Damit positioniert sich Penny gegen einen Mainstream-Feminismus, der sich mehr mit dem Anteil von Frauen in Chefetagen beschäftigt als das gewaltvolle System des Patriarchats umgreifend anzusprechen. Die Einleitung ist ein wortstarkes Statement für jene, die nicht die Gewinner_innen des Kapitalismus und des weissen Mittelstands-Feminismus sind – es ist für jene, die laut Penny die Revolution anführen werden:
„Ich glaube, wenn uns in dieser strapaziösen konfusen Zukunft etwas retten kann, so ist es die Wut von Frauen und Mädchen, Queers, Freaks und Sündern. Ich glaube, die Revolution wird feministisch sein, und wenn sie da ist, wird sie intimer und schockierender sein, als wir es uns bisher vorzustellen wagten.“ (S. 12)
Obwohl sie alle jene, die mit Feminismus mehr verbinden als den kleinsten gemeinsamen Nenner, der Erfahrung als Frau*, in den Vordergrund rücken möchte, und auch ihre eigene Positionierung als bürgerliche weisse Frau darstellt, bleibt Penny leider zum Teil genau dort im Laufe des Buches stehen. Sie verfällt sprachlich in einen biologistischen Bezug auf das, was Frauen angeblich ausmacht (Brüste und Vaginas, Anyone?). Allerdings zeigt sich in der Einleitung auch deutlich, dass Penny ein zweigeschlechtliches System, in dem sich die Wenigsten einfügen können, als äusserst gewaltvoll versteht. In ihrem Buch geht es nicht darum, Regeln aufzustellen, wie Menschen sich zu verhalten haben, damit die Revolution kommt oder aus ihnen „gute“ Feminist_innen werden – es geht darum, zu erkennen, warum es sich zu kämpfen lohnt, für eine bessere Gesellschaft, im Privaten und Politischen. Zwischen Schönheitsvorstellungen und Männlichkeiten
Penny gelingt es, in flüssigem Stil und mit klaren Worten, persönliche Erfahrungen und politische Analysen miteinander zu verbinden. Sie schreibt über ihre Klinikaufenthalte, um Kritik an Schönheitsvorstellungen und Körperbildern zu üben, und verweist darauf, dass das Privileg der Rebellion oft männlich ist. Denn weibliche Rebellion wird häufiger eingesperrt, unsichtbar gemacht, als unnatürlich und krankhaft dargestellt: als etwas, das von der Norm abweicht und so auch keinen Platz im öffentlichen Raum haben darf, ohne ein aufgemaltes Lächeln oder vollgepumpt mit Psychopharmaka.
Doch nicht nur Frauen* sind im starren Geschlechterregime gefangen: „Einige meiner besten Freunde sind weiss, männlich und hetero“ (S. 69) gibt Penny augenzwinkernd zu und beginnt darüber zu schreiben, dass patriarchale Strukturen und Vorstellungen nicht nur auch Männer* betreffen, sondern sie auch verantwortlich dafür sind, etwas dagegen zu unternehmen. Sie fordert dazu auf, Diskriminierungen als „Teile einer grössere Gewaltarchitektur“ (S. 77) zu verstehen und fordert, dass Männer* aufhören, auf persönlicher Ebene Verantwortung von sich zu weisen. Vergewaltigungskultur, Patriarchat und die gewaltvolle Realität von Sexismus werden von Penny unverblümt dargestellt und eingebettet in die These, dass Männlichkeit an sich Krise ist, und nicht sich in der Krise befindet. Und dieses krisenhafte Bild moderner Männlichkeit verursacht jetzt schon Schmerzen, also sollte vor einer Veränderung nicht zurück geschreckt werden, nur weil diese auch schmerzhaft sein könnte.
Sex, Liebe und dieses Internet....
Die beiden Kapitel zu Liebe und Sex im Kapitalismus können als gute Einführungstexte in das Thema verstanden werden. Auch wenn Penny wenig Neues aufzeigt, ist es erfreulich, dass sex-positive Bezüge auch zu Kinky Sex (wie BDSM) und die Solidarität mit Sexarbeiter_innen klar formuliert werden und so der sogenannte „Alice-Schwarzer-Feminismus“ eine verbale Abfuhr erhält. Leider bleiben queere Perspektiven hier Leerstellen, die Laurie nicht zu füllen weiss. Zum Teil verkürzt ist auch ihr Bezug auf die „Kolonisierung der Liebe durch das kapitalistische Patriarchat“ (S. 219). Sie verbleibt in einem positiven Bezug auf (romantische) Liebe und sieht darin ein revolutionäres Potenzial, welches der Kapitalismus zerstört.Romantische Liebe wird zur Marke, zu einem unerreichbaren Ideal, welchem vor allen Frauen nachzugehen haben, um ihrem Leben einen Sinn zu geben, so Penny. Liebe wird zu Ware, allerdings unter der Vermittlung, dass wahre Liebe kostenfrei ist, und so auch unbezahlte (Haus-)arbeit gerechtfertig sei, weil sie „aus Liebe“ geschieht (S. 242). Hierbei hätte Penny noch genauer darauf eingehen können, inwieweit sich die Warenförmigkeit von Liebe als Marke beispielsweise in der Vermarktung romantischer Liebe jenseits von popkulturellen Referenzen wie Filmen zeigt.
Eindrucksvoll sind Pennys Ausführungen zu Cybersexismus, zu Geeks und Nerds und zu Meinungsfreiheit und Überwachung. Sie beschreibt das Internet als einen Raum, in dem Frauen* nicht nur lernten, sich zu vernetzen und diesen Raum nutzbar zu machen, sondern auch als Ort, wo mit der Hoffnung gebrochen wurde, dass Geschlecht im Netz keine Rolle spielen würde. An diesem Ort, an dem Frauen* eine Meinung äussern, ist die Auseinandersetzung mit Trolls tagtäglicher Bestandteil und geht von den Angreifer_innen mit einem Bezug auf „Meinungsfreiheit“ einher – gleichsam mit der Anmerkung, Frauen* würden verbale Angriffe online bis hin zu Vergewaltigungs- und Mordandrohungen herausfordern. Minirock und Meinung – beides, so Penny, Dinge die dazu führen, dass sie die Reaktionen darauf verdienen (S. 197).
Das Internet habe ein ernsthaftes Problem mit Redefreiheit, denn Redefreiheit „schliesst nicht die Freiheit ein, andere ungestraft zu belästigen und mundtot zu machen“ (S. 199). Das Netz ist ein Raum, welcher viele Stimmen gleichzeitig zulässt, und Informationen, die Frauen* im Internet weiterverbreiten, sollten in ihrer Wichtigkeit anerkannt werden – und nicht von Männern* negiert werden, welche nicht mit „den Mädchen“ spielen wollen, als seien sie sechs Jahre alt.
Dabei sind dies häufig dieselben Menschen, die nicht in dem Bewusstsein aufgewachsen sind, dauerhaft beobachtet zu werden, und dementsprechend entsetzt auf Überwachung und Datensicherheit im Internet und offline reagieren. Das Gefühl, dauerhaft beobachtet und überwacht zu werden, ist dabei für Frauen* keine neue Facette des 21. Jahrhunderts, sondern Teil des Sozialisationsprozesses, wie Penny mit Verweis auf die Journalistin Madeleine Ashby klarstellt. Und so sind es auch Frauen*, die lernen, ihre digitalen Körper wie ihre physischen Körper darzustellen, und diese dazu zu benutzen, beispielsweise das Image von Firmen „sauber“ zu halten – durch die Kontrolle, welche Bilder online gepostet werden, oder welcher Tweet doch besser nicht unter dem eigenen Namen veröffentlicht wird.