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Abmahnungen gegen Nutzer von Creative-Commons-Bildern

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Abmahnungen gegen Nutzer von Creative-Commons-Bildern Die Cider Connection

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Digital

Seit Dezember 2015 verschickt eine Cider Connection zahlreiche Abmahnungen wegen fehlerhafter Creative-Commons-Referenzierungen. Wir haben recherchiert und legen jetzt das Netzwerk der Abmahner offen.

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Das offizielle Creative Commons Logo. Foto: CC (PD)

Datum 28. Juni 2016
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Zwei Männer Arm in Arm. Sie lachen, haben Weingläser in der Hand. Zwischen ihnen steht ein grosses weisses Plastikfass mit rotem Deckel und Hahn. Am 8. März 2014 trinken die beiden Wahl-Kieler Philipp H. und Lutz S. einen selbstgemachten Cider und dokumentieren ihr Treffen mit einem Foto auf Facebook. Nun ist das gemeinsame Verkosten von Apfelschaumwein nichts Anrüchiges, gäbe es nicht das Abmahnmodell, mit dem beide Herren offenbar in Verbindung stehen. Was die Herren machen, ist nicht illegal. Es zeigt aber, wie perfide man die Strenge der Creative-Commons-Lizenzen mit der deutschen Art und Weise der Urheberrechtsdurchsetzung in geschäftlicher und böser Absicht pervertieren kann.

Philipp H. ist „Vorstandsvorsitzender“ eines Verbandes zum Schutz geistigen Eigentums im Internet, kurz VSGE. Einen Verband mit diesem Namen haben wir jedoch weder im Handels- noch im Vereinsregister gefunden. Auch der „Vorstandsvorsitzende“ des Verbandes selbst kann uns auf Nachfrage keine Angabe zur Rechtsform machen.

Lutz S. hat als Rechtsanwalt zahlreiche Fälle dieses Verbandes übernommen. Als am 11. März 2014 die Facebook-Seite des VSGE mit einer Jubelmeldung online geht, ist Rechtsanwalt Lutz S. über die Meldung des Mandanten begeistert und schreibt auf Facebook: „Jungs, ich bin sehr beeindruckt!“ Der Rest des Internets ist weniger begeistert. Bis heute hat der Verband auf Facebook erst 11 Likes gesammelt.

Philipp H. und Lutz S. wohnen beide in Kiel, kommen beide ursprünglich aus Hildesheim, gehen beide dort auf das selbe Gymnasium. Man kennt sich. Man arbeitet zusammen.

Es sind zahlreiche Fälle bekannt, in denen Webseitenbetreiber, Blogs und Medien seit Ende 2015 wegen Lizenzverletzungen bei Creative-Commons-Bildern abgemahnt wurden.

Der VSGE & die Kommerzialisierung von Rechten Dritter

Offiziell können sich Fotografen auf bilderdiebstahl.de, der Seite des Verbandes, einen Account machen und ihre Bilder registrieren. Der Verband mahnt dann in allen uns bekannten Fällen mittels Lutz S. die Rechteverletzer ab. Für den Fotografen gibt es laut bilderdiebstahl.de pro abgemahnter Person 40 Euro für das erste Bild und 10 Euro für jedes weitere. Dies steht in einem krassen Missverhältnis zu den Kosten, die von den Abgemahnten gefordert werden. Denn eine Abmahnung für zwei Bilder kostet schnell mal 1600 Euro Schadenersatz plus 600 Euro Anwaltsgebühren, wie aus einer Abmahnung hervorgeht, die uns vorliegt.

Die Domain bilderdiebstahl.de gibt es schon länger. Im Impressum der Seite steht bis Ende 2012 die LoogBerry GmbH, die mit dem Geschäftsmodell der Kommerzialisierung von Rechten Dritter einschlägig bekannt wird. Schon hier im Boot: Rechtsanwalt Lutz S. aus Kiel.

Im Januar 2013 erfinden dann die Macher von bilderdiebstahl.de den seriös klingenden Verband zum Schutz geistigen Eigentums im Internet (VSGE). Das Geschäftsmodell jedoch bleibt das gleiche.

Als Vorstandsvorsitzender des Verbandes wird ab diesem Zeitpunkt Jacek K. auf der Webseite genannt. Jacek K. versucht sich mit Abmahngeschäften in unterschiedlichen Bereichen. Er hat nicht nur die LoogBerry GmbH gegründet, sondern auch die Trade Buzzer UG. Letztere hat sich Begriffe wie „Gamer“ oder „Geek Nerd“ schützen lassen und mahnt damit unter anderem getdigital.de ab. Der Anwalt in diesem Fall ist ein alter Bekannter: Lutz S. aus Kiel. In zweiter Instanz verliert die Trade Buzzer UG den Prozess und wird in der Folge liquidiert. Personelle Verbindungen zur RedTube-Abmahnaffäre

Jacek K. war zudem im Jahr 2008 für einige Monate Geschäftsführer der Piracy Guard IT Solutions GmbH von Pavel K.. Diese Firma hat mutmasslich IP-Adressen beim Filesharing protokolliert. Pavel K. taucht in Zusammenhang mit der RedTube-Abmahnaffäre als Erfinder von Schnüffelsoftware auf.

Jacek K. ist in noch mehr Firmen aktiv, zum Beispiel bei der NotreFun Entertainment Media GmbH. Diese versendete unter anderem über den Anwalt Lutz S. aus Kiel Abmahnungen für Filesharing im Pornobereich.

Im Januar 2016 wird dann der Kieler Ciderfreund Philipp H. zum „Vorstandsvorsitzenden“ des Verbandes zum Schutz geistigen Eigentums im Internet. Unser Verdacht: Ein Strohmann. Jacek K. hingegen ist bis heute als Admin-C der Domain bilderdiebstahl.de eingetragen.

Wir wollen mehr wissen über diesen sonderbaren Verband. Wir versuchen es mehrfach telefonisch unter der auf der Webseite angegebenen Nummer, bekommen aber immer nur einen Anrufbeantworter zu hören, der nicht einmal den Namen des Verbandes ansagt. Auch über die angegebene Skype-Adresse ist keine Kontaktaufnahme möglich. Im Haus der Briefkastenfirmen

Deswegen schauen wir am Montag um 11 Uhr morgens selbst vorbei. Schlossstrasse 50. Im Süden Berlins. Hier soll der vermeintliche Verband residieren, der nur auf Facebook und auf der Domain bilderdiebstahl.de in Erscheinung tritt. Im Nachbarhaus der Immobilie ein indisches Restaurant, draussen auf dem Gehweg der vielbefahrenen Strasse riecht es nach einem toten Tier, das in der Baumscheibe vor sich hingammelt.

An der Aussenklingel ist der Verband zum Schutz geistigen Eigentums im Internet nicht zu finden. Wir klingeln bei einer Bürogemeinschaft im 1. Stock, weil hier unter sieben anderen Firmen der Name Sebastian K. steht. K. ist ein ehemaliger Geschäftsführer der LoogBerry GmbH, er stand früher auch einmal im Impressum von bilderdiebstahl.de. Sebastian K. führt mittlerweile die nach ihm selbst benannte KraSeb GmbH. Selbstgewählter Werbeclaim der Firma: Sicherheit & Kapital.

Und tatsächlich öffnet sich ohne weiteres Nachfragen die Haustüre mit einem lauten Buzzen. Im Treppenhaus der Schlossstrasse 50 hängen Briefkästen. Es sind viele Briefkästen mit sehr vielen Namen darauf. Im Haus ansässig ist auch ein so genannter Büroservice, der anderen Firmen einen Briefkasten und eine Adresse verkauft, regelmässig die Kästen leert und die Post weiterleitet. Mit dem Abmahnungen haben die anderen Briefkastenfirmen nichts zu tun.

Geöffnet wird uns oben im 1. Stockwerk von einer Dame mittleren Alters. Sie ist sehr freundlich. Es sei leider niemand da heute, wir könnten jedoch eine Telefonnummer hinterlassen.

Der Geschäftsführer kennt seine eigene Firma nicht mehr

Als wir über Umwege telefonisch nachforschen stellt sich raus, dass der Verband zum Schutz geistigen Eigentums im Internet in der Bürogemeinschaft bei der KraSeb GmbH angesiedelt ist. „Das macht Sebastian K.“ sagt uns die Quelle. Das bestätigt uns später auch Sebastian K. selbst am Telefon. Welche Rechtsform der Verband eigentlich habe? Dazu will sich K. nicht äussern. Dazu sei er nicht befugt wegen des Datenschutzes und Firmengeheimnissen, sagt er nervös. Auch die LoogBerry GmbH als frühere Domaininhaberin von bilderdiebstahl.de will K. nicht kennen.

Das ist einigermassen skurril, denn K. war dort selbst bis 2014 Geschäftsführer. Und auch seinen LoogBerry-Kompagnon und früheren VSGE-Vorstandsvorsitzenden Jacek K. verleugnet er. Nachzulesen ist deren Geschäftsverbindung natürlich im Handelsregister. Oder auf auf archivierten Seiten des Impressums von bilderdiebstahl.de. Bei weiteren Nachfragen wird K. wortkarg, will uns einen Termin „nächste Woche“ anbieten, bei dem man vor Ort mit dem Verband reden könne. Wir beenden das Gespräch und versuchen es bei Jacek K.

Doch auch der Anruf bei Jacek K. führt nicht wirklich weiter. Er sei zwar Mitglied des Verbandes, sagt er, aber man solle doch lieber beim Verband selbst anrufen, denn er könne nicht für den Verband sprechen und könne auch nichts zu dessen Rechtsform sagen. Überhaupt würde er lieber die Geschäfte seiner verschiedenen Unternehmen strikt trennen, sagt er. Kein Wunder. Jacek K. hat einige Firmen, darunter eine Arbeitsvermittlung für polnische Pflegekräfte. Die hat sogar – ganz seriös – einen eigenen Briefkasten. Für seine Abmahnungen hingegen nutzt Jacek K. nur einen gemeinsamen Briefkasten in einem Moabiter Eckhaus.

Nächster Anruf in Kiel. Philipp H. geht ans Telefon. Ob er der Vorstandsvorsitzende des VSGE sei? Ja, das sei er. Was denn die Rechtsform des Verbandes sei? Ein freier Wirtschaftsverband sei man. Welche Rolle Herr Jacek K. beim Verband spiele? Langes Zögern. Darüber möchte Philipp H. nichts sagen. Ob er mit dem Anwalt Lutz S. zusammen in die Schule gegangen sei? Befreundet sei? Auch darüber möchte der jetzt hörbar nervöse Vorstandsvorsitzende nicht reden – und legt ohne ein weiteres Gesprächsangebot auf.

Auch der Fotograf schweigt

Auch Dennis S. will nicht mit uns reden. Mehrfache Kontaktversuche über Mail und Telefon werden nicht beantwortet. S. ist Fotograf. Alle uns bekannten Abmahnungen des VSGE werden in seinem Namen verschickt. Dennis S. hat sich auf Symbolbilder spezialisiert. Bilder, die ständig irgendwie benutzt werden könnten. Er stellt diese unter einer Creative-Commons-Lizenz bei Flickr ins Netz. Und dann mahnt er über den VSGE Webseiten ab, die sich nicht zu 100 Prozent an die Vorgaben der Lizenz halten, die S. sogar noch mit zusätzlichen Bedingungen anreichert. Dennis S. wird in uns vorliegenden Abmahnungen als Mitglied des Verbandes zum Schutz geistigen Eigentums im Internet benannt.

Zu guter Letzt dann Anruf bei Lutz S., dem Kieler Anwalt des VSGE. „Jetzt also auch bei mir“, sagt der Anwalt. Er erwartet wohl schon unseren Anruf. Nicht nur Philipp H. hat ihm zuvor gesteckt, dass wir recherchieren. Das sagt Lutz S. selbst am Telefon. Die Abmahner sind wohl aufgeschreckt von unseren Recherchen, Lutz S. hat sich davor auch über den Autor des Artikels schlau gemacht. Philipp H. kenne er privat, sagt er, nachdem wir ihn auf das Cider-Bild ansprechen. Darüber hinaus will der Anwalt nichts sagen und beruft sich darauf, dass er über seine Mandanten nicht reden dürfe. Eine zu grosse Nähe oder Involvierung in die Geschäfte seiner Mandanten, will Lutz S. offenbar vermeiden. Er stellt sich einfach nur als deren Anwalt dar. So wie er das schon seit Jahren macht. Forderungen und Vorgehensweise der Abmahner fragwürdig

Das Geschäftsmodell der Cider Connection ist nicht illegal, sagen uns mehrere Anwälte. Auch seien die von Lutz S. geforderten Sätze abmahnüblich.

iRights.net erscheinen die Forderungen und die Vorgehensweise der Abmahner als fragwürdig, sie knüpften jedoch an vermeidbare Fehler an. Wer Abmahnungen und Lizenzforderungen vermeiden will, sollte sich unbedingt an die Bedingungen der CC-Lizenzen halten. Diese sind:
  • Nennung des Urhebers,
  • Nennung des Titels, wenn vorhanden,
  • Nennung der Lizenz genannt und Verlinkung auf diese.
Hilfreich bei der Nutzung von Wikipedia-Bildern ist derLizenzhinweisgenerator.

Eine zusätzlicher Link auf die Ursprungswebseite mit dem Werk sei nötig, wenn diese angegeben ist oder das Werk von dort übernommen wird, sagt Rechtsanwalt Till Jaeger, der den wissenschaftlichen Input beim Lizenzhinweisgenerator gegeben hat.

Im Fall des Fotografen Dennis S. kommt iRights aber zum Schluss:

«Er verlangt, dass Nutzer der Bilder stets auf die jeweilige Bildseite bei Flickr verlinken. Eine solche Pflicht der Nutzer dazu ist im konkreten Fall fraglich, zudem müsste eine solche Bedingung für Nutzer klar erkennbar sein. Ein Hinweis darauf findet sich nur auf einer Unterseite seines Flickr-Profils. Die zusätzliche Bedingung dürfte hier nach den Bestimmungen der gewählten Lizenzversion im Detail (CC BY-ND 2.0), aber auch nach AGB-Recht unwirksam sein.»

Wer abgemahnt wurde, sollte in jedem Fall einen Anwalt konsultieren, sagt Jaeger. Nicht alles was in den CC-Abmahnungen gefordert wird, sei auch berechtigt. Zum Teil stellten sich spezielle Fragen, z.B. ob der VSGE überhaupt „aktivlegitimiert“ sei, d.h. die Ansprüche überhaupt geltend machen könne.

Politisch liesse sich solchen Abmahnungen schnell ein Riegel vorschieben, sagt Volker Tripp vom Digitale Gesellschaft e.V.:

«Dazu muss das überholte Urheberrecht an die Anforderungen des digitalen Wandels angepasst werden. Insbesondere die erste Abmahnung wegen eines Verstosses durch Privatpersonen sollte für die Betroffenen kostenfrei sein. Anders wird es nicht gelingen, dieser rechtsmissbräuchlichen Abzocke die Grundlage zu entziehen.»

Markus Reuter / netzpolitik.org
netzpolitik.org

Dieser Artikel baut auf einer gemeinsamen Recherche von Markus Reuter, Ben Siegler und Christoph Langner auf. Letzterer wurde selbst abgemahnt von der Cider Connection und lieferte wichtige Fakten und Zusammenhänge für diesen Artikel. Solche Recherchen kosten viel Zeit und Geld, wir freuen uns wie immer über Spenden, die solche Stücke ermöglichen.

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 3.0) Lizenz.