Die staatliche Gesundheitspolitik ist unsolidarisch, kapitalistisch und autoritär!
Es gilt zu realisieren, dass die Massnahmen, die es gibt, nicht als gnädiger staatlicher Gesundheitsschutz angesehen werden können, sondern Ausdruck eines autoritären Staates sind, der eine Krisensituation zur Autoritarisierung ausnutzt. Der Staat ist nicht am Schutz unserer Gesundheit interessiert. Das äussert sich u.a. durch die aktuelle Untätigkeit im bewusst zerstörten Gesundheitswesen, durch die Verkürzung des Genesenstatus, die Nicht-Gültigkeit von Antikörpertests oder das Unterlassen jeglicher Massnahmen zur Verbesserung der Raumluft. Die Krisenpolitik ist eine schwer einsehbare und alles andere als übersichtliche Politik.Von Masken-Deals bis zum Aussetzen kostenloser Schnelltests wirkten die staatlichen Massnahmen weder beruhigend, noch folgten sie einem nachvollziehbaren, rationalen Plan. Das Gesundheitswesen ist staatlich geduldet und offensichtlich gewollt nicht auf Gesundheitsfürsorge und die Bedürfnisse der Menschen ausgerichtet, sondern auf Umsatzgewinne. Es wurden in der Pandemie über 5000 Intensivbetten meist aufgrund von Personalmangel abgebaut. Kontakbeschränkungen sind nicht primär für die Verhinderung von Fällen geeignet, sondern für die Verschiebung dieser bzw. zur Verhinderung von Kapazitätsüberlastungen („flatten the curve“). Eine staatlich verordnete Impflicht widerspricht unseren Vorstellungen von einer selbstbestimmten Gegenwart und autonomen Entscheidungen über das eigene Leben und der Gesundheit.
Nur weil eine Impfung einen persönlichen Schutz bieten kann, bedeutet das nicht, dass dieser Schutz die Motivation von Politiker*innen ist. Anzunehmen, dass die systemisch bedingten profitorientierten Unternehmen in Kooperation mit dem Staat nichts anderes als unser gesundheitliches Wohlbefinden im Fokus haben, ist schlichtweg naiv.
Autoritarisierung als Gefahr
Mit Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 beobachteten wir, wie die Autoritarisierung, Überwachung und digitale Kontrolle sehr vieler Lebensbereiche eine Beschleunigung erfuhren. Wir mussten mitansehen, wie Staat und Gesellschaft durch Lockdowns, nächtliche und tägliche Ausgangssperren, 3G, 2G, 2G-Plus-Regelungen, Registrierungsapps, Tracing-Apps, Impfausweisapps und Pflichten zur Datenherausgabe und Nachweisen gegenüber Behörden/Polizei immer weiter ins offen autoritäre glitten. Wir sehen seither, dass sich digitale und analoge Kontrollmethoden weiter im Alltag verfestigen.Wir bekamen mit, wie der Datenschutz und die Privatsphäre der Menschen von weiten Teilen der Politik zum Feindbild erklärt wurden. Wir hörten, wie der Überwachungskapitalismus „Lösungen“ versprach, deren Beiträge zur Pandemiebekämpfung bestenfalls fragwürdig schienen aber die zu noch mehr Kontrolle und Überwachung beigetragen hätten.Wir erlebten, wie technische Infrastrukturen und gesetzliche Grundlagen zur Kontrolle und Überwachung von Staat und Privatunternehmen vorangebracht wurden, die unter anderen Umständen vermutlich auf grössere Widersprüche und Widerstände gestossen wären, nun aber in der Krise weitgehende gesellschaftliche Akzeptanz fanden. Wir fühlten uns dabei immer wieder an Naomi Kleins Werk zur Schockstrategie erinnert. Mit den Plänen zur Einführung der Corona-Warn-App sahen wir dabei schon sehr früh, wie unter anderem der deutsche Staat versuchte, eine ursprünglich zentralisierte Tracking-App zu erschaffen. Diese hätte z.B. einen sozialen Graphen der gesamten Bevölkerung erschaffen können. Immerhin führte das im Frühjahr 2020 noch zu Widerständen in Teilen der Öffentlichkeit, darunter von nicht wenigen Linken und linksradikalen Gruppen. Die Einführung von digitalen Test- und Impfausweisen, die seitdem ständig in Kombination mit Identitätsdokumenten kontrolliert und abgescannt werden und zum Einlass- und Ausschlusskriterium wurden, führte kaum ein Jahr später zu weitaus weniger Widerspruch in der Gesellschaft.
Wenig überraschend war dann, dass Polizeibehörden auf die Datentröge der Luca-App zugriffen. Und zwar unabhängig davon, ob ihnen das gesetzlich erlaubt war oder nicht. Denn wenn Daten einmal gesammelt worden sind und irgendwo zur Verfügung stehen, wird auch von allen möglichen Seiten irgendwann darauf zugegriffen. Forderungen nach gesetzlichen Erlaubnissen lassen dabei meist nicht lange auf sich warten. Und selbst wenn einige der digitalen Kontroll- und Überwachungswerkzeuge wie die Luca-App doch wieder verschwinden, so könnte die Gewöhnung an Kontrollen und „freiwilligen Zwang“ zur Nutzung von ähnlichen Werkzeugen lange überdauern.
Auch an die Impfkampagnen und Debatten um Impfpflichten waren und sind weitergehende Kontrollvorhaben geknüpft, die wir ablehnen. Impfungen als hilfreich und empfehlenswert zu sehen, steht auch nicht im Widerspruch zur Ablehnung von Pflichten und direkten oder indirekten Impfzwängen. Dass Akteur*innen des Überwachungskapitalismus wie die Konzerne um „ID2020″, die Bundesdruckerei, der Rüstungskonzern Thales oder IBM über Impfkampagnen und Impfpässe digitale Identitäten, Zertifikate und biometrische Verifizierungs- und Überwachungsprodukte ausrollen wollen, zählt zu den gut belegbaren, von den jeweiligen Seiten sogar offen kommunizierten Fakten. Dass dystopische Vorhaben, wie solche errichtet werden, nicht als Dystopie sondern im besten „Tech-Solutionismus“-Sprech als Hilfe mit den bestmöglichsten Absichten beworben werden, überrascht uns nicht, denn so funktioniert (Überwachungs-)Kapitalismus nun mal.
Auch staatlicherseits war die Impfkampagne früh mit weitergehenden Kontrollvorhaben verbunden. So sollten mit dem Gesetz und Vorschlägen zur Impfpflicht auch polizeiliche Kontrollen von Gesundheits- und Identifizierungsdaten eingeführt werden. Eine indirekte Mitführungspflicht des Personalausweises drohte ebenfalls. Mehr noch steht die Erstellung eines Impfregisters nach wie vor im Raum das zu einem zentralen Gesundheitsregister werden könnte. Diesen „bestmöglichen Absichten“ des Staates vertrauen wir nicht.
Die zunehmende Verschmelzung von Staaten und Konzernen und die Digitalisierung verändern die Realitäten von Arbeit und Alltag, die Rollen von Staat, Gesellschaft und vom Individuum. Wir sollten Begriffe wie „Fortschritt“ kritischer hinterfragen und uns nicht mit vermeintlichen „Alternativlosigkeiten“ abfinden. Wir brauchen eine kritische, differenzierende Auseinandersetzung mit dem Begriff der Verschwörungstheorie. Und als Mindestanspruch müssen wir gegen digitalen und zunehmend offen autoritär auftretenden Kapitalismus auftreten, welcher in seiner jetzigen Form übergriffiger und unmenschlicher wird. Kämpfen wir für den Erhalt von Freiräumen!
Nachhaltiger Gesundheitsschutz
Da der Staat offensichtlich nicht an dem Schutz unserer Gesundheit interessiert ist, müssen wir uns fragen, wie wir einen solidarischen Gesundheitsschutz schaffen wollen bzw. welche Forderungen effektiv wären. Wissenschaftlicher Konsens ist es, dass Corona nicht verschwinden wird, und wo Kontaktbeschränkungen nur verschieben können, brauchen wir weiterhin nachhaltigen und solidarischen Gesundheitsschutz. Dass seit den 2000ern jährlich Krankenhausbetten abgebaut und Krankenhäuser geschlossen werden, sowie die Tatsache, dass Menschen im Gesundheitssektor unterbezahlt und unter schlechten Arbeitsbedingungen zur Profitrendite einzelner Grossverdiener*innen arbeiten müssen, ist Ausdruck der Neoliberalisierung des Gesundheitssektors und hauptsächlich für die Überlastung von Intensivstationen verantwortlich.Nachhaltiger Gesundheitsschutz würde bedeuten, Interventionen gegen die Kapitalisierung des Gesundheitssystems in den Mittelpunkt zu stellen, ebenso die damit verbundenen Kämpfe des Gesundheitspersonal um bessere Arbeitsbedingungen und mehr Lohn. Zugleich muss sichergestellt werden, dass Menschen, für die Corona eine Gefahr darstellt, sich unabhängig von Einkommen, Klasse oder Herkunft schützen können. Neben kostenlosen PCR-Tests und Masken gehört dazu auch ein jährliches Impfangebot im August/September. Auch ein Bewusstsein für die Übertragungswege von Coronaviren über Aerosole sowie die damit verbundene Verbesserung der Raumluft fehlen. Indien und Südafrika haben den sogenannten „Trips Waiver“ Antrag gestellt, in dem die Aussetzung der geistigen Eigentumsrechte auf Covid-19-Technologien für den Zeitraum der Pandemie gefordert wird. Seit über einem Jahr stimmt Deutschland diesem Antrag nicht zu und verhindert somit eine Verteilung des Impfstoffes weltweit. Wir sollten die Konzerne in die Mangel nehmen und konsequent eine Aufhebung der Impfpatente fordern.
Unteilbare Solidarität
Solidarität darf nicht nur selektiv die von Coronaviren gefährdeten Menschen einschliessen, sondern genauso auch von Massnahmen Betroffene. Die Massnahmen haben sowohl psychische Krankheiten ausgelöst oder befördert als auch Armut verstärkt und Existenzen zerstört. Generell ist die Corona-Politik eine zutiefst unsoziale Politik, durch die gesellschaftliche Ungleichheiten massiv verschärft werden: In den letzten zwei Jahren hat das globale Arm-Reich-Gefälle drastisch zugenommen. Von einer internationalen „Krise der Frauen“ ist zudem die Rede – in ökonomischer ebenso wie in gesundheitlicher Hinsicht, wobei der Anstieg genderbasierter Gewalt ebenfalls eine Rolle spielt.Besonders in Deutschland wurden die Rechte von Kindern und Jugendlichen stark beschnitten, Schüler*innen und Student*innen aus weniger privilegierten Milieus im Bildungssystem weiter abgehängt, während Menschen in Alten- und Pflegeheimen seit fast zwei Jahren sozial isoliert leben – und sterben! – müssen. Inflation und stark erhöhte Strompreise treffen nun vor allem diejenigen, die über wenige finanzielle Ressourcen verfügen. Kontinuierlich schreitet die Aushöhlung von Arbeitnehmer*innenrechten voran, indem etwa Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall vom Corona-Impfstatus abhängig gemacht werden. Grundsätzlich zeigt sich: Je marginalisierter Menschen sind, desto heftiger treffen sie die „Massnahmen“. So wurden im Zuge der Lockdowns ganze Wohnblocks abgeriegelt, in denen Menschen in prekären Verhältnissen leben, Geflüchtete auf „Quarantäneschiffen“ festgehalten oder in den Sammelunterkünften weiter segregiert.
Die später geltenden 2G/3G-Regeln begünstigten Racial Profiling und bedeuteten eine zusätzliche Bedrohung für Menschen ohne Ausweispapiere. Zuletzt hatten zahlreiche Obdachlose und Geflüchtete kurzfristig sogar ihren Impfstatus verloren. Diese Massnahmen und ihre Folgen sind als unsolidarisch abzulehnen und zu hinterfragen. Eine echte solidarische Position muss sich von Lockdowns und 2G/3G-Regelungen verabschieden und richtigen Gesundheitsschutz fordern. Solidarität ist unteilbar!
In welcher Gesellschaft wollen wir leben
Die vielen kleinen und grösseren Massnahmen, Gesetze, Vorschriften, Lizenzen, Identitätsnachweise und Formulare, schrittweise eingeführt mit den Verweis auf ihre Rationalität, formen ein immer straffer werdendes Gehäuse der Hörigkeit. Mit jeder neuen Regel, jeder neuen Verordnung und jeder Beschneidung der individuellen Handlungsfreiheit verliert der Mensch ein Stück seiner Menschlichkeit. In der Corona-Pandemie haben die Zertifizierung, die Kontrollen und das Misstrauen gegenüber den Menschen zugenommen. Überall wird man kontrolliert, kategorisiert und durchnummeriert, muss sich ausweisen und beweisen. An jeder Strassenecke und in jeder Institution des öffentlichen Lebens werden Menschen gezwungen zu kontrollieren, sich kontrollieren zu lassen, dabei ihre Daten offenzulegen, und wenn eine*r (z.B. kein Pass) sich nicht einfügt, wird er*sie ausgeschlossen. Wer anders sein will, nonkonform, oder die Autorität in Frage stellt, gilt als unangepasst und als Aussenseiter.Es braucht ein System, welches von unten nach oben organisiert ist, von den Rändern zum Zentrum hin. Ein System freier Menschen, die freiwillig zusammenkommen, um ihre Probleme zu lösen. Ein System, in dem sich jeder Mensch frei entfalten und solidarisch mit seinen Mitmenschen leben kann. Die Corona-Politik hat genau das Gegenteil vermittelt und normalisiert. Die Träume von Dezentralisierung und Selbstverwaltung, von Mutualismus, von einer Geselschaft ohne Monopole, offenen Grenzen und der Auflösung des Arbeitnehmer-Monopols rücken durch die Corona-Politik in immer weitere Ferne. In einer idealen Gesellschaft sind Konsens und Freiwilligkeit, sowie das Recht am eigenen Körper, unverzichtbar.
Umgang mit Massnahmenkritik/Querdenken
Die „massnahmenkritische Bewegung“ besteht zum grössten Teil aus einem (klein-)bürgerlich-unpolitischen Milleu. Dieses Milleu kann man als Massnahmenverlierer*innen bezeichnen. Von Rechtsextremen gibt und gab es taktische Überlegungen, die Bewegung zu übernehmen, um eigene Propaganda zu verbreiten und die Menschen zu radikalisieren. Dabei inszenieren sie sich ganz bewusst als Nicht-Nazis.Gegendemonstrationen bzw. das Abwerten der Bewegung mit politischen Kampfbegriffen wie „Coronaleugner*innen“ (wohl kaum eine*r leugnet Corona) oder Ableismus sind absolut nicht dazu geeignet, diesem Phänomen zu begegnen. Gegendemonstrationen sind letztlich nicht nur staatstragend und verteidigen die absolut desaströse Politik, sie setzen auch nicht an der Wurzel des Problems, sondern nur an den Symptomen an. Es gab und gibt so viele Änderungen und moralische Erwartungen an das „Solidarisch“-Sein, da ist es nicht verwunderlich, dass Menschen dies hinterfragen. Die jahrzehntelange kapitalistische Gesundheitspolitik gegen ärmere Schichten hat dazu beigetragen, dass jene Schichten oft dem Gesundheitssystem nicht mehr vertrauen.
Eine Kooperation mit der Querdenken-Bewegung aus der Hoffnung heraus, man könne – wie in Frankreich – die Bewegung von links übernehmen und das revolutionäre Potential nutzen, ist derweil nicht nur absolut illegitim, da man so mit knallharten Faschos, neuen Rechten gemeinsam demonstrieren müsste. Sie wäre auch absolut ineffektiv, weil die Bewegung schon so mit Faschos durchsetzt ist, dass wir einfach zu wenige wären. Im Gegenteil, den Faschos würde es am meisten schaden, eine staatskritische linke Position in die Öffentlichkeit zu tragen und die bürgerlichen und linken Massnahmenkritiker*innen von ihnen weg zu ziehen.
Was es zu tun gibt
Wir stellen uns gegen:– unsolidarische, aufschiebende Massnahmen zu Lasten von Armen und Marginalisierten
– Überwachung, Kontroll- und Auschlussmechanismen durch digitale Zertifikate und ähnliche Instrumente – die symbolische, autoritäre Impfpflicht
– Verschwörungstheorien
– Autoritarisierung des kapitalistischen Staates
Wir sind für:
– eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Löhne für Gesundheitspersonal
– ein auf Gesundheit ausgelegtes Gesundheitssystem und die Freigabe von Impfstoffpatenten
– kostenlose Schutzmöglichkeiten für jede*n und Verbesserung der Lufthygiene
– unteilbare Solidarität sowohl mit jenen, die von Corona betroffen sind, als auch mit Massnahmenverlierer*innen
– eine konsequent antiautoritäre, staatsablehnende Haltung