Mit seinem unangekündigten Kurzvortrag per Videoschaltung auf dem 33. Chaos Communication Congress sorgte er für eine Überraschung. Er wandte sich nach einem Vortrag von Anna Biselli und Andre Meister an das Publikum, um über Terror, Überwachung und dem NSAUA zu sprechen.
Die beiden netzpolitik.org-Autoren gaben im Vorfeld einen Überblick auf die Auswirkungen Snowdens in Deutschland. Sie sprachen darüber, warum der Unterschungsausschuss nicht richtig arbeiten kann. Bei entscheidenden Fragen mauert die Regierung und will keine Informationen preisgeben. Ausserdem empörten sie sich über den Bundesnachrichtendienst (BND), der trotz mehrerer Skandale mehr Befugnisse und Geld erhalten hat.
Im Anschluss fragten sie Snowden nach seiner Meinung zu den Auswirkungen. Wenn der NSAUA ihn nicht befragen will, ergreifen eben Anna und Andre aus unserer Redaktion die Initiative.
„Es ging nie um Terrorismus“
Snowden erklärte, wieso in weltoffenen Gesellschaften wie in den Vereinigten Staaten, Grossbritannien und Deutschland die Massenüberwachung weiter ausgebaut wird. Diese Ausweitung wird oftmals mit der Terrorismusbekämpfung begründet. Nach dem Terroranschlag in Berlin gab es sogar verfassungsfeindliche Forderungen. Snowden hat eine klare Meinung zur Behauptung, Überwachung würde gegen Terrorismus helfen:«Es ging nie um Terrorismus, weil es den Terrorismus nicht effektiv verhindern kann. Es geht keinesfalls um Sicherheit, es geht nicht um Schutz, es geht um Macht: Überwachung dient zur Kontrolle. Es geht darum, jeden Moment der Verletzlichkeit zu sehen in jedem Leben, ungehindert davon, ob derjenige ein Krimineller oder eine normale Person ist.»
Andere Länder bekommen so die Legitimation, noch schärfere Gesetze zu erlassen. China zwingt zum Beispiel IT-Firmen dazu, Hintertüren in ihre Dienste einzubauen. Als Begründung gaben sie an, dass sie nach den Enthüllungen von Edward Snowden kein Vertrauen in ausländische Technologien haben, weil diese von der NSA manipuliert sein könnten.
„Eine geheime Regierung ist zwangsweise eine schlechte Regierung“
Man muss aber nicht nach China schauen, um vor den Folgen der Massenüberwachung zu warnen. Ein Fall im Oktober in Kanada sorgte für Aufsehen und zeigte, welche Auswirkungen wir bereits in der westlichen Welt beobachten können. Mindestens sieben Journalisten wurden in Montreal und Quebec über einen längeren Zeitraum von der Polizei abgehört und überwacht. Sie hatten keine Straftaten begangen. Die Polizei wollte nur eine Quelle in ihren Reihen ausfindig machen.Der kanadische Geheimdienst „Canadian Security Intelligence Service“ (CSIS) wollte im Zuge des Überwachungsskandals eigentlich einen Untersuchungsausschuss darüber informieren, wie viel Journalisten in der Vergangenheit überwacht wurden. Mitte Dezember zogen sie ihr Angebot zurück mit der Begründung, dass es „die Integrität ihrer Operationen einschränken und die Möglichkeit ihre Arbeit […] zu erledigen gefährden würde“.
Dass ein Geheimdienst aufgrund der Geheimhaltung nicht preisgeben will, ob Journalisten ausgespäht wurden, ist alarmierend. Hier sieht Snowden eine Gefahr für die Demokratie. Für ihn sind geheim agierende Regierungen zwangsweise schlecht, denn:
«Man kann nicht die Urteilskraft von einigen Beamten hinter verschlossenen Türen gegen die Urteilskraft von jedem in einem Land, jedem in einer Nation, eintauschen, nicht in einer Demokratie.»
„Sie wollen ihre Freunde nicht verärgern, das kann ich verstehen“
Er machte den Anwesenden ausserdem klar, was für eine Möglichkeit Deutschland mit dem einzigen Untersuchungsausschuss zu diesem Thema weltweit hat. Der NSAUA könnte ein Vorbild für andere Länder sein. Er bietet auch eine Antwort auf die Frage, warum die Regierung diese Chance nicht nutzt. Die Folgen wären schliesslich immens, wenn man zugeben müsste, selbst gegen Gesetze verstossen zu haben.Die Abgeordneten der Grossen Koalition im NSAUA haben laut Snowden aufgrund von zwei Dingen ebenfalls kein Interesse an Aufklärung. Zum einen haben sie Angst davor, unbeliebt bei ausländischen Geheimdiensten zu werden. Zum anderen wollen sie befreundete Regierungen nicht verärgern, wofür Snowden Verständnis äusserte.
„Es reicht nicht, nur über die Probleme zu reden“
Zum Schluss versuchte er die Anwesenden zu motivieren, gegen die Massenüberwachung einzutreten. Es reicht nicht, nur darüber zu reden, sondern man soll sich fragen, was man tun kann. Quellcode beitragen, ein Tool entwickeln oder einen neuen Service starten – es gibt viele Möglichkeiten, für seine Überzeugungen einzustehen. Snowden verabschiedete sich mit den Worten:«Aber ihr müsst aktiv werden, es ist nicht genug, nur an etwas zu glauben, meine Damen und Herren. Wenn wir wollen, dass die Dinge besser werden, dann müsst ihr für etwas eintreten.»