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Über Digitalisierung ohne Alternativen und was das mit Kriegsvorbereitung zu tun hat

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Über Digitalisierung ohne Alternativen und was das mit Kriegsvorbereitung zu tun hat „Ein volldigitales Land“

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Auch nach dem Ende der Ampelregierung wird ihr Geist der „Kriegstüchtigkeit“ bleiben, denn es sind keine relevanten politischen Kräfte in Sicht, die dem etwas entgegensetzen könnten.

Digitalzwang.
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Digitalzwang. Foto: Fabian / digitalcourage

Datum 16. November 2024
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Zu befürchten ist auch, dass die von Digital- und Verkehrsminister Volker Wissing (damals FDP) angedrohte Weiterentwicklung der Digitalstrategie zu „digital only“ auch umgesetzt wird, unabhängig davon, wer die nächste Regierung stellt.

Die Entwicklung der Digitaltechnik hat ihren Ursprung in militärischer Forschung. Das Vorhaben „Digitales Gefechtsfeld“ gehört bereits seit letztem Jahr zur Digitalstrategie und die Rüstungsindustrie hat satte Profite sicher. Der Konzern Rheinmetall, der am Niederrhein gerade eine neue Fabrik für Kampfflugzeugteile baut, entwickelt eine „Digitale Brigade“. Die Vernetzung sämtlicher Waffensysteme soll „sich zu einem vollständig digitalen militärischen Ökosystem“ entwickeln.

Aalglatt lassen sich – etwa im 3sat-Beitrag „Autonome Waffen: Erhält KI die Lizenz zum Töten?“ vom 8. Juli – VertreterInnen von Rüstungsunternehmen freundlich lächelnd über Algorithmen, KI und Zielgenauigkeit aus. Als seien Kriege eine sauber berechenbare Aufgabe und hätten nichts mit Blut, Schmerz, Verzweiflung und zerfetzten Leibern zu tun. Aber natürlich sollen nur die anderen bluten. So verschwindet dies Entsetzliche hinter Sachlichkeit, und die Öffentlichkeit wird an die technische Perfektionierung des Tötens gewöhnt.

Digitale Kriegsführung braucht zivile Daten

Die Bundeswehr betreibt keine eigene KI-Grundlagenforschung, darum muss sie laut Verteidigungsministerium „die zivilen Entwicklungen für sich nutzbar machen“. Heisst das nicht in letzter Konsequenz, dass im Grunde alle, die fast täglich KI-Anwendungen – wie etwa Übersetzungsprogramme – nutzen und diese damit trainieren, sich auch an dieser militärischen Entwicklung beteiligen? KI „lernt“ durch Übung und unendliche Massen von Daten, die immer mehr Menschen in ihrem zunehmend digitalisierten Alltag ständig liefern.

Als wäre das nicht schon schlimm genug, möchten Wissing und Co uns nun mit ihrer Digital-only-Strategie die totale Digitalisierung aufzwingen: „Wir müssen analoge Parallelstrukturen konsequent abbauen und auf komplett digitale Prozesse setzen. Dies ist nicht nur effizienter und spart Kosten, sondern verbessert die Datenverfügbarkeit. Nur wenn wir ein volldigitales Land werden, können wir Deutschland zu einem führenden KI-Standort entwickeln und unsere Position im internationalen Wettbewerb stärken.“

Diese Digitalwelt verspricht „E-Gesundheit und wachsende KI-Wirtschaft“ und bejubelt, dass das Bundesgebiet zu mehr als 92 Prozent mit dem Mobilfunkstandard 5G versorgt sei. Für diejenigen, die Gesundheitsgefahren durch die mikrowellenähnliche Strahlung befürchten, ist das keine gute Nachricht. Es sollte auch nicht vergessen werden, dass die 5G-Technik mit massivem Lobbyeinfluss durchgesetzt wurde (Rabe Ralf Oktober 2022, S. 27). Sie dient nicht nur der Ermöglichung der autonomen Mobilität, sondern auch der vernetzten Militarisierung.

Das Ende der Privatheit

Zur Digitalstrategie gehört ebenfalls, dass die BahnCard seit Juni 2024 „ausschliesslich digital angeboten“ wird und dass im Januar 2025 „für rund 73 Millionen gesetzlich Versicherte der Roll-Out der elektronischen Patientenakte (ePA) für alle“ beginnt. Was bei Wissing nach Erfolgsmeldung klingt, ist für viele Betroffene ärgerlich oder sogar bedrohlich.

Zwar nutzen immer mehr Leute aus Bequemlichkeit die digitalen Möglichkeiten, doch andere können mit der Technik gar nicht umgehen oder wollen sie ganz bewusst nicht nutzen. Für die Einführung von digitaler BahnCard und ePA hat die NGO Digitalcourage im September den „Big Brother Award“ vergeben. Mit diesem Schmähpreis werden jährlich die schlimmsten Datenkraken ausgezeichnet.

Die Deutsche Bahn bekam den Big Brother Award, weil sie „alles daransetzt, unüberwachtes Bahnfahren unmöglich zu machen“. Die Digitalisierung der BahnCard – die es nur vorübergehend auch zum Ausdrucken geben soll – ist nur ein Mosaikstein im Digitalzwang, den die Bahn ihren KundInnen aufdrückt. Digitale und personalisierte Tickets und nicht abwählbare Tracker in der App „DB Navigator“ führen zur Rundumüberwachung.

Aus der Begründung von Laudator padeluun, künstlerischer Leiter von Digitalcourage, zur Preisverleihung: „Warum die Möglichkeit, sich unerkannt in unserem Land frei bewegen zu können, wichtig ist? Weil wir als Bürgerinnen und Bürger an allererster Stelle der Souverän dieses Staates sind und nicht Mobilitätsverschiebemasse, Verdachtsfall oder Marketingobjekt. Deshalb wollen wir uns frei bewegen können. Auch mit und gerade mit der Bahn.“

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bekam den Big Brother Award „für den von ihm mit verantworteten Europäischen Gesundheitsdatenraum, neudeutsch European Health Data Space oder kurz EHDS, und dessen nationale Umsetzung, das Gesundheitsdatennutzungsgesetz“. Die Einführung der ePA ist „ein Baustein“ des EHDS. Laudator Thilo Weichert vom Digitalcourage-Vorstand erläuterte, dass sensible Gesundheitsdaten „mit unzureichenden Schutzvorkehrungen“ verarbeitet werden, womit „ein zentraler Grundsatz der Medizin über Bord geworfen wird: Die ärztliche Schweigepflicht“.

Die Gesundheitsdaten werden „zur Beute kommerzieller und politischer Interessen“ und mit ihnen werden KI-Modelle trainiert: „Es gibt keine Vorkehrungen dagegen, dass meine Daten für militärische Forschung zur Erhöhung der Wirksamkeit bestimmter Kampfstoffe genutzt werden.“

Rundum überwacht und betreut

Ein weiterer Big Brother Award ging an den Technikpaternalismus. Damit ist der Trend zu einer Technik gemeint, „die uns bevormundet, gängelt und nervt mit Besserwisserei, die Menschen Entscheidungen abnimmt, sie lückenlos überwacht, keinerlei Abweichungen, Ausnahmen oder gar Individualismus erlaubt. Sanktioniert wird mit strafendem Piepston, Petzen bei Behörden oder schlicht Funktionsverweigerung.“

In der Laudatio warnte Digitalcourage-Geschäftsführerin Rena Tangens vor Überwachung und Entmündigung. Es sei vielleicht bequem, wenn die Technik den Menschen Entscheidungen abnimmt, führe jedoch „dazu, dass wir viele eigene Fähigkeiten gar nicht erst entwickeln. Und Fähigkeiten, die wir zwar haben, aber nicht üben, verlernen.“

Sich nicht alles gefallen lassen

Der Digitalisierung zu entgehen ist kaum möglich, und so wird der Alltag kälter und körperlos (Rabe Ralf Juni 2021, S. 16). Gleichzeitig ermöglicht die Digitalisierung auch Engagement. Das Smartphone ist beispielsweise sogar das Symbol des Alarm Phone (siehe S. 22). Aber Gegenwehr gegen die schlimmsten Auswüchse ist notwendig:

Bis 23. Mai 2025 kann die Digitalcourage-Petition unterschrieben werden, die den Bundestag auffordert, „das Recht auf ein Leben ohne Digitalzwang ins Grundgesetz aufzunehmen und damit gesetzlich zu verankern“.

Wer der ePA widersprechen möchte, sollte das rechtzeitig vor ihrer Einführung am 15. Januar 2025 tun. Die Online-Zeitung netzpolitik.org hat eine Entscheidungshilfe veröffentlicht.

Elisabeth Voß

www.bigbrotherawards.de/2024
https://digitalcourage.de/digitalzwang
www.netzpolitik.org/entscheidungshilfe

Die ist eine Vorab-Veröffentlichung, der Beitrag erscheint in der Ausgabe Dez. 2024/Jan. 2025 der Berliner Umweltzeitung „Der Rabe Ralf“. Um weiter erscheinen zu können, braucht die Zeitung dringend Unterstützung: https://www.grueneliga-berlin.de/publikationen/der-rabe-ralf/aktuelle-ausgabe/brandbrief/