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Jule Ehms: Revolutionärer Syndikalismus in der Praxis

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Jule Ehms: Revolutionärer Syndikalismus in der Praxis Das Standardwerk zur FAUD

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Sachliteratur

Als Resultat ihrer Dissertation veröffentlichte Jule Ehms Anfang des Jahres das Buch «Revolutionärer Syndikalismus in der Praxis».

Kongress der FAUD (Freie Arbeiter-Union Deutschland) 1922 im Erfurter Kaisersaal - Futterstrasse, Erfurt, Thüringen, Deutschland.
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Kongress der FAUD (Freie Arbeiter-Union Deutschland) 1922 im Erfurter Kaisersaal - Futterstrasse, Erfurt, Thüringen, Deutschland. Foto: Unknown author (PD)

Datum 25. April 2023
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Lesezeit3 min.
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KorrekturKorrektur
Die Betriebsarbeit der Freien Arbeiter-Union Deutschlands von 1918 bis 1933. [Westfälisches Dampfboot] Es ist nicht zu viel gesagt, diese historische Untersuchung als aktuelles Standardwerk zur Thematik zu bezeichnen. Offensichtlich legt die Autorin Wert auf eine akribische Verarbeitung ihrer Quellen, welche in Zeitungsartikeln, Protokollen und sekundären früheren Studien bestehen. Auch wenn der anarchistische Syndikalismus nicht zu meinen eigenen Kernthemen gehört, möchte ich das Buch von Jule Ehms gerade aufgrund seiner Sachlichkeit loben, aus der sich selbstkritische Fragen ergeben, welche eine sozial-revolutionär ausgerichtete syndikalistische Praxis heute inspirieren können.

Wie Franz Nussbaum in seiner Besprechung bereits schrieb, gilt es vor allem gesammelte Erfahrungen systematischer festzuhalten und weiterzugeben, um Arbeitskämpfe und Organisationsanforderungen zielgerichteter führen zu können. Die Autorin arbeitet meines Erachtens nach überzeugend heraus, dass die FAUD sich klar von reformerischen und parteikommunistischen Gewerkschaftsverbänden unterscheidet, indem sie Autonomie, Föderalismus und Basisdemokratie der Syndikate umsetzt.

Darüber hinaus weist sie auf die Widersprüche hin, welche sich beispielsweise daraus ergaben, dass der Syndikalistische Frauenbund durchaus progressive Forderungen erhob und die Reproduktionsarbeit aufwertete, während zugleich unter den Gewerkschaftsmitgliedern häufig ein eher konservatives Geschlechterverständnis anzutreffen war. Protagonist*innen wie Anna Götze lebten dabei persönlich durchaus andere Vorstellungen, als viele ihrer Zeitgenoss*innen.

Die Bezugnahme zur zeitgleich starken rätedemokratischen Bewegung war ebenfalls von Ambivalenzen gekennzeichnet, in denen jene einerseits als adäquater politischer Ausdruck für anarchistische Bestrebungen angesehen wurde, wie Rudolf Rocker formulierte, und diese andererseits gerade aufgrund ihrer politischen Ausrichtung nicht nicht unumstritten bleiben konnte.

Wer sich für die Geschichte der Arbeiter*innen-Bewegung und oder Anarch@-Syndikalismus interessiert, sollte einen Blick in die detaillierte Arbeit von Ehms werfen. Statt einer Fetischisierung der Erzählung über die hunderttausend Mitglieder, welche die FAUD kurzweilig zu Beginn der Weimarer Republik zählte, ist ihr Fokus auf die eigenständige Praxis der syndikalistischen Bewegung wichtig, welche in Deutschland traditionell einen schwereren Stand als etwa in Frankreich, Italien, Spanien oder Argentinien hatte. Davon ausgehend lassen sich auch Diskussionen darüber führen, wie wir eigentlich „Erfolge“ bemessen.

Denn direkte Arbeitskämpfe oder ein emanzipatorisches Klassenbewusstsein, mit welchem Einzelnen ermächtigt werden, lassen sich nur selten in historischen Quellen finden und zeigen dennoch ihre Wirksamkeit. Mit diesem Wissen und dieser (persönlichen) Wahrnehmung und Erfahrung im Hintergrund scheint es mir nicht vermessen, die Prinzipien des anarchistischen Syndikalismus wertzuschätzen. Nicht, weil sie an sich „richtig“ wären, sondern, weil mit ihnen ein anderer Weg vorgeschlagen wird, als ihn parteikommunistische, sozialdemokratische, christliche oder liberale Gewerkschaften einschlagen.

Ehms schreibt demnach auch „Kleinorganisationen wie die FAUD [sind] nicht nur Ausdruck einer gespaltenenen Arbeiter:innenbewegung. Sie zeigen Schwächen anderer Gewerkschaftsströmungen auf und dienen als Auffangbecken dissidenter Mitglieder und können den Zerfall der Arbeiter:innenbewegung somit bremsen. Darüber hinaus stärken sie mitunter die Verhandlungspositionen etablierter Gewerkschaften: Gegenüber offensiven Synadikalist:innen und Kommunist:innen konnten sich die Spitzenverbände als verlässliche Partnerinnen in Stellung bringen und dabei auf staatliche Unterstützung zählen“ (S. 331).

Letzteres verweist auf die ambivalente Rolle, welche militante Gruppierungen verschiedener Ausprägung in sozialen Kämpfen einnehmen. Selbstredend wollen sie etwas „ganz anderes“, stehen für andere Praktiken, andere Perspektiven, als z.B. die Mehrheitsgewerkschaften. Dafür einzutreten ist gut und richtig. Zugleich gilt es die Rolle der eigenen Organisation in einem grösseren Zusammenhand zu begreifen, statt sich sektiererisch mit den eigenen Ansätzen zu begnügen. Auch in dieser Hinsicht nach formuliert Jule Ehms einen klugen und weiten Blick, mit welchem sie die Position der Anarch@-Syndikalist*innen würdigt.

Jonathan Eibisch

Jule Ehms: Revolutionärer Syndikalismus in der Praxis. Westfälisches Dampfboot 2023. 371 Seiten. ca. 44.00 SFr. ISBN: 978-3896910776.