1. Einleitende Hinweise oder über die Möglichkeit zum Irrtum
Voraussetzungslosigkeit gibt es selten: und wenn im Alltagsleben manches voraussetzungslos erscheinen mag, so trügt auch hier der Schein. Und jede Wissenschaft als Prozess "methodischer (d.h. systematischer und kritischer) Weise der Erkenntnissuche" überwindet einfaches Denken und dessen Grenzen durch "methodisches Arbeiten", trägt damit freilich immer auch "die Doppelmöglichkeit von Irrtum und Wahrheit" in sich: "Was Wissenschaft dem einfachen Denken voraus hat, ist die grössere Chance, kraft ihres besonderen, planvollen und kritischen Vorgehens zu wahren, d.h. erweislich zutreffenden Ergebnissen zu finden. Ohne die Möglichkeit zum Irrtum kein Anlass, ohne die Möglichkeit zur Wahrheit keine Aussicht von Wissenschaft."[1]So gesehen, steht Wissenschaft grundsätzlich im antagonistischen Gegensatz zu jedweder Ideologie und aller ideologischer Praxis; beispielweise im Rechtssystem, dessen Palmström'sche Deduktionslogik Christian Morgenstern so glossierte[2]:
Eingehüllt in feuchte Tücher
prüft er die Gesetzesbücher
und ist alsobald im klaren:
Wagen durften dort nicht fahren!
Und er kommt zu dem Ergebnis:
»Nur ein Traum war das Erlebnis.
Weil«, so schliesst er messerscharf,
»nicht sein kann, was nicht sein darf.«
Eine weitere allgemeine Voraussetzung sozialwissenschaftlicher Untersuchungen ist die Vorstellung von Gesellschaft als differenziertes und in sich widersprüchliches Gebilde mit verborgenen Bereichen, Teilsystemen und Organisationen einer hidden society[3].
Und was das spezielle Objekt und Untersuchungsfeld dieses kritischen Beitrags zur rechtlich institutionalisierten und nachhaltig organisierten Münchener Verwertungsgesellschaft Wort (VG WORT), ihres Wissenschaftsverständnisses und ihrer Berufsgruppe Wissenschaft betrifft, so sind aktuelle Beiträge ihrer sachkundigen Mitglieder Dr. Martin Vogel (München), dessen Kritik am Einfluss einer Verlegerlobby in der VG WORT und dessen erfolgreiches Engagement für viele "ganz überwiegend schlecht verdienende Urheber", sowie zuletzt Dr. A. G. von Olenhusen (Düsseldorf) zu 2004 bis 2011 "rechtswidrig" uns Urhebern vorenthaltene 226.211.397 Euro einschlägig.[4]
2. Ausgangspunkt mit Vorgeschichte
"Dr.habil. R. Albrecht * Mitglied 790455 seit 1983 * D.53902 Bad Münstereifel * 30. März 2019 Die ordentliche Mitgliederversammlung der VG WORT 2019 möge beschliessen: Dem antragstellenden Mitglied sowie der Wahrnehmungsberechtigten 790605, Dr.rer.soc. Wilma Ruth Albrecht, jeweils VG WORT Gruppe III: Wissenschaft, wird ein Einmalbetrag von 6.016,20 € für ihre bisher nicht anerkannten wissenschaftlichen Veröffentlichungen in den Zeitschriften Marxistische Blätter und FORUM WISSENSCHAFT bis spätestens 30.6.2019 gezahlt.Begründung
Beide Kultur- und Sozialwissenschaftler veröffentlich(t)en regelmässig in genannten Zeitschriften in den letzten 35 Jahren zahlreiche wissenschaftliche Texte (Aufsätze, Kommentare, Rezensionen). Die Anerkennung mit entsprechender Zahlung verweigert die VG WORT seit Jahren regelmässig. Zuletzt wurde als Antwort auf den letzten förmlichen Widerspruch des Antragstellers 2018 nach Prüfung von ihm vorgelegter Zeitschriftenexemplare der wissenschaftliche Charakter der linken Zeitschriften FORUM WISSENSCHAFT und Marxistische Blätter 2019 teilweise anerkannt.Unter Verweis auf eine wenn nicht eh schon beliebige, so doch jedenfalls abstrakte Definition von 1982, die sich zudem auf Fachzeitschriften bezieht, wurde in Anwendung der Palmströmlogik deren wissenschaftlicher Charakter bestritten und entsprechende Zahlungen erneut verweigert. Um angesichts des Alters der Betroffenen und/als von dieser ständigen VG Wort-Praxis Geschädigte langwierige Rechtsauseinandersetzungen zu vermeiden, wird im Sinne einer gütlich einvernehmlichen Regelung die Zahlung eines realistisch geschätzten angemessenen Einmalbetrags (der die VGW gewiss nicht in die Insolvenz triebe) einschliesslich sämtlicher Verlagsanteile in Gesamthöhe von 6.016,20 € beantragt. Richard Albrecht, Bad Münstereifel, 30. März 2019"
Aus Gründen wurde dieser Antrag in eigener Sache und zugleich in der einer langjährigen und geschätzten Autorenkollegin als Wahrnehmungsberechtigte[5] auf der VG Wort Mitgliederversammlung am Sonnabend, dem 25. Mai 2019, in München nicht behandelt. Tertium also: weder angenommen noch abgelehnt. Insofern ist und bleibt die Sache selbst nicht entschieden. Und damit offen.
Der hier vollständig zitierte Antrag[6] hat eine jahrzehntelange Vorgeschichte. Zu der besonders in den letzten Jahren der Versuch gehört, die Beiträge in beiden wissenschaftlichen und Fachzeitschriften entsprechend angemessen anerkannt, bewertet und honoriert zu erhalten. Und nicht abgeschoben zu werden in den so unterwertigen wie erbärmlich honorierten Bereich Presserepro der VG WORT, die als rechtsfähiger Verein kraft Verleihung treuhänderisch an Autor(inn)en und Publizist(inn)en als Urheber zu zahlende Tantiemen verwaltet.
Dies unternahmen Mitarbeiter(inn)en der VG WORT und speziell ihrer Gruppe III: Autoren/Übersetzer wissenschaftlicher und Fachliteratur, in ich seit 1983 (beitragszahlendes) Mitglied bin. Wobei in stereotypischer Weise beständig auf eine inzwischen auch auf der Netzseite der VG Wort öffentlich zugängliche Formel als Arbeitsgrundlage der Gruppe III verwiesen wurde: Diese lautet im sogenannten Volltext[7]:
Wissenschaftliche Zeitschriften, Fachzeitschriften, Special-Interest-Zeitschriften
Fach- und Sachzeitschriften sind monothematische Zeitschriften, die sich an eine nach fachlichen Kriterien abgrenzbare Zielgruppe wenden und der beruflichen Information dienen.Im Gegensatz hierzu sind Zeitschriften mit einem breiten Themenspektrum sowie Publikumszeitschriften im Bereich Presse zu melden. Bei der erstmaligen Meldung einer Zeitschrift behält sich die VG WORT vor, zwei verschiedene Hefte aus dem Meldejahr als Belegexemplare anzufordern, um die richtige Einordnung der Zeitschrift vornehmen zu können. Die Prüfung erfolgt anhand folgender Definition:
„Fachzeitschriften sind periodisch erscheinende Publikationen über wissenschaftliche, fachliche und andere spezielle Gebiete, die der beruflichen Information und Fortbildung eindeutig definierbarer, nach fachlichen Kriterien abgrenzbarer Zielgruppen dienen.“ (vgl. Frühschütz, Horizont Medienlexikon, Frankfurt, 2004).
Auch Special-Interest-Zeitschriften werden im Bereich Wissenschaft berücksichtigt, wenn sie monothematisch sind und sich an eine Zielgruppe mit einem gemeinsamen, fachlich bestimmten und eng eingegrenzten Interessengebiet richten. Beiträge in Fach- und Sachzeitschriften können zwei Jahre ab Erscheinen gemeldet werden, das Erscheinungsjahr eingeschlossen. Der Mindestumfang pro Beitrag beträgt 3.000 Zeichen inklusive Leerzeichen (entspricht zwei Normseiten à 1.500 Zeichen), kürzere Beiträge dürfen nicht zusammengefasst werden. Eigene Abbildungen, Illustrationen etc. können mit ihrem Umfang als Text angesetzt werden (maximal bis zum Umfang des Textes), hierbei gilt ein Mindestumfang von zwei Normseiten reinen Textes. Screenshots und Fremdabbildungen können nicht zum Text addiert werden.
Sind Fachzeitschriften in Lesezirkeln vertreten, wird diese Nutzung von der VG WORT automatisch berücksichtigt."
Die hier entscheidende Passage ist ein unbekwelltes Zitat eines nur nachnamig genannten Autors. Es bezieht sich auf Fachzeitschriften und soll lauten: „Fachzeitschriften sind periodisch erscheinende Publikationen über wissenschaftliche, fachliche und andere spezielle Gebiete, die der beruflichen Information und Fortbildung eindeutig definierbarer, nach fachlichen Kriterien abgrenzbarer Zielgruppen dienen.“ (vgl. Frühschütz, Horizont Medienlexikon, Frankfurt, 2004)."
Da seit Mitte der Zehnerjahre nicht mehr in der seit Ende 1963 erscheinenden, im Hauptteil jeweils thematisch strukturierten Zweimonatszeitschrift Marxistische Blätter als marxistisch orientierten Fachzeitschrift publiziert wurde, kamen in den letzten Jahren nur noch, jeweils mit angehängtem Meldezettel zum Presserepro, unsere zahlreichen Meldungen zu Veröffentlichungen in der heuer im 36. Jahrgang 2019 erscheinenden, vom Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi) herausgegebenen und Wissenschaftler(innen) als eindeutig bestimmbare Zielgruppe als Leserschaft ansprechenden Vierteljahreszeitschrift Forum Wissenschaft zurück.
Den letztendlich entscheidenden Anstoss zum zitierten Mitgliedsantrag an die Jahresversammlung der Wort 2019 gab ein zweiseitiges Antwortschreiben der Frau Dr. X.Y. im Auftrag des Vorstands der Abteilungsleitung Wissenschaft der VG WORT[8] an den Autor. Dort wurde am 6. Dezember 2018 zwar erneut der Antrag auf Anerkennung der Zeitschriften Marxistische Blätter und Forum Wissenschaft und unserer dort seit Jahrzehnten veröffentlichen zahlreichen Aufsätze, Rezensionen, Kommentare und Diskussionsbeiträge unter Verweis auf die zitierte "allgemein anerkannte Definition" von Frühschütz (2004) abgelehnt – jedoch nach "der von Ihnen übersendeten und von uns geprüften [zwei] Heften" festgestellt:
"Es handelt sich jeweils um Schwerpunkthefte mit Themen aus allen gesellschaftlichen Bereichen. Es wird eine Vielzahl von politischen, geschichtlichen, wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Themen behandelt. Diese Themen haben Relevanz und werden auch kompetent und reflektiert angegangen – sei es vom Standpunkt des Marxismus oder von gesellschaftspolitisch interessierten Wissenschaftlern aller Fachbereiche an Hochschulen."
Gleichwohl erhielten weder das Forum Wissenschaft noch die Marxistischen Blätter die Anerkennung des Status als Fachzeitschrift. So dass erneut "die Einstufung in die Abt[eilung] Presse aufrecht erhalten und empfohlen wurde, die Meldungen dort "abzugeben".
3. Finanzielles oder 272.282.437 € per annum
Im weitverbreiteten deutschsprachigen Netzlexikon wikipedia heisst es einleitend zur VG WORT[9]: "Die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) mit Sitz in München verwaltet die Tantiemen aus Zweitverwertungsrechten an Sprachwerken, auch von Funk und Fernsehen, in Deutschland; Berechtigte sind Autoren und Übersetzer von schöngeistigen und dramatischen, journalistischen und wissenschaftlichen Texten, welche der Urheber an die VG Wort mit einem Meldeformular oder über das Internet angemeldet hat. Die Verwertungsgesellschaft wurde im Februar 1958 auf Betreiben des damaligen Verbands deutscher Schriftsteller gegründet. [...] Die Verwertungsgesellschaft Wort ist ein Wirtschaftsverein, dem die Rechtsfähigkeit staatlich verliehen worden ist (§ 22 BGB, § 1 Abs. 4 UrhWG). Die Verwertungsgesellschaft Wort unterliegt dem Verwertungsgesellschaftengesetz und steht unter der Staatsaufsicht des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA)."Über diese allgemeinen Hinweise zur VG WORT hinaus sind die "Ausschüttungen" genannten Zahlungen von speziellem Interesse: zuletzt erhielten alle 254.868 Wahrnehmungsberechtigten (= N: davon WB-Autoren 246.080; WB-Verlage 8.788) im Sommer 2019 aus dem Vorjahr 2018 insgesamt 272.282.437 €uro erstattet. In der hier besonders interessierenden Gruppe III: Wissenschaft gingen an 98.910 wahrnehmungsberechtigte Autor(inn)en 59.617.165 €uro, etwa 603 € pro Jahr und Wahrnehmungsberechtigten.[10]
Die VG WORT nennt im Abschnitt Interna ihres letzten Geschäftsberichts (2018) mit Stand März 2019 insgesamt 921 Vereinsmitglieder (Autoren und Verlage).[11] Mehr zur inneren Gliederung war weder von der VG WORT noch aus dem letzten Prüfbericht zur VG WORT zu erfahren. Deshalb wurde die Presseabteilung der VG WORT um Auskunft gebeten und teilte am 21. Oktober 2019 diese Grunddaten zur Vereinmitgliedschaft mit[12]:
"Gruppe I: Autoren/Übersetzer belletristischer/dramatischer Werke 332 Mitglieder Gruppe II: Journalisten/Autoren/Übersetzer Sachliteratur 485 Mitglieder Gruppe III: Autoren/Übersetzer wissenschaftlicher und Fachliteratur 89 Mitglieder Gruppe IV: Verleger belletristischer Werke und von Sachliteratur 24 Mitglieder Gruppe V: Bühnenverleger17 Mitglieder Gruppe VI: Verleger von wissenschaftlichen Werken und Fachliteratur 29 Mitglieder."
Diese real news bedeuten: einmal gab es innert des letzten halben Jahres ein Mitgliederplus von 55, genauer: eine Steigerung von den im März 2019 im VG Wort-Geschäftsbericht 2018 mitgeteilten 921 auf 976 Vereinmitglieder im Oktober 2019; zum anderen waren von diesen 976 in drei Berufsgruppen organisierten Urheber (entspricht 93 Prozent) und 70 in den drei Verlagsberufsgruppen organisierte Verleger (entspricht 7 Prozent). Weitere Einzelheiten mag sich wer immer das kann und will selbsttätig erschliessen.
4. Rechercheergebnisse oder Frühschütz und die Folgen
Das Buch mit der von der VG WORT favorisierten Definition „Fachzeitschriften sind periodisch erscheinende Publikationen über wissenschaftliche, fachliche und andere spezielle Gebiete, die der beruflichen Information und Fortbildung eindeutig definierbarer, nach fachlichen Kriterien abgrenzbarer Zielgruppen dienen" gibt es tatsächlich[13]. Es ist in der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) mit dem vollständigen Autorennamen Jürgen Fröhlich bibliographisch verzeichet, kann heuer vom Verlag nicht mehr geliefert werden, ist freilich in einem Exemplar über den Zentralversand antiquarischer Bücher (zvab) bestellbar.[14]Von Jürgen Fröhlich führt die DNB drei weitere, ebenfalls im Frankfurter Deutschen Fachverlag Verlag erschienene Bücher auf, die jeweils vor dem hier interessierenden Medien-Lexikon erschienen: zur Dynamik des elektronischen Publizierens (1997), ein Lexikon der Medienökonomie (2000) und ein E-Commerce-Lexikon (2001). Den Autor selbst stellt die DNB ohne weitere Hinweise zur Vita als "Literaturwissenschafter, Medienökonom" vor.[15] Ein Hinweis auf den von Fröhlich im Medien-Lexikon verwandten Begriss cross-media findet sich in der Entscheidung des Bundespatentamts in einer Beschwerdessache vom 10. August 2016.[16]
Bevor 's en detail um Fröhlichs zehnzeilige Definition von Fachzeitschrift(en) gehen wird, sei –auch weil die VG WORT ohne jede Kontextualität und Historizität nur auf Fröhlich (2004) verweist – sowohl auf den beanspruchten Gebrauchswert als auch auf die einzige mir bekannte wissenschaftliche Rezension des Fröhlich-Lexikons[17] verwiesen:
Auf der letzten Buchseite heisst es unter der Überschrift Freischaltung Ihres Zugangs zum HORIZONT Medien-Lexikon unter anderem: "Die elektronische Version wird ständig aktualisiert und ergänzt die gedruckte Version", mitgeteilt wird dazu sowohl die Netzseite www.medien-lexikon.com wie auch dortiger Freischaltschlüssel M12fk8v5: "Hier geben Sie nach Aufforderung den Freischaltschlüssel ein. Ihren persönlichen Zugang erhalten Sie dann unmittelbar per E-Mail."
Leiderschade nur, dass sich bei dieser Recherche zeigte: es gab am 15., 16. 17. Juni 2019 keine Netzseite zum Medien-Lexikon am 14., 15, 16. Juni 2019 bei http://www.medien-lexikon.com/. Und auch zwei anderen Varianten, medienlexikon.com und medien-lexikon.de, waren nicht zielführend. So dass aus der an sich gute Idee einer online-Aktualisierung praktisch nichts wurde.
Hier die ausführliche sachkundige Buchvorstellung im sogenannten Volltext[18]:
"(vo) Lexikaprojekte zur Medienvielzahl haben zur Zeit Konjunktur, und das ist auch gut so. Denn im Berufsalltag gibt es immer wieder Momente, in denen der schnelle Griff in das Regal für Klarheit sorgen könnte. Könnte,denn mit guten Medienlexika wurde die Branche bisher nicht gerade überhäuft.
Das Horizont Medienlexikon verfolgt ein sehr kompaktes Konzept: 4.000 Stichworte auf 400 Seiten ergeben 10 Stichworte pro Seite. Zudem sind bei vielen Stichworten die englische und französische Bezeichnung dabei, Synonyme, Quasi-Synonyme, Antonyme und Verweise auf andere Stichwörter. Das System der Synonyme und Antonyme ist leider oft schief: Strassenverkäufer ein Synonym für Kolporteur? Abonnementzeitung ein Antonym von Kaufzeitung? Vier bis acht Zeilen pro Stichwort müssen also zumeist reichen, nur in seltenen Ausnahmen, z.B. "Zeitung" ist es mehr als eine Doppelseite. Lange Stichwörter bedeutet: historischer Schnellabriss, beim Beispiel Zeitung auf fünf Spalten. Der erste Wurf dieses Medienlexikons überzeugt noch nicht. Zu viele Verweise zwingen zum hin und her Blättern, was bei der codegeschützten Online-Version unter www.medien-lexikon.de vielleicht ein lustiges Herumklicken auslöst, in der Buchfassung aber nervt. Zumal sich diverse Stichworte gegenseitig als Referenz nutzen, andere Verweise ganz unverständlich bleiben - so verweist "Medientheorie" auf "Medienpraxis". Statt dieser Verweisbatterien wünscht man sich eher zur Vertiefung prägnante Literaturhinweise, die durchgängig fehlen.
Die zwangsläufig sehr rudimentäre Stichwortgruppe der Zeitschriftennamen empfindet der Rezensent als überflüssig. Beispiel: "Stern (begr. 1965)(sic!), Markenname einer Wochenillustrierten aus dem -> Gruner+Jahr Verlag." Ähnlich ergeht es einem mit den Personennamen. Warum wird hier "Prinz, Günther Joachim (geb. 1929), bedeutender deutscher Journalist (u.a. Bild-Zeitung)" geführt, nicht aber Rudolf Augstein? Unter den Medientheoretikern finden sich lediglich die modischen Philosophen (McLuhan, Postmann etc.) versammelt. Alle wirklich wichtigen Wissenschaftler wie Lazarsfeld, Maletzke oder Luhmann fehlen hingegen.
Die Stichworte sollten in der nächsten Auflage noch gründlich auf ihre Relevanz und Stringenz durchgekämmt werden. Während sich "Themenverlag" oder "Antwortrufnummer" finden, sucht man "Gratispresse" vergeblich. Und dann finden sich in der ersten Durchsicht auch inhaltliche Fehler: "Remissionsquote" umsatzbezogen statt absatzbezogen; "verkaufte Auflage" als Auflagenteil, der zum vollen Abonnements- bzw. Einzelverkaufspreis abgegeben wird, doch auch der sonstige Verkauf zählt natürlich zur Verkaufsauflage. Es bleibt dem Verlag noch viel zu tun, bis sich dieses Lexikon unter die Standardwerke zählen darf. presseforschung.de Rezensionen zu Neuerscheinungen 2002 - 2010"
Diese ausführliche Fachrezension stellt systematische und wissensgeschichtliche Zusammenhänge her und wirft vor allem eine hier nicht zu berantwortende Frage zu Frühlichs 2004 erschienem Buch auf: die nach der Selektion, genauer: Warum verweisen die VG-WORT-Verantwortlichen auf dieses Medien-Lexikon[19] mit dieser Definition von Fachzeitschrift?
Was diese Definition Fröhlich (2004) betrifft – das Wort Wissenschaft kommt nicht vor. Von Wissenschaft ist im Zusammenhng mit Fachzeitschriften keine Rede. Folglich kann diese Definition von Fachzeitschrift auch in keiner Weise bedeutsam sein für Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Zeitschriften. Die es im zitierten Volltext der von VG Wort favorisierten Definition gar nicht gibt. Mit anderen Worten: die Definition VG-Wort-Gewährsmanns Fröhlich kennt in seinem Medienlexikon definitorisch Wissenschaft als Explanandum[20] und damit das zu Erklärende überhaupt nicht ... so dass auch hier für alles Weitere gilt: "Eine - an sich mögliche und sinnvolle - kritische Überprüfung lohnt in der Regel nicht, wenn die Begründungsweise erkennen lässt, dass nicht ehrlich argumentiert wird."[21]
Das meint auch, dass auch alle wissensmethod(olog)isch weiterführenden Hinweise zu herkömmliche Definitionsverfahren – etwa definitio per genus proximum et differentiam specificam zur Herausarbeitung von Besonderem, hier wissenschaftlicher Autor(inn)en, wissenschaftlicher Publizististik und wissenschaftlicher Zeitschriften – als intellektuelle Anstrengungen hyperliqide, überflüssig, zuviel des Guten sind. Die vermeintlich praktisch nützliche Metapher wissenschaftliche und Fachzeitschriften mit der Urheberverbindung und Bezeichnung der Fachgruppe III: Autoren und Übersetzer wissenschaftlicher und Fachliteratur produziert einen effektiven Bumerang gegen Wissenschaft, Wissenschaftler(inn)en, wissenschaftliche Publizistik und wissenschaftliche Zeitschriften, die sie als solche weder kennen, wahrnehmen, honorieren und fördern kann. Die fehlende definitorische Arbeit am Begriff (G.W.F. Hegel) machte's möglich ...
Das VG WORTliche Ergebnis in Sachen Wissenschaft soll hier nicht ausführlich kommentiert werden – etwa mit Brechts zugespitzer Formulierung ("Gehen Sie hinaus aus meinem Haus!"[22]) oder mit einer eigenen, an Hegels Phänomenologie des Geistes angelehnten Empfehlung des Kultuellen Bruchs durch selbstbewusst handelnde Wissenschaftler(innen)[23]. Damit soll hier offen bleiben, ob die dokumentierte beharrliche Weigerung massgeblicher der VG WORT-Funktionäre Ausdruck pathologischer Stupidität oder rechter malevolent hostility (Kenneth Boulding)[24] - deutsch etwa grösstmögliche Schädigung des Gegners - gegen kundige und engagierte linke Sozialwissenschaftler und Autoren als Protagonisen öffentlicher Wissenschaft oder zeitgenössicher ganzdeutscher politischer Korrektheit (oder von was auch immer sein mag). Gleichwohl hier soviel: als nachhaltig finanziell Geschädigtem tritt mir ein auch von der VG WORT militant vertretenes politideologische Syndrom entgegen als etwas, das ich muttersprachlich öffentlich als Hirnschriss[25] bezeichnet/e und das ein bedeutender Dramatiker vatersprachlich so kennzeichnete: „Though this be madness, yet there is method in't“[26]
Sollte ich dieses Syndrom fachwissenschaftlich bearbeiten und den geschäftsführenden Vorstand der VG Wort sowie das Verwaltungsrat genannte Sixpack der Gruppe III: Wissenschaft in den Blick nehmen, ginge ich von der herrschaftlichen Strategie der "sozialen Schliessung" (Max Weber)[27] aus und formulierte eine Handlungsoption zur zeitnah entpfründeten Freisetzung.
5. Ausblick oder über den Umgang mit dem Irrtum
Wie defizitär auch immer der bisherige Definitionsversuch von Wissenschaft der VG WORT im Allgemeinen und ihrer Gruppe III: Wissenschaft bisher gewesen sein mag – der intellektuelle Drops ist immer noch nicht fertig gelutscht: Am 13 Mai 2019 wurde von der Rechtsabteilung des Vereins kraft Verleihung ein zweiseitigen Brief von Frau YX gefertigt. Dort heisst es im besten Bürokratenjus unter anderem:"Die Geschäftsführung der VG WORT unterstützt die Auffassung der Abteilung Wissenschaft der VG WORT, dass Veröffentlichungen in den Zeitschriften Marxistische Blätter und FORUM WISSENSCHAFT durch die Abteilung Presse der VG WORT zu vergüten sind. Die diesbezüglichen Erläüterungen von Frau Dr. Y.X. vom 6. Detember 2018 waren insofern vollumfänglich zutreffend. Die Satzung der VG WORT sieht aber für Beschwerden gegen Einzelfallentscheidungen der Verwaltung oder der Geschäftsleitung eine Befassung der Komission Wissenschaft der VG WORT mit der jeweiligen Thematik vor. Die nächste Sitzung der Kommission Wissenschaft der VG WORT findet am 28. November 2019 statt. Wir können Ihnen daher anbieten, Ihr Anliegen der Kommission in diesem Termin zur Beurteilung vorzulegen, damit diese unabhängig nochmals darüber entscheidet."[28]
Für die Kommission Wissenschaft der VG WORT und ihrer "Befassung" Ende November 2019 soll an den zur Mitgliederversammlung Ende Mai 2019 vorlegten und begründeten Antrag zur Güte erinnert werden:
"Beide Kultur- und Sozialwissenschaftler veröffentlich(t)en regelmässig in genannten Zeitschriften in den letzten 35 Jahren zahlreiche wissenschaftliche Texte (Aufsätze, Kommentare, Rezensionen). Die Anerkennung mit entsprechender Zahlung verweigert die VG WORT seit Jahren regelmässig. Zuletzt wurde als Antwort auf den letzten förmlichen Widerspruch des Antragstellers 2018 nach Prüfung von ihm vorgelegter Zeitschriftenexemplare der wissenschaftliche Charakter der linken Zeitschriften FORUM WISSENSCHAFT und Marxistische Blätter 2019 teilweise anerkannt. Unter Verweis auf eine wenn nicht eh schon beliebige, so doch jedenfalls abstrakte Definition von 1982, die sich zudem auf Fachzeitschriften bezieht, wurde in Anwendung der Palmströmlogik deren wissenschaftlicher Charakter bestritten und entsprechende Zahlungen erneut verweigert. Um angesichts des Alters der Betroffenen und/als von dieser ständigen VG Wort-Praxis Geschädigte langwierige Rechtsauseinandersetzungen zu vermeiden, wird im Sinne einer gütlich einvernehmlichen Regelung die Zahlung eines realistisch geschätzten angemessenen Einmalbetrags (der die VGW gewiss nicht in die Insolvenz triebe) einschliesslich sämtlicher Verlagsanteile in Gesamthöhe von 6.016,20 € beantragt."
Zur Frage des wissenschaftlichen Irrtums kann abschliessend auf einen wissenschaftsgeschichtlich relevanten Vorgang verwiesen werden, den der gelehrte Rechtswissenschaftler Dr. Meinhard Heinze (der als designierender Rektor der Universität Bonn kurz vor Amtsantritt im Sommer 2003 sechzigjährig verstarb[29]) erkannte und auch moralisch souverän löste: Meinhard Heinze veröffentlichte Anfang der 1980er Jahre einen vielbeachteten Leitaufsatz über Goethe als Juristen und scheute sich nicht, in seinem zweiten thematischen Aufsatz, Ende der 1990er Jahre veröffentlicht, einleitend auf seinen Fehler im ersten Beitrag korrigierend aufmerksam zu machen [30] – wodurch der Autor zeigte, dass ein (diesem Altmeister zugeschriebener) volkstümlicher Merkspruch als Juristenschelte auf ihn nicht zutreffen konnte:
Juristen wissen sich zu rühren
Die alles breit in's Schlechte führen.
Sie finden alles da und hie
So dumm und so absurd sind sie.