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Nachrichtendienstgesetz: Die Schweiz will sich eine „Mini-NSA“ schaffen

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Nein zum neuen Nachrichtendienstgesetz Die Schweiz will sich eine „Mini-NSA“ schaffen

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Im Rahmen einer Reform des Bundesgesetzes zur Überwachung des Post- & Fernmeldeverkehrs (BÜPF) sollen die Überwachungskompetenzen ausgedehnt werden.

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Foto: Erfolg! Im kommenden Jahr wird es eine Abstimmung über das Nachrichtendienstgesetz geben.

Datum 28. Dezember 2015
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Ein neues Nachrichtendienstgesetz ist bereits in Kraft verabschiedet, steht im kommenden Jahr allerdings zur Volksabstimmung.

Das Bundesgesetz zur Überwachung des Post- & Fernmeldeverkehrs (BÜPF)

DasBÜPF regelt die Überwachungsbefugnisse der Strafverfolgungsbehörden und des Nachrichtendienst des Bundes, etwa den Einsatz von Staatstrojanern und IMSI-Catchern sowie die Serverüberwachung. Das sogenannte Zwangsmassnahmengericht muss dabei von der Polizei beantragte Überwachungsmassnahmen absegnen – erst dann sind die Telekommunikationsanbieter verpflichtet, entsprechende Daten zu erheben und weiterzuleiten.

Weiterhin schreibt das BÜPF eine sechsmonatige Vorratsdatenspeicherung (VDS) vor, die im Zuge einer BÜPF-Reform ausgeweitet werden soll: Die Kommunikationsdaten aller Schweizer*innen sollen für zwölf Monate gespeichert werden. Die Reform würde die drei Dimensionen (Dauer, Geltungsbereich, Menge) der VDS anpassen: So müssen zur Zeit nur Access-Provider Kommunikationsdaten speichern, in Zukunft sollen aber auch E-Mail-Anbieter, Hostingprovider und Messengerdienste wie Threema zum Speichern gezwungen werden, erläutern die Vortragenden auf dem 32C3. In der Schweiz und in Deutschland positionieren sich Netzaktivist*innen klar: Eine VDS mit egal welcher Speicherdauer stellt einen unverhältnismässgen Eingriff in die Grund- und Menschenrechte aller Bürger*innen dar.

Als Gründe für eine Verschärfung von Überwachungsgesetzen führen die Überwachungshysteriker*innen auch in der Schweiz die Terrorismusbekämpfung und die Verfolgung von Kinderpornographie an. Der Vortrag auf dem 32C3 macht aber anhand einer Behörden-Statistik klar, dass eigentlich andere Delikte im Fokus der Überwachungspraxis stehen: 32 Prozent aller BÜPF-Massnahmen hängen mit dem Drogenhandel zusammen, weitere 23 Prozent mit Vermögensdelikten. Nur 0,8 Prozent richten sich gegen terroristische Aktivitäten und weitere 0,5 Prozent gegen Kinderpornographie.

Die Digitale Gesellschaft Schweiz hat eine Klage gegen das BÜPF vor dem Bundesverwaltungsgerichteingereicht, erwartet aber ein negatives Urteil. In diesem Fall, so kündigen die Vortragenden an, werden sie bis vor den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof ziehen.

Widerstand gegen das neue Nachrichtendienstgesetz (NDG)

Schon 2003 hat das Parlament Pläne der Regierung abgelehnt, die eine Ausweitung der Überwachungskompetenzen Schweizer Geheimdienste bedeutet hätten. Das neue Nachrichtendienstgesetz (NDG) spielt das ACTA-Spiel und tischt alten Müll in neuen Eimern auf: Es regelt die Aufgaben und Mittel des Nachrichtendienstes des Bundes, dessen Aufsicht, die politische Führung und die Zusammenarbeit mit in- und ausländischen Behörden – sprich: welche Daten von Schweizer Staatsbürger*innen und allen anderen Personen weitergeleitet werden dürfen. Entsprechende Details dieser Weiterleitung sind nach Meinung der Schweizer Aktivisten relativ vage gefasst.

Das NDG stellt dem Nachrichtendienst des Bundes eine ganze Reihe von Instrumenten zur Verfügung: neben dem Anbringen von Wanzen und Kameras, Durchsuchungen sowie der Überwachung von Post- und Fernmeldeverkehren eben auch die Kabelaufklärung. Dies würde den Behörden erlauben, alle Kabel, die durch die Schweiz laufen, anzuzapfen. „Die Schweiz schafft sich damit eine Mini-NSA“, kommentiert einer der Schweizer die Regierungspläne auf dem Congress.

Doch es regt sich Widerstand: Bis Ende des Jahres läuft ein Referendum, das von linken Parteien und Grundrechtsvereinen getragen wird. Es sind bereits etwas mehr als die 50.000 für ein Volksbegehren benötigten Unterschriften zusammengekommen. Dies sollte jedoch keine*n Schweizer*in davon abhalten,noch zu unterschreiben, falls noch nicht geschehen. Die entsprechende Volksabstimmung wird frühestens am 5. Juni 2016 stattfinden.

Netzneutralität und Urheberrecht

Neben BÜPF und NDG gibt es noch weitere wichtige netzpolitische Themen im Bezug auf die Schweiz: Die Netzneutralität steht auch bei den Eidgenossen unter starkem Beschuss und wird in absehbarer Zeit keine Unterstützung durch die Regierung erhalten. Der Entwurf für eine Reform des Urheberrechtsgesetzes sieht den Einsatz derThree-Strikes-Regelung sowie Netzsperren vor. Zumindest die Liste der gesperrten Websites soll aber öffentlich einsehbar sein.

Für Interessierte an den Schweizer Entwicklungen lohnt sich derNewsletter der Digitalen Gesellschaft Schweiz.

Simon Rebiger
netzpolitik.org

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 4.0) Lizenz.