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Kurze Kritik der Forderung nach Chancengleichheit

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Konkurrenz und Bildungssystem Kurze Kritik der Forderung nach Chancengleichheit

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Gesellschaft

Chancengleichheit heisst, dass Teilnehmer in einem Wettbewerb gleiche Ausgangsbedingungen haben. Wenn von Chancengleichheit die Rede ist, ist Wettbewerb also vorausgesetzt.

Zürich, Kantonsschule Enge und Freudenberg.
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Zürich, Kantonsschule Enge und Freudenberg. Foto: Juerg.hug (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

Datum 5. Mai 2022
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Wettbewerb heisst Konkurrenz, Konkurrenz heisst Gewinner und Verlierer. Chance bedeutet ja schon Möglichkeit etwas zu realisieren – im Gegensatz zu Sicherheit. Wenn für eine Reihe von Leuten durch vergleichsweises Antreten gegeneinander die Möglichkeit besteht, etwas zu bekommen oder zu erreichen, bedeutet das: ein Teil dieser Leute wird das nicht bekommen. Es werden auf jeden Fall welche leer ausgehen.

Das Fordern von Chancengleichheit, zum Beispiel von Gewerkschaften, passiert häufig im Bewusstsein, damit etwas gegen „Ungerechtigkeiten“ zu tun. Das bezieht sich vor allem auf das Bildungswesen und den Arbeitsmarkt. Ziel ist, dass Benachteiligte bessere Chancen für Aufstieg und Erfolg haben. Dazu sollen sie unterstützt bzw. Diskriminierungen eliminiert oder ausgeglichen werden.

Dabei mag es die Vorstellung geben, dass alle irgendwie gewinnen könnten. Das ist in einem selektiven Bildungswesen und einem kapitalistischen Arbeitsmarkt nicht möglich. Es steht bereits vorher fest, dass bestimmte Anteile von Leuten von Möglichkeiten zu Bildung ausgeschlossen werden; es steht auch fest, dass es Arbeit und damit Lohn höchstens für so viel Leute gibt, wie von Unternehmen je nach ihren Interessen nachgefragt werden. Wenn man im Sinne eines Ausgleichs oder einer Förderung für Chancengleichheit eintritt, heisst das daher: Verlierer*innen gibts weiterhin, aber das sollen die sein, die das Verlieren entsprechend der Massstäbe der jeweiligen Konkurrenz „wirklich verdienen“ – weil sie anhand dieser Massstäbe die Schlechteren sind. Gewinnen sollen nur die, die das umgekehrt „verdienen“.

Dazu kommt, dass mit dieser Forderung die jeweilige Konkurrenz mit dem, worum es da geht und wie sie funktioniert, abgesegnet wird. Für Schule heisst das: Kinder aus bildungsfernen Milieus sollen gefördert werden, damit sie gleiche Chancen auf höhere Abschlüsse haben. Was damit unter der Hand akzeptiert wird: Lernen funktioniert in der Schule über Wettbewerb und Selektion. Inhalte werden portioniert und als Lernziele vorausgesetzt. Sie müssen in einer bestimmten Zeit eingeprägt bzw. verstanden sein.

Ein solches Bildungssystem ist sinnvoll für eine Gesellschaft, in der es eine Berufshierarchie mit schlecht bezahlten, harten Jobs, bis zu wenigen Gut-bezahlten gibt und in der junge Menschen früher oder später nach Oben und Unten verteilt werden. Fürs Lernen und die Entwicklung von Menschen ist das schlecht. Leistungsdruck und Versagensängste gehören dazu. Dieses System wird vom Staat eingerichtet, der Interesse an der für die Ökonomie und das gesellschaftliche Leben notwendigen Sortierung des Nachwuchses hat.

Und beim Arbeitsmarkt: Unternehmen suchen Arbeitnehmer*innen entsprechend ihres gewinnträchtigen Kapitaleinsatzes und ihres Wachstums. Eingestellt wird, wer für die Gewinnrechnung taugt; entlassen wird, wenns daran hapert, auf Seiten der Arbeitnehmer*in oder auf Seiten des Unternehmens. Die Lohnabhängigen kommen in der Kalkulation der Unternehmen aber auch dann, wenn sie einen Job haben, schlecht weg. Sie sind abhängige Variable des Gewinnzwecks und werden Armut (bzw. die Gefahr von Armut) und Stress nicht los.

Das Eintreten für Chancengleichheit unterstützt diese sehr suboptimale Lage, in der sich die meisten befinden, auch wenn das dabei nicht bemerkt oder gewollt wird. Denn die Forderung nach Chancengleichheit heisst hier, dass „unsachgemässe“ Kriterien wie zum Beispiel Hautfarbe oder Geschlecht für die Anstellung irrelevant sein sollen. Was hingegen zählen soll, ist einzig die Fähigkeit, die Arbeitserfordernisse, die der Arbeitgeber gemäss seiner Gewinnrechnung definiert, zu erfüllen. Darin besteht der Wettbewerb um einen Arbeitsplatz im Wesentlichen, und darin soll er bei Leuten, die sich für Chancengleichheit einsetzen, einzig bestehen.

Was Schule und Arbeit angeht, sind also nicht nur die Verlierer*innen in einer sehr ungünstigen Stellung; auch die relativen „Gewinner*innen“ haben mit diesen System zu kämpfen und Pech drinzustecken.

Abschliessend: Diskriminierung z.B. aufgrund der Hautfarbe oder des Geschlechts ist mies, weil Menschen dadurch extra Härten in der Konkurrenz erleiden und Feindseligkeiten ausgesetzt sind. Deswegen ist es richtig sich gegen Abwertungen, Ausgrenzung und dergleichen Feindseligkeit zu wehren und tätig zu werden. Das geht allerdings, ohne sich das Ziel Chancengleichheit zu eigen zu machen und damit für eine „faire“ oder „gerechte“ Konkurrenzgesellschaft einzutreten. Kapitalismus mit dem entsprechenden Bildungssystem und Arbeitsmarkt ist grundsätzlich abschaffenswert.

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