwischen Geld und Ware erklärt, erfindet Engels das Prinzip, dass die Dinge in ihrem Zusammenhang aufgefasst werden müssten; wo Marx etwa die Formverwandlung des Kapitals als Geld-, Waren- und produktives Kapital im Kapitalkreislauf erklärt, gibt es bei Engels das Prinzip, die Dinge in ihrer Veränderung und Bewegung zu begreifen etc. Nicht anders bei Mao: Hier verwandelt sich der Widerspruch der antagonistischen kooperierenden Klassen in das Prinzip Widerspruch, das sich dann angeblich in der ganzen Welt wiederfindet.

Man versuche einmal, nur ausgerüstet mit einem Haufen solcher „Denk“-Prinzipien wie „allgemeine Wechselwirkung“, „Vergehen“, „Bewegung“ oder „Widerspruch“ auf die Welt loszugehen, um etwas über sie in Erfahrung zu bringen. Schon der erste Schritt würde das Scheitern eines solchen Weges offenbaren. Oder anders herum: Wenn die dergestalt bearbeiteten Gegenstände so „analysiert“ werden können, liegt dem ihre „Analyse“ als welche, auf die diese Prinzipien angewandt werden können, also eine Erkenntnisleistung vor der Anwendung der für die Erkenntnis doch angeblich unerlässlichen Prinzipien bereits zugrunde.

Ihre Anwendung auf Erkanntes stellt aber nicht nur die Widerlegung der behaupteten Leistung dieser „dialektischen Methode“ dar, sondern erweist die absolute Überflüssigkeit dieses Verfahrens: Man möge sich den Kapitalismus vornehmen und nun z.B. das Privateigentum an den Produktionsmitteln unter dem Gesichtspunkt „Vergehen“ oder „Widerspruch“ untersuchen. Dabei steht nicht infrage, dass dies geht. Immerhin werden mittels eines solchen Verfahrens Bibliotheken gefüllt. Doch ist dieser Weg gleichgültig gegenüber der Erkenntnis des Gegenstandes. Er löst ihn in Betrachtungsweisen auf. Bökes Buch ist also mehr für Philosophen zu empfehlen denn für Menschen, die sich China damals und heute erklären wollen. Was aber macht den Maoismus (bis heute) so interessant für deutsche Linke?

In Renate Dillmanns Buch „China“ findet sich der Hinweis, der Maoismus hätte in der westeuropäischen Linken sicher keine Verbreitung gefunden, weil die K-Gruppen besonders gut über die Chinesischen Zustände unter Mao informiert waren, sondern vor allem als Gegenmodell zur Sowjetunion, denn China ist „nicht die Sowjetunion – und damit (angeblich) ohne all die unschönen Erscheinungen […] Warum der reale Sozialismus in der UdSSR so ausgesehen hat, ist den «Maoisten» dabei schon wieder ziemlich gleichgültig gewesen.“ (178). Das erscheint umso treffender, wenn man liest, was Böke an Kritik an der SU aus dem maoistischen Lager resümiert: „In der UdSSR war eine Gesellschaft entstanden, die sich soziologisch nicht wirklich vom Kapitalismus unterschied, indem sie die gleichen Hierarchien, Arbeitsteilungen und Lebensmodelle reproduzierte wie der Kapitalismus“ (89).

Gerade keine Kritik an der Hebelwirtschaft der SU findet sich hier, sondern der Verweis darauf, dass es auch Hierarchien gab und Arbeitsteilungen gab – zu welchem Zweck und mit welchen Mitteln auch immer… III) Wer sich nicht für die Philosophie des Maoismus interessiert (Böke) oder für die Geschichte Chinas und eine Kritik der Ökonomie der sozialistischen Republik Chinas (Dillmann) sondern für den aktuellen Imperialismus Chinas finden im aktuellen Gegenstandpunkt 4/15 den Artikel „Zwei Seidenstrassen – eine Asiatische Entwicklungsbank (AIIB) – Inselstreit und Aufrüstung. Chinas Fortschritte auf dem Weg zur Geldmacht und Weltmacht“, in dem Inhalt und Dimension des aktuellen Projektes Chinas der Gegenstand sind: Dieses „zielt auf nicht mehr und nicht weniger als die friedliche Eroberung eines ganzen Kontinents.“ (98) Wen das neugierig macht, sei also auf den aktuellen GSP verwiesen.

Berthold Beimler

Henning Böke: Maoismus. China und die Linke – Bilanz und Perspektive. VSA Verlag, Stuttgart 2007. 215 Seiten, 13.90 SFr. ISBN 3-89657-596-1

Renate Dillmann: China. Ein Lehrstück über alten und neuen Imperialismus. Schmetterling Verlag, Hamburg 2011. 388 Seiten, 27.90 SFr. ISBN 978-3-89965-380-9