These: Ein Personalpronomen…
...macht schon lange eine eindrucksvolle Karriere: „Wir“ müssen etwas tun, damit die deutsche Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig ist. Müssen wir mehr arbeiten? Wir müssen den Pflegenotstand und den Fachkräftemangel bewältigen. Wir sind heute früh in einer anderen Welt aufgewacht, müssen deshalb kriegstüchtig werden, unsere Freiheit gegen die Russen und unsere Interessen sogar im Indopazifik verteidigen.Antithese: Wer stiftet hier eigentlich ein solches Kollektiv und wozu?
Mein Vermieter beansprucht monatlich Miete, früher „Mietzins“ genannt. Da mir die Parkbank auf Dauer zu zugig ist, werde ich ihm diesen Zins entrichten müssen. Meine Firma spendiert mir monatlich ein „Entgelt“, so sauber berechnet, dass ich am Monats-ersten wieder blank dastehe. Meine Arbeit muss sich schliesslich für die lohnen, sonst kann ich sie gar nicht tun! Beim Discounter staut sichs hinten, wo wir alle begleichen dürfen bar oder Karte, sonst sind wir nämlich Diebe.Im Ernst: Von all dem schönen Zeug, das eine ziemlich grosse Wir-Fraktion (bekannt als „Arbeiter und Angestellte“) in Fabriken und Büros für die andere Fraktion (bekannt als „Investoren“, früher „Unternehmer“) hergestellt hat, dürfen wir als „Konsumenten“ (noch eine Fraktion) einen (eher bescheidenen) Teil zurückkaufen?
Noch schöner und brandaktuell: Ich darf mich jetzt „kriegstüchtig“ machen lassen und womöglich mit meinem Leben für die „Sicherheit“ dieses grossartigen Kollektivs bezahlen.
Synthese: „Wir“ sind das Volk, ob wir wollen oder nicht
Dazu werden wir nämlich gemacht von einer Gewalt, die ganz „monopol“ bestimmt, wen sie genau mit diesem Ehrentitel auf ihrem Claim beansprucht, seltener danach fragt, ob die oder der es sein will und Unerwünschte eben remigriert. Im Normalfall, um möglichst viel Volk zur nationalen Reichtumsvermehrung zu benutzen und im Ernstfall, um einen anderen Souverän, der exakt dasselbe mit seinen Leutchen tut, in seine Schranken zu weisen. So werden Leute, nur weil sie dieselben Lieder singen oder bevorzugt Schnitzel mit Pommes essen, zu einem „Volk“, zu einem Kollektiv, in dem die wenigen Einen über alles Wesentliche verfügen, die meisten Anderen sich für die Vermehrung des Eigentums der wenigen ins Zeug legen und den Staat dadurch stark und souverän machen und am Ende auch noch „verteidigen“ dürfen…Was bedeutet das?
„Wir sind ein Volk“ ist schon allein deshalb eher dämlich, weil niemand sich diese Daseinsform selbst ausgesucht hat.Angesichts der stattlichen Gegensätze, die die Volksgenossen eben nicht vereinen, sondern stattdessen in Konkurrenz zu einander setzen, ist es ausnehmend blöd, darüber hinwegzusehen und so zu tun, als ob wir alle liebe Brüder wären. Die gibt's in der Kirche.
Was passiert wohl, wenn qua Gesetz und damit Gewalt die ausschliessliche Verfügung über sämtliche lebensnotwendigen Ressourcen in Händen weniger Musterbürger liegt? Nennt man „Privateigentum“.
Genau: Der Rest der Menschheit darf seine Chancen am Arbeitsmarkt suchen und für die Vermehrung des Eigentums der Musterbürger schaffen gehen.
So wird aus diesem merkwürdigen Personalpronomen „Wir“ eine – für die Musterbürger - sehr produktive Abstraktion, für die anderen eine kräftezehrende bis ruinöse, die nicht erst im Falle der Kriegstüchtigkeit ihre fatale Seite zeigt.
Sowas schafft und garantiert ein Souverän qua Gesetz und … gehörig Gewalt. Wem der inflationäre Gebrauch von „Wir“ und „Unser“ komisch vorkommt, der sollte diesen Sachverhalt nicht nur grammatisch genau unter die Lupe nehmen.