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Gamification: Verspieltes Leben

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Die Spiele schleichen sich in unser Leben Gamification: Verspieltes Leben

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Digital

Spiele, so beschreibt das „Büro für Zukunftsfragen“ das Erfolgsrezept von Gamification „geben Menschen befriedigende Arbeit und vermitteln die Erfahrung, Fähigkeiten zu besitzen und etwas wirklich gut zu können. Zudem geben Spiele den Spielern das Gefühl, Teil eines grösseren Ganzen zu sein.

Die Gamifizierung hat Einzug in die Arbeitswelt gehalten: „Kollektive Selbststeuerung der Beschäftigten, die noch dazu selbstreflexiv stattfindet“.
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Die Gamifizierung hat Einzug in die Arbeitswelt gehalten: „Kollektive Selbststeuerung der Beschäftigten, die noch dazu selbstreflexiv stattfindet“. Foto: Waag Society (CC BY 2.0 cropped)

Datum 21. Januar 2016
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… vierhundertdreiundsechzig punkte gestern und gleich nochmal plus siebenundzwanzig. vor dem frühstück! sogar die apfelschälspirale ist ganz geblieben – das bringt voll ein, trotz abzugs wegen der weggeschnippelten vitamine. die woche wird gut. Dengdooing! nee, nee, echt nicht. die outfitoptionen nochmal eingrenzen, nicht innerhalb des letzten Monats getragen, auch nicht von Eliz oder von Lu, und die Regenwahrscheinlichkeit noch dazu. – Dengdooing! das passt. ist gedongt. Dengdooing! vierzehn punkte! Dengdooing! – (das rhythmisierte Lu 51 Punkte vor Ines am badezimmerspiegel blendet langsam aus) – ach, scheisse! ine, das mistvieh schickt wieder was oberätzendes zum nachstylen. schaut schon am spiegeldisplay echt krank aus die frisur. na freu dich, da kommt was retour. was kommt von lu? yau! genau wie mein vorschlag. steht ihr aber sicher nicht so gut wie mir. einszweidrei… so, die eine strähne noch ein stück weiter ins gesicht. Dengdooing! passt perfekt überein und kann sich sehen lassen. Dillliuum – direkt vom spiegel gepostet. macht zugleich den weckruf für janni von nebenan. Dengdooing! Dengdooing! gefällt ihm bestimmt und damit ist der rückstand von letzter woche aufgeholt und lu bestenfalls unter ferner liefen. ganze drei minuten vor der zeit …

Langeweile war gestern, ab sofort ist alles mitreissend, spannend und dazu noch sagenhaft interaktiv. So anders, weitaus lebendiger irgendwie als das „gewöhnliche Leben“ zu Zeiten noch eines Johan Huizinga. Kaum aus den Federn, reiht sich eine Herausforderung an die nächste. Schon „der Weg zur Küche wird zum Hindernislauf, bei dem man Punkte sammeln kann, Obst schneiden wird zum Geschicklichkeitstest, und der Weg zur Arbeit gestaltet sich wie ein Video-Spiel, bei dem es darum geht, finstere Gestalten so schnell wie möglich abzuschütteln.

Ein Morgen wie in einem Indiana Jones-Film mit Belohnungen in Form von virtuellem Applaus und Geschicklichkeitspunkten für richtiges Verhalten. Und ein Mitarbeiter, der überpünktlich zur Arbeit erscheint.“ (Motivation und Manipulation im Alltag, www.deutschlandfunk.de, 25.02.2015) Lästige Erledigungen oder eintönige Tätigkeiten gehören der Vergangenheit an, alles geschieht mit Leichtigkeit, ohne Zwang und mit unvergleichlich besserer Laune. Das ganze Leben wird zum Spiel, die „Welt zum Spielbrett“ (Nora Stampfl), und der Mensch – „ganz Mensch“.

Das fortgesetzte Hochleveln, die Bewältigung unzähliger Aufgaben, das Tüfteln und Punkte Sammeln, das permanente Messen und Vergleichen mit anderen nimmt uns gefangen, es beansprucht Aufmerksamkeit, Vorstellungsvermögen und Konzentration. Einsam braucht dabei aber keiner zu bleiben. „In virtuellen Welten kommen heute Unmengen von Personen auf der ganzen Welt zusammen, um Städte zu bauen, Monster zu bekämpfen, Schlachten zu schlagen, Volkswirtschaften zu simulieren, Abenteuer zu bestehen, zu lernen, Strategien zu entwickeln und in andere Rollen zu schlüpfen“, so das „Büro für Zukunftsfragen“ (www.f-21.de) und nennt als Beispiel etwa Chromaroma, die „Gamification des Londoner Nahverkehrs: Mit jeder U-Bahn-, Bus- oder auch Fahrradfahrt werden Punkte gewonnen, Missionen erfüllt, Rekorde aufgestellt – Reisen wird zum Wettbewerb um die Stadt.“ Für weniger reiselustige Gemüter empfiehlt sich dagegen fliplife, eine online-Lebenssimulationsplattform, da braucht eins erst gar nicht mehr aus dem Haus.

Die Spiele „schleichen sich in unser Leben“ (Stampfl), in die alltäglichen Kleinigkeiten, werden Leitfaden und Stütze auch bei den grossen Dingen. Mit ihrer Hilfe werden wir von Tag zu Tag besser. Unterstützt von mindbloom kommt jede und jeder „in ein paar Minuten zum besseren Leben: Ob Gesundheit, Karriere oder Beziehung – mindbloom verspricht einen spielerischen Weg zur besseren persönlichen Lebensqualität. Jeder Lebensbereich, der mehr Aufmerksamkeit und Zeit verdient, wird als Blatt des ‚Lebensbaums' dargestellt; durch entsprechendes Verhalten gilt es den ‚Lebensbaum' grün und gesund zu erhalten, unmittelbares Feedback erhält der Spieler zum Beispiel durch die Farbe der Blätter.“ (www.f-21.de)

Quälten sich die Erwerbstätigen um die Jahrtausendwende womöglich noch durch ihren Arbeitstag, verfliegt den glücklich Verspielten die Zeit, beinahe egal über welcher Tätigkeit. „‚Gamifizierte' Aufgaben und Arbeiten ermöglichten es Menschen, im Verlauf ihrer Tätigkeit Reputation zu erringen, Gemeinschaften zu finden, Spannungsbögen zu erleben, erreichte Ziele als Eigenleistung zu deuten und Geschichten zu erleben“, nennt der Psychologe Ibrahim Mazari einige Wirkmechanismen in der FAZ (Ist Spielen das neue Arbeiten?, 12.02.2014).

Spiele, so beschreibt das „Büro für Zukunftsfragen“ das Erfolgsrezept von Gamification „geben Menschen befriedigende Arbeit und vermitteln die Erfahrung, Fähigkeiten zu besitzen und etwas wirklich gut zu können. Zudem geben Spiele den Spielern das Gefühl, Teil eines grösseren Ganzen zu sein.“ Bewerberinnen stellen mit Hilfe von Computerspielen ihre Eignung unter Beweis, das erhöht die Treffsicherheit bei der Personalauswahl und vermittelt andererseits den Jobanwärtern eine gute Vorstellung von der anvisierten Tätigkeit. Die Vorteile für beide Seiten liegen auf der Hand.

Wir sind hochmotiviert und erfüllen jedes in uns gesetzte Vertrauen, Kontrolle vonseiten der Führungsetagen wäre da bloss noch seltsam antiquiert. „Kollektive Selbststeuerung der Beschäftigten, die noch dazu selbstreflexiv stattfindet“ (Eric Treske, Gamification – Exit Games, Wir lassen spielen!), ist den alten Akkordvorgaben oder Strafandrohungen von oben weit überlegen. Und falls doch mal jemand zwischendurch Gefahr läuft schlappzumachen, dann dienen „ständige Rückmeldungen dazu, die Spieler am Ball zu halten. Belohnungen bedeuten Status und Macht im Spiel, aber auch reales Geld oder Geschenke“ (ebd.).

Die ewigen Fragen nach dem Sinn und Zweck erübrigen sich, wir sind erfüllt von einer eigenartigen Rastlosigkeit, einer immer etwas überdrehten Atemlosigkeit, beständig manisch, ein pausenloses Jagen. Depression kennen wir nicht.

Petra Ziegler
streifzuege.org