Es ist kein Zufall, dass ausgerichtet das Autodesign diesen krisenbedingten Veränderungen einen ästhetischen Ausdruck verleiht, wie ausgerechnet die Frankfurter Allgemeine Zeitung in dem Artikel „Das Leben, vom Tode her gedacht“ treffend ausführte. In der Autobranche werde wie nirgendwo sonst „so viel Geld in psychologische Kriegsführung durch Formen gesteckt, nirgendwo arbeiten so viele Marktforscher, Psychologen und Designer daran, die kleinsten Verschiebungen im psychosozialen Gefüge rechtzeitig zu erkennen, keine Branche versucht mit einem solchen Aufwand, ein Produkt, das nicht notwendigerweise alle drei Jahre ausgetauscht werden muss, an den Mann zu bringen“.
Die Ästhetik eines Wagens soll somit die inneren Antriebsmomente eines potenziellen Käufers ansprechen, deren er sich zumeist noch gar nicht bewusst ist. Dieses Design zielt bereits auf das kulturell sedimentierte Vorbewusste oder Unbewusste der Konsumenten ab. Aufgrund des Konkurrenzdrucks in der Branche sei Autodesign ein „sensibler Indikator für gesellschaftliche Veränderungen“.
Als die Autos den „bösen Blick“ bekamen
Es gebe zwei „Formengenres“, die das Autodesign derzeit prägten, erläuterte FAZ-Autor Niklas Maak: „Nostalgie und Hysterie“. Zum einen flieht die Fahrzeugästhetik in die Vergangenheit, in die nostalgisch verklärte Ära des Wirtschaftsbooms der 50er und der 60er Jahre, die sich in einer regelrechten Retro-Welle äussert. Hierbei werden nicht nur ältere Modelle wiederbelebt, auch einzelne ästhetische Merkmale älterer Fahrzeuge finden wieder Verwendung in neueren Modellen. Hieran wird die reaktionäre Sehnsucht nach einer „guten alten Zeit“ offenbar, die es so nie gegeben hat, und in der anscheinend die Widersprüche und die derzeitigen gesellschaftlichen Auflösungserscheinungen nicht gegeben waren.Die gesellschaftliche Tendenz zur Hysterisierung – also die sich der Gesellschaft bemächtigende Panik – findet ihren Ausdruck in den Frontpartien der aktuellen Fahrzeugmodelle, die laut Maak „angstverzerrte, von Panik ergriffene Fratzen, weit offen stehende, schreiende Kühlermünder, Scheinwerfer in Form leuchtender Zornesfalten, vergitterte Metallrachen“ darstellten. Die Fahrzeugformen drücken bereits in einer ostentativ nach aussen gerichteten Sicherheitsästhetik die „Vorbereitungen auf einen Aufprall“ aus. In dieser in Formen gegossenen Panik kommt die unbewusste und öffentlich unter dem Bannfluch des Unsagbaren stehende Ahnung aus, dass es so nicht weitergehen kann, dass die Gesellschaft an ihre Entwicklungsgrenzen stösst und wir alle einen heftigen Aufprall erleben werden.
Letztendlich übernehme das Autodesign die Optik des „klassischen Militärgeräts“, so Maak. Das neue Auto weise ein „mit Leucht- und Chromzähnen bewehrtes Kühlermaul“ auf, zu „Schiessscharten“ verengte Fenster, die in der „Blechburg“ nur noch das „lebensnotwendige Mass an Überblick“ liefern und Scheinwerfer, die „böse schauen“ müssen, damit das Fahrzeug sich gut verkaufe. Solche Fahrzeuge signalisierten, dass der öffentliche Raum als ein Ort wahrgenommen werde „an dem es ums Fressen und Gefressenwerden geht“. Dieses Design bringe eine Tendenz zur Abschottung von der Aussenwelt zum Ausdruck. Der Autor irrt hingegen, wenn er die Ursachen dieses ästhetischen Wandels in einem „nur psychologisch erklärbaren Symptom“ verorten will. Die menschliche Psyche kann sich ja nur in Wechselwirkung mit ihrer Umgebung entwickeln.
Die neuen Karossen strahlen vielmehr die zunehmende Aggressivität und Härte des Arbeitsalltags derjenigen Lohnabhängigen aus, die sie sich noch leisten können. Die an Intensität gewinnende Krisenkonkurrenz der abschmelzenden Mittelschicht, die ihre Durchsetzungsfähigkeit im beruflichen Rattenrennen schon in der Autoästhetik als eine Art Warnung an die Umwelt artikuliert wissen will, führt zu der Brutalisierung des Autodesigns.
Die an Brutalität gewinnende Marktkonkurrenz, bei der ein rechtlich reglementierter Krieg „Aller gegen Alle“ vonstattengeht, findet somit ihren Niederschlag in der „militärischen Optik“, die Maak konstatiert. Das hysterisch gesteigerte Sicherheitsbedürfnis, das etwa die Inhaber von SUVs befriedigt sehen wollen, resultiert aus der Prekarität ihres Arbeitsalltags. Wenn schon das Arbeitsleben von der Angst dominiert wird, in der Krisenkonkurrenz unter die Räder zu geraten und in die beständig wachsende Unterschicht abzurutschen, dann soll wenigstens das Äussere des zum Panzer mutierenden Autos etwas Sicherheit vorgaukeln.
Die Wiederkehr des Immergleichen
Die in immer kürzeren Abständen über uns hereinbrechenden Retro-Wellen sind selbstverständlich nicht nur auf die Fahrzeugästhetik begrenzt. Inzwischen sind so ziemlich alle Sparten der Kulturindustrie vom Retrovirus befallen, der fast alle Jahrzehnte bereits verwurstet hat. In Musik, Film, Mode, Computerspielen oder massenmedialen Spektakeln wurden die Ergüsse der 70er, 60er oder 50er immer wieder neu aufgewärmt und in einer modernisierten Form erneut auf den Markt geworfen.Schier unüberschaubar ist beispielsweise die Flut von mittelmässigen Neuauflagen älterer Filmklassiker, die in die Kinos drängt. Das „Retro-Gaming“ bildet längst eine etablierte Sparte innerhalb der Spielindustrie dar, der eigens Sonderausstellungen gewidmet werden. Der Trend zum Retro-Design hat sich somit längst ausdifferenziert und verstetigt, sodass statt der früheren Wellen, die bestimmte vergangene Epochen Revue passieren liessen, nun einzelne Produkte oder Produktgruppen Designmerkmale früherer Epochen aufweisen.
Dabei werden diese Trends zur Retro-Welle und zum Retrodesign nicht nur von nostalgischen oder infantilen Impulsen in der zusehends krisenmüden Bevölkerung getragen, die so die Illusion einer heilen kapitalistischen Welt auf die Vergangenheit projiziert oder die sorgenlosen Jugendjahre bei ein paar alten Filmen oder Computerspielen kurzfristig aufleben lässt. Der Rückgriff auf die kulturellen Eigenheiten und die Ästhetik der vergangenen Jahrzehnte resultiert aus der Erschöpfung des kulturindustriellen Potenzials des Kapitalismus, die sich parallel zu seiner Systemkrise entfaltet.
Schon immer bestand die Grundbewegung der Kulturindustrie in der ewigen „Wiederkehr des Immergleichen“, in der tausendfachen Spieglung der Oberfläche der Realität durch die Massenmedien, die in immer neue Formen gekleidet wurde. Die Kulturindustrie gleicht somit einer sich unaufhörlich um ihre eigene Achse drehenden Medienmaschinerie, die immer neuen ästhetischen „Treibstoff“ für die unentwegte Wiederholung ihres öden Mantras braucht, das allen Widerstand, jegliches Geschichtsbewusstsein, jeglichen Gedanken an eine Alternative zum Kapitalismus längst abgetötet hat: „Es ist, wie es ist.“
Die unaufhörliche, in tausendfacher Variation vollzogene Wiederspiegelung der Oberfläche der Realität in den Erzeugnissen der Kulturindustrie lässt den Unterschied zwischen dem Wesen und der Erscheinung gesellschaftlicher Phänomene und Entwicklungen verschwinden. Das Publikum des Kulturbetriebs ist einem Prozess einer „umgekehrten Psychoanalyse“ (Leo Löwenthal) ausgesetzt, bei dem Widerstände und Abwehrreflexe gegen das Denken von Alternativen zur gegenwärtigen Gesellschaftsunordnung aufgerichtet werden. Die Oberfläche wird zum Wesen des Systems imaginiert.
In diesem ideologischen Prozess werden die äusseren, öffentlich wahrnehmbaren Phänomene zu deren Ursachen halluziniert. Es findet in der Öffentlichkeit keine Unterscheidung zwischen gesellschaftlichen Prozessen und den Ursachen statt, die zu diesen Entwicklungen geführt haben. Das massenmediale Dauerbombardement der Kulturindustrie lässt folglich einen falschen Realitätssinn aufkommen, der sich darin erschöpft, den gegebenen Zustand der Welt als einen naturgegebenen „Sachzwang“ dazustellen, an den es sich anzupassen gilt.
Die Lage sei nun mal so, wie sie ist, wir müssten uns an diese Sachzwänge anpassen, so lautet die immergleiche Apologie selbst der grösseren Kahlschlagprogramme, die etwa derzeit in Europa durchgepeitscht werden. Diese Ideologie verkennt aber völlig, dass die Gesellschaft kein statischer Naturzustand, sondern Menschenwerk ist, auch wenn der Prozess gesellschaftlicher Produktion sich im Kapitalismus unbewusst „hinter dem Rücken der Produzenten“ (Marx) abspielt.
Der Treibstoff verwertbarer Formen geht dem Kultursystem somit aus, weil alles instrumentalisiert wurde, was an Material und Möglichkeiten gegeben war, um uns immer wieder einzuimpfen, dass es nun mal so ist, wie es ist: Die Darstellungen der Vergangenheit und vor allem der Zukunft (Science Fiction) – sie spiegeln unter der kostümhaften Oberfläche in ihrer deprimierenden Ödnis nur noch die Gegenwart wieder. Insbesondere die Science Fiction hat längst aufgehört, ein Medium zu sein, in dem Möglichkeiten gedacht werden.
Alle Kulturregungen, Subkulturen und auch Formen der Ästhetik von Widerstand (von der geballten Arbeiterfaust, die nun im Supermarkt auf Sonderangebote aufmerksam macht, bis zum Punkrock) wurden im immerwährenden Hunger der Kulturindustrie nach neuen Ausdrucksformen von dieser vereinnahmt, verschlugen und ihres Sinns entkleidet, zum blossen Moderequisite degradiert, um die Oberfläche der Realität in tausendfachen Variationen zu spiegeln. Das System hat keine Zukunft, es kann folglich keine Zukunftsästhetik mehr entwickeln. Deshalb muss die Kulturindustrie auch ästhetisch in immer kürzeren Intervallen ihre eigene kapitalistische Vergangenheit verwerten.
Diese Eroberung aller kulturellen Räume durch die Kulturindustrie hat übrigens auch den Tod der Subkultur herbeigeführt, die längst nicht mehr die Nische darstellt, in der radikale Kritik formuliert und Alternativen gedacht werden können. Seit geraumer Zeit sind Trendjäger schon dabei, die neusten Trends abzugrasen und der kulturindustriellen Verwertung zuzuführen. Dieser Nähe zwischen Subkultur und Kulturindustrie ist in den diversen „Szenen“ längst spürbar und beeinflusst deren Kulturproduktion entsprechend. Viele aufkommende Künstler und Szenemitglieder tragen einer eventuellen Verwertbarkeit ihrer kreativen Erzeugnisse deshalb – wenn auch zumeist unbewusst – schon Rechnung. Das subkulturell Neue, das nun ebenfalls die Wiederkehr des Immergleichen markiert, ist nicht mehr gefährlich, wie es spätestens seit dem Aufkommen von Techno klar sein müsste. Die Subkultur gilt heutzutage als die erste Stufe auf der Karriereleiter künftiger Stars des Kulturbetriebs.
Apocalypse Now
Die Kulturindustrie wird nichts Neues mehr amöbengleich verschlingen können, weswegen das Alte in immer kürzeren Abständen wiedergekaut werden muss. Doch finden innerhalb der sattsam bekannten Gattungen der Kulturproduktion krisenbedingte Verschiebungen statt, bei denen die Apokalyptik, die zuvor eine untergeordnete Rolle spielte, zum dominanten Faktor avanciert. Das apokalyptische Denken ist längst im kulturellen Mainstream angekommen. Es äussert sich in einer Vielzahl von Produkten der Kulturindustrie, die der Welt, wie wir sie kennen, auf vielfältigste Art und weise ein imaginiertes Ende setzen.Diese Faszination für den Zusammenbruch kommt vor allem beim Film zum Ausdruck. Das gegenwärtige Kino wird etwa von einer regelrechten „Welle apokalyptischer Filme“ überschwemmt, die mit Emmerichs Weltuntergangsepos an Breite gewann und bei der die „Erde andauernd und immer wieder“ untergeht. Hierzu können allein in den letzten Monaten die Filme Melancholia, Contagion, 4:44 – Last Day on Earth oder der US-Streifen Take Shelter gezählt werden. Noch stärker ist die Apokalyptik in den Computerspielen, der jüngsten Branche der Kulturindustrie, ausgeprägt. Hier ist das postapokalyptische Setting nahezu ein Standard, der schon erste Abnutzungserscheinungen aufweist.
Viele der erfolgreichsten Spiele – wie etwa die Fallout Serie – entfalten eine bösartige, postapokalyptische oder dystopische Welt, durch die der Spieler sich unter Missachtung elementarster menschlicher Regungen hindurchmetzeln muss. Im Spiel „I am alive“ muss der Spieler sich durch eine verwüstete Metropole kämpfen – in Konkurrenz zu allen anderen Überlebenden, die schon wegen einer Flasche Wasser ins digitale Jenseits befördert werden. Ein ähnliches Setting bietet auch der Titel „The last of Us“, der von Naughty Dog entwicklt wird.
Vielleicht bilden gerade diese postapokalyptisch geprägten Computerspiele, in denen in monotoner Wiederholung immer wieder das „Überleben des Stärkeren“ geübt wird, inzwischen den wichtigsten Faktor, der das Krisenbewusstsein der Bevölkerung prägt. Die Computerspielindustrie erreicht inzwischen mehr Menschen als Hollywood. Und wir sollten nie vergessen, was eigentlich ein Spiel ist: Es ist letztendlich das Training von Fertigkeiten, die in der Realität zur Anwendung gelangen sollen.
Die Fixierung der Computerspielbranche auf Konkurrenz, Überlebenskampf und Metzelorgien spiegelt den Spielern auch nur die besagte Oberfläche einer gesellschaftlichen Realität wieder, die in den Zentren des kapitalistischen Systems von zunehmenden Konkurrenzkämpfen geprägt ist, während in der Peripherie längst die Gemetzel ablaufen, die wir auf Bildschirmen schon mal probespielen können. Die Kids in der „Ersten Welt“ spielen somit die Metzelorgien nach, die von ihren Altersgenossen in den hoffnungslosen Milizen der „Dritten Welt“ oder des arabischen Raums bereits praktiziert werden.
Diese in der Kulturproduktion allgegenwärtige Besessenheit mit der Apokalypse, mit dem Ende der Welt, spiegelt somit die tatsächliche Systemkrise wieder, in der sich das kapitalistische Weltsystem befindet. Der Kapitalismus stösst aufgrund des im inhärenten Verwertungs- und Wachstumszwangs an innere und äussere Schranken. Wir stehen tatsächlich in einer „Phase des Übergangs von unserem existierenden Weltsystem, der kapitalistischen Wirtschaft, zu einem anderen System oder anderen Systemen“, wie es etwa der US-amerikanische Soziologe und Weltsystemtheoretiker Immanuel Wallerstein trocken und korrekt formulierte. Es steht ein weltgeschichtlicher Systemwechsel an, der in einer stürmischen Übergangsphase von statten gehen wird.
Doch da das System als solches in der veröffentlichten Meinung nicht Infrage gestellt werden kann, bricht sich diese aufkommende Einsicht Bahn in den Imaginationen der Kulturindustrie. Diese dumpfe Ahnung, dass der Kapitalismus an seine Entwicklungsgrenzen stösst, schwitzt die Kulturindustrie im Überbau des Systems somit verzerrt in Tausenden von apokalyptischen „Unterhaltungsprodukten“ aus.
Dabei ist es gerade der totale ideologische Sieg des Kapitalismus, der seine Systemkrise nun in Form einer alles verschlingenden Apokalypse widerspiegeln lässt. Inzwischen sind aufgrund des dargelegten Trommelfeuers der Kulturindustrie die Kategorien, Strukturen, Subjektformen und Vermittlungsebenen des kapitalistischen Systems im Massenbewusstsein zu einer Art unabänderlicher menschlicher Natur geronnen.
Der totale Sieg der kapitalistischen Kulturproduktion findet im geschichtlichen Augenblick der totalen Krise des Kapitalismus statt. Diese absurde herrschende Ideologie hat das bestehende System – das sich erst seit circa zwei Jahrhunderten in den europäischen Kernländern voll durchsetzte – zu einer ewigen, natürlichen Existenzvoraussetzung der Menschheit erklärt. Ein Leben jenseits von Markt, Staat, Geld und Konkurrenz scheint inzwischen vielen Menschen undenkbar, obwohl der überwiegende Teil der menschlichen Geschichte sich jenseits dieser Vergesellschaftungsformen abspielte.
Mit der Krise des Kapitals scheint somit die Natur aus den Fugen zu geraten, und die Welt an ihr Ende zu gelangen – den verblendeten Menschen scheint es so, als ob die ewigen „Naturgesetze“ des Kapitalismus ausser Kraft gesetzt würden und sich gegen die Menschheit verschwören. Deswegen sind es in vielen kulturindustriellen Produkten auch Naturphänomene, deren Wirken den Weltuntergang auslöst (Meteore, Seuchen, ect.). Die Krise des zur menschlichen Natur halluzinierten Kapitalismus wird in der modernen Apokalyptik zur Krise der Natur schlechthin. Nach dem Kapitalismus kann laut herrschender Ideologie – die in immer neuen Machwerken den Weltuntergang regelrecht zelebriert – nur noch das Nichts kommen.
Endstation Panik
Wenn doch das Undenkbare einzutreten droht und die Systemkrise des Kapitalismus sich immer stärker abzeichnet, gehen vor allem dessen verstockteste Apologeten in den offenen Panikmodus über. Der Kapitalismus wird als das einzig mögliche Gesellschaftssystem verteidigt, bis plötzlich auch dessen treuste Anhänger anfangen Vorräte zu horten, sich zu bewaffnen und das Eigenheim in einen Bunker zu verwandeln. Ein schönes Beispiel für die krisenbedingte Flucht in die nackte Panik, in die Tendenz zur Kappung jeglicher gesellschaftlichen Bindungen (die im Kapitalismus ohnehin nur rein negativ vermittels des Marktes hergestellt werden), lieferte die konservativ-rechtspopulistische Tageszeitung „Die Welt“ aus dem Springer-Verlag während einer Zuspitzung der Eurokrise Ende 2011.Die Welt, deren Autoren für gewöhnlich zu den borniertesten Verteidigern des kapitalistischen Systems gehören, liess auf dem damaligen Höhepunkt der Eurokrise Tipps zur postapokalyptischen Krisenvorsorge unter die Leserschaft streuen. In dem Beitrag liess das Springerblatt alle Optionen durchdeklinieren, die im Falle eines katastrophischen Zusammenbruchs der Eurozone seinen Lesern zur Verfügung stünden: von dem Handel mit einer „Zigarettenwährung“ über das beliebte „Einbunkern“ bis zu der obligatorischen Frage der Bewaffnung.
Dies ist ein für die kapitalistische Ideologie typischer Bruch: Es findet eine permanente Negation von Alternativen statt, bis plötzlich auf den drohenden Zusammenbruch mit offenem und militanten Kulturpessimismus, mit der Selbstbewaffung und der Bejahung des Krieges „Aller gegen Alle“ reagiert wird. Das kapitalistische Glaubenssystem schlägt dann in Panik und Amok um.