Boise, Idaho
Um jede Strassenecke kommt mir ein Toyota Prius entgegen, es gibt hier viel mehr davon als in der Schweiz. Ich frage eine Bekannte von mir, die einen fährt nach dem Grund. Sie erklärt, dass für sie ein gesunder Lebensstil auch eine intakte Umwelt und eine ökologische Lebensweise beinhaltet. Und weil hier nun mal ohne Auto nichts läuft, hat sie sich für das Hybridmodell entschieden, welches am sparsamsten ist. Öffentlichen Verkehr gibt es hier kaum. Wer kein Auto besitzt, ist tatsächlich von der Aussenwelt abgeschnitten. Um wie bei uns das Fahrrad zu benutzen, sind die Distanzen zu gross. Ausserdem ist die Infrastruktur auf Autos ausgelegt. Es gibt Drive-Thru McDonald's, Drive-Thru-Bank, sogar Drive-Thru Starbuck's. Ich stelle mir vor, wie die Leute wohl schauen würden, wenn ich mit dem Fahrrad ankäme.Ich rede mit den Besuchern eines Rodeos. Die Farmer haben mit einer argen Wasserknappheit zu kämpfen. Dieses Jahr hat es seit dem Frühlingsbeginn kaum geregnet, die Heuernten sind extrem knapp ausgefallen. Einer erzählt mir, dass sein Feld, das normalerweise 960 Ballen Heu ergibt, dieses Jahr nur 126 Ballen abwarf. Die Situation ist überall dieselbe. Ob er denkt, dass das mit dem Klimawandel zu tun hat? Er überlegt einen Moment und findet dann, dass es schon immer Dürreperioden gegeben habe, aber dass sie in den letzten 10 Jahren häufiger auftraten als sonst. Ob das nun der Klimawandel sei oder nicht, könne er nicht beurteilen. Diese Antwort erhalte ich öfters. Die Leute sind alles andere als überzeugt von der Existenz des menschgemachten Klimawandel.
Die Amerikaner anerkennen mittlerweile zwar den Klimawandel, streiten sich aber immer noch darüber, ob der Mensch als Hauptverursacher überhaupt in Frage kommt. Damit wird zu viel Zeit verschenkt, die, zögen alle am gleichen Strang, sinnvoll genutzt werden könnte. Es gibt mittlerweile zwar mehr und mehr Politiker, die sich genau dafür aussprechen, aber bis die politischen Mühlen in Bewegung gebracht sind, braucht es noch Zeit.
Dillon, Montana
Ich befinde mich auf einer der grössten Cattle-Ranches dieser Gegend auf einer Hochebene, zweieinhalb Stunden von der nächsten Stadt entfernt, mitten im Nirgendwo. Ranch reiht sich hier an Ranch, das Hauptthema ist auch hier die Dürre. Der Ranchmanager, ein Schweizer, findet, es sei an der Zeit zu handeln, gleichgültig, was die Ursachen sind. So richtig überzeugt, dass wir Menschen der entscheidende Auslöser sind, ist er aber nicht.Die Folgen sind jedoch auch für ihn unübersehbar. In Feldern, auf denen vor 10 Jahren noch Heu geerntet werden konnte, wuchern heute trockenresistente Unkräuter. Er zeigt mir Orte auf demselben Heufeld, die er bewässern kann. Keine Unkräuter, nur bestes Gras wächst dort. Wäre es überall so feucht, wären die Unkräuter kein Problem mehr und es hätte noch Futter für mehr Vieh. Das Wasser wird aber nicht nur zur Bewässerung verwendet, sondern auch zum Tränken der Herden. Hier in der Region dreht sich deshalb alles um Wasserrechte.
Ein Nachbar dieser Ranch, beispielsweise, besitzt ein im Vergleich sehr kleines Grundstück und hat überhaupt keine Wasserrechte. Er ist auf den guten Willen seines Nachbars angewiesen, dass dieser ihm etwas Wasser abgibt. Das Wasser reicht knapp für seine Pferde, seine Weiden sind völlig von der Sonne verbrannt. Er ist der Meinung, dass die Dürre durchaus zu einem Umdenken in der Bevölkerung führen kann. Er würde selbst gerne mehr alternative Technologien einsetzen, leider fehle ihm dazu das Geld. Hier zeigt sich ein weiteres Problem. Viele Staaten fördern mittlerweile zwar alternative Energien und Effizienzanstrengungen, diese Programme sind in der Bevölkerung aber meist nicht bekannt und werden kaum genutzt.
Phoenix, Arizona
Ich befinde mich im Süden der USA in einer der grössten und am schnellsten wachsenden Städte mitten im Wüstengebiet. Was vor 100 Jahren noch reine Wüste war, ist mittlerweile ein Stadtgebiet halb so gross wie die Schweiz, mit mehreren Millionen Einwohnern. Auch hier steht das Wetter Kopf: Anstelle des üblichen, trocken-heissen Klimas (bis zu 50 Grad), regnet es beinahe jeden Tag für einige Minuten − das Ergebnis ist einem Dampfbad nicht unähnlich.Eine Geschäftsfrau aus der Gegend sieht das grösste Problem in der zukünftigen Wasserversorgung, wobei sie vor allem die Trinkwassersituation meint. Bereits jetzt ist das Leitungswasser aufgrund der Chlorifizierung ungeniessbar; in jedem Haushalt stehen grosse Trinkwassertanks. Wenn sich mit der Klimaveränderung die Wasserverhältnisse weiter verschlechtern, kann sie sich nicht vorstellen, woher das Wasser kommen soll. Sie glaubt zwar, dass die Leute den Klimawandel nicht mehr verdrängen, aber noch keine all zu grossen, direkten Folgen wahrnehmen können und deswegen weiterhin nichts unternehmen.
Nach bald zwei Monaten in den USA ergibt sich mir ein recht gleichmässiges Bild. Die Amerikaner sind inzwischen zwar, anders als noch vor drei Jahren, fast einheitlich der Meinung, dass sich das Klima wandelt. Was aber die genaue Ursachen sind und was man dagegen tun kann oder sollte, ist vielen unklar oder schlichtweg egal. Um die Leute zu motivieren, etwas zu unternehmen, braucht es mehr als eine Dürre, einen Waldbrand, braunen Rasen oder zu heisses Wetter. Was den Leuten hier nicht direkt ans Geld oder eigene Hab und Gut geht, zeigt kaum Wirkung. Aber seien wir ehrlich: Grossartig anders ist die Situation in der Schweiz oder Europa nicht. Andererseits: Die Geschichte hat gezeigt, wozu Amerika im Stande ist, wenn es einmal hinter einer Sache steht. Dies lässt hoffen, dass sich das Bewusstsein bald in einer Weise verändert, dass auch das aktive Handeln gegen den Klimawandel selbstverständlich wird.