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Christentum und Fundamentalismus: Teil 1: Das Kreuz mit dem Kreuz - nicht nur auf dem Gipfel

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Teil 1: Das Kreuz mit dem Kreuz - nicht nur auf dem Gipfel Christentum und Fundamentalismus

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Gesellschaft

Nicht nur in Klassenzimmern, Gerichtssälen und Amtsstuben hängen Kreuze, selbst auf den höchsten Gipfeln befinden sich Kreuze, nicht selten sogar mit einer Darstellung des Jesus am Kreuz.

Das Gipfelkreuz auf dem Grossen Weitschartenkopf auf der Reiter Alm in den Berchtesgadener Alpen.
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Das Gipfelkreuz auf dem Grossen Weitschartenkopf auf der Reiter Alm in den Berchtesgadener Alpen. Foto: Jörg Braukmann (CC BY-SA 4.0 cropped)

Datum 18. Juni 2020
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Im Folgenden soll nun untersucht werden, was wir also in unterschiedlichsten Situationen vor uns haben, welche kulturellen Ideen und Zusammenhänge hier transportiert werden und abschliessend natürlich die Frage - gewissermassen als Hausaufgabe für jeden Einzelnen: Wollen wir das überhaupt? - Am besten auch noch mit Begründung.

"Das Foto mit dem Gipfelkreuz sei "mittlerweile einfach in der DNA der Bergsteiger drin", sagt Thomas Bucher, Sprecher des Deutschen Alpenvereins: "Das Kreuz als Symbol gehört für die meisten zum Gipfel dazu, wie die Kirche zum oberbayrischen Ort." (1) Das mag wohl sein. Aber ist es deswegen verkehrt mal darüber nachzudenken, was sich da in unsere DNA eingehaust hat. Eine Kenntnislücke - so viel sei vorausgeschickt -ist kein gutes Argument dafür, eine solche zu feiern.

In der Ausgabe 10/2019 bewirbt der Kölner Alpenverein merkwürdigerweise völlig kritiklos eine Ausstellung künstlerischer Schwarz-Weiss-Fotografien von Gipfelkreuzen des Künstlers Ludwig Wattleler. Diese wurden dort im Rahmen der 80. Kunstbegegnung Bensberg in der Thomas-Morus-Akademie in Bensberg im Herbst 2019 präsentiert.

In dem Ankündigungstext heisst es: "Wenn nach langer anstrengender Wanderung der Gipfel mit dem Gipfelkreuz sichtbar wird, geht jedem Wanderer das Herz auf". Und: "In besonderer Weise sind hier für ihn in der Horizontalen und der Vertikalen Himmel und Erde, Gott und die Menschen miteinander verbunden." (2)

Das Gipfelkreuz mit Jesus am Kreuz ist eine Fotografie eines Gipfelkreuzes des genannten Künstlers. Kann man bei einem schlichten Kreuz vielleicht noch die christliche Symbolik übersehen oder übersehen wollen, so gibt es zahlreiche Gipfelkreuze, bei denen das nicht möglich ist. Jesus am Kreuz, die ausladenden Madonnen Darstellungen in Südtirol und im Trentino belegen das. Mein Herz geht da alles andere als auf, vielmehr muss ich feststellen, dass mein Naturgenuss die Erhabenheit der Berge und der umliegenden Natur - für die christliche Ideologie - funktionalisiert werden soll. Und damit kann und will ich nicht einverstanden sein.

Der Extrembergsteiger Reinhold Messner dazu: Man solle die Berge, die doch der ganzen Menschheit gehören, nicht "zu religiösen Zwecken möblieren." (3) Schön gesagt.

Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Handke hält dagegen: "Gipfelkreuze seien ein Hinweis, dass die Schönheit und Erhabenheit der Bergwelt einen Ursprung hätten, "der in Gott dem Schöpfer liegt". (4)

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick ergänzt. Er kritisiert eine '"Unkultur der Gleichgültigkeit und Nachlässigkeit". (5) Dass Gipfelkreuze nach Ansicht einiger von den Bergen verschwinden sollten, sei ein Beispiel dafür.

Lieber Herr Schick, wenigstens in diesem Punkt, der von ihnen aufgehörnten "Unkultur der Gleichgültigkeit und der Nachlässigkeit" sind wir uns einig. Ich verspreche, dass ich mich in den folgenden unteren Zeilen, der Symbolik des christlichen Kreuzes widmen werde. Diesen Vorwurf möchte ich ungern auf mir/uns sitzen lassen. Hoffentlich rücken sie am Ende meiner kleinen Disputation zum Thema nicht von ihrer Klage über Gleichgültigkeit ab. Man darf gespannt sein.

Ein Zwischengedanke und -einwand: Warum übersehen wir eigentlich das Christliche am Kreuz und betonen mehr Gipfel als Kreuz, im Sinne von, da steht eben einfach was, was symbolisiert, dass wir oben angekommen sind? Aber: "wir können, wir müssen keine religiöse Botschaft im Gipfelkreuz erkennen ... Es liegt an uns ihre Bedeutung für uns persönlich zu interpretieren." (6) Ich möchte mal wissen oder besser nicht, welchen Aufruhr es geben würde, wenn 1860 München oder die in der Nähe befindlichen Wanderclubs ihr Vereinsemblem dort platzieren würden.

Warum? Dazu müssen wir uns einmal klar machen, was das Kreuz in der christlichen Ideologie bedeutet. So viel sei schon einmal verraten, mehr als, toll Wanderer oder Bergsteiger, dass du es bis hierhin geschafft hast, ist es in jedem Fall. Also, das Kreuz und seine Bedeutung in der christlichen Symbolik:

"Die Christen glauben, dass die Kreuzigung an einem Kreuz stattfand; demnach symbolisiert das Kreuz die Verbindung bzw. den Bund zwischen dem Irdischen (waagerechte Achse des Kreuzes) und dem Himmlischen oder Göttlichen (senkrechte Achse des Kreuzes). Das Kreuz symbolisiert somit zum einen den Opfertod Jesu Christi, zum anderen die Verbundenheit des Menschen mit der Erde und den Mitmenschen (waagerechte Achse des Kreuzes) sowie mit dem Göttlichen (senkrechte Achse des Kreuzes).

Durch die Auflehnung und Rebellion gegen Gott (Sünde) ist die ursprüngliche Verbindung zwischen Mensch und Gott zerrissen oder der Bund gebrochen. Die dadurch entstandene Kluft zwischen dem sündigem Menschen und Gott ist nur durch das Eingreifen Gottes selbst zu überbrücken. Der Mensch ist von sich aus nicht in der Lage, den Bund wiederherzustellen und so die Sünde zu beseitigen. Diese Sünde musste gesühnt werden, damit der Mensch gerecht vor Gott sein kann. Durch seinen Tod am Kreuz, ..., hat Jesus Christus die Verbindung zwischen Gott und Mensch wiederhergestellt. Als Sohn Gottes starb er für die „gottlosen Sünder“ (Röm 5,6 EU) und bewirkte damit die Versöhnung zwischen Gott und Mensch. Damit ist der Weg zu Gott frei..." (Wikipedia, Das Kreuz) (7)

Böse wie wir Menschen sind, haben wir uns gegen Gott aufgelehnt. Na, vielleicht haben wir ja unsere Gründe gehabt, weshalb wurde sich denn aufgelehnt, aber vorher ist schon gesetzt, dass wir böse sind und das seit 2000 Jahren. Also mal schön verurteilen, verurteilen ist immer gut. Da ist die Verurteilung zu lebenslänglich in der Regel mit 18 Jahren eine milde Strafe. Es ist nicht bekannt, dass ein Richter um auf 2000 Jahre zu kommen, die Nachfahren des Täters für die nächsten 1982 Jahre mit verdonnert hat. Hier aber schon. Umgekehrt geht es weiter. Nur Gott kann kitten. So, so, warum denn das. Aber egal, überbrücken kann der Mensch nicht, aber dass gesühnt werden muss, ist angeblich klar.

Warum soll das klar sein, ich behaupte das Gegenteil. Zu allem Überfluss muss jetzt auch noch der Sohn geopfert werden, er starb für die gottlosen Sünder. So ein fürchterliches Rache- und Gewaltszenario, dass sich jeder humanen Logik entzieht, darf ich nun bewusst oder unbewusst bei meinen schönen Bergtouren auf dem Gipfel wahrnehmen oder verdrängen und zwar zwangsweise. Das geht zu weit. Und das sollten wir auch kennzeichnen. Diese Wahrheiten sich klarzumachen, gilt ja schon als Gotteslästerung, spätestens wenn man damit in die Öffentlichkeit rückt. Ich empfehle den oben genannten Akteuren mal die Teilnahme an einem Seminar zur "Gewaltfreien Kommunikation" (GFK). Wo kommen wir denn hin, wenn jede „finstere Ideologie“ sich im öffentlichen Raum breitmacht und ihre absonderlichen vorsintflutlichen Rache-Konfliktlösungsmodelle zur Schau stellen kann.

Jesus am Kreuz kann man auch als kinder- und jugendgefährdende Gewaltphantasie und Gewaltdarstellung bewerten. Mit dem Gedanken der Sünde ist ein prinzipielles Schuldverhängnisszenario über jeden Einzelnen von uns übergestülpt worden, aus dem man nie mehr herauskommt, an dem man sich aber permanent reuig abarbeiten darf, soll und muss.

Wie total eine solche Ideologie zu Werke geht, kann man daran ermessen, dass nicht nur eine Kirche in einem bzw. jedem oberbayrischen Ortschaften steht, wie der Sprecher des Alpenvereins (DAV) so scheinbar einfach berichtend sich einbringt, sondern überall. Damit aber nicht genug.

Die Überlegung war offenbar, was machen wir mit denen, die den Berg dem Kirchgang vorziehen. Ganz einfach! Die bekommen ein Kreuz vor die Nase gesetzt, und zwar da oben, auf dem Gipfel, wo sie glauben den zivilisatorischen Einflüssen entkommen zu sein. Mal angedacht, wie wäre es denn, wenn wir auf die Gipfel etwas Bildhauerisches setzen, in Zuständigkeit der jeweiligen Talgemeinde, damit kein Wildwuchs entsteht. Das könnten zum Beispiel Tierdarstellungen sein, in Ehrfurcht und Bewunderung vor der so schönen und wundersamen Tierwelt: Vielleicht auch etwas Abstraktes, je nach Fähigkeiten und Interessen der jeweilig Verantwortlichen.

Aber Jesus am Kreuz? Nein, danke. Ich würde mich auch gegen eine Szene wehren, wie der ungläubige Montezuma mit der Garotte auf dem Marktplatz von Cusco hingerichtet wird, der ja einer von diesen Sündern war, die Gottes Liebe und ausgestreckte Hand nicht annehmen wollte und sich dabei auf seinen schon vorhandenen Glauben berufen hat. Auch die Darstellung einer brennenden Dame auf dem Scheiterhaufen, von den christlichen Foltermeistern Hexe genannt, würde ich ablehnen. Wie wäre es mit einer Bonifatius Darstellung, überlebensgross, in der einen Hand die Streitaxt, mit der er 732 n.Chr. die Donareiche, einem eminent bedeutenden germanischen Symbol, umgehauen hat, in der anderen Hand ausgestreckt, en miniature ein christliches Kirchlein, welches an der Stelle der Donareiche errichtet wurde.

Diese gewaltige, skulpturartige Figur ist übrigens nicht ein Produkt meiner Phantasie, sondern in Fritzlar gestaltet aufzufinden. Offiziell wird diese Tat übrigens bis zum heutigen Tage als zivilisatorische Errungenschaft gefeiert. Als ich im Alter von 10 Jahren, dieses im Geschichtsunterricht auf die Frage des Lehrers nach der Bedeutung von Bonifatius zusammengestottert habe, habe ich zur Freude meiner Eltern die Note 1 bekommen. Tja, Kulturimperialismus sollte früh geübt werden - hallo Bischof Schick, sind sie noch da? (8)

Ich denke, es ist klargeworden: Ich suche etwas, was sich symbolisch mit der Schönheit, unserer Ergriffenheit von der Schönheit dieser Natur auf Augenhöhe darstellen lässt. Und zwar wäre es schön, wenn man sich an diesem noch unbestimmten Etwas erfreuen könnte, dürfte und wollte, ohne seine Herkunft verleugnen zu müssen, weil wir dann in unschöne Herrschafts- und Gewaltszenarien verstrickt würden. Und jetzt frage ich: Ist das nachvollziehbar? Und wenn ja, leistet das der in unserem Namen ans Kreuz geschlagene Jesus? Nein, das leistet er nicht, im Gegenteil. Wie wäre es mit der Alternative, es jedem Naturfreund selbst zu überlassen, ob und wie er den Gipfel aus seinem Herzen heraus erleben möchte.

Ein Blick zurück in die Geschichte des Gipfelkreuzes zeigt, dass dieses selbst seinerseits nicht als ideologiefreie Markierung obenauf hingesetzt wurde, sondern als eine Reaktion auf den so gerne vom Christentum gepflegten Schuld/Rache/Böses-Menschentum-Gedanken entstanden ist. Die frühen, meist adeligen Bergerklimmer des späten 18. Jahrhunderts brachten meist Fahnenstangen mit.

Claudi Pagini, Philosophin der Uni Innsbruck führt dazu in ihrem Werk "Dem Himmel so nah" aus: Es habe Sorge gegeben, "Gott ins Gehege zu kommen, Gott in seiner Allmächtigkeit infrage zu stellen, indem man auf diese hohen Gipfel gestiegen ist." (8) Na Prost, Mahlzeit. Aus diesem grauslichen Verhängniszusammenhang scheint man überhaupt nicht rauszukommen. Und je tiefer man eintaucht, umso schlimmer wird es, Herr Schick. Gerade weil ich ihrem Kerngedanken folge, es sei eine zu grosse Gleichgültigkeit eingezogen, plädiere ich nach intensiverer Beschäftigung mit der Problemstellung zu dieser Zuspitzung:

Es wird Zeit, dass die christliche „Agitation“ auf unseren schönen, ideologiefreien Bergen beendet wird.

Mein Zielgedanke und hoffentlich auch der von anderen Bergfreunden und kritischen Zeitgenossen ist: Wir verbitten es uns, dass menschenähnliche Wesen in unserem Namen irgendwo drauf- oder hingenagelt werden. Zudem erfolgte das ja angeblich als notwendig für eine uns zugeschriebene Schuld. Und ausgerechnet eine solche Blut- und Gewalttat soll nun der Weg zu unserem Heil sein. Nein danke! Ausblick: Die Dialektik dieses hardcore Szenarios kennt ja als Pendant zur Opferung des Sohnes im Namen der Menschen im nächsten Schritt auch auf dem Globus gleich die Versenkung des gesamten belebten Arsenals (ob Mensch, ob Tier, ob Pflanze).

Im Vergleich zum im letzten Jahrhundert ausgiebig praktizierten Völkermord handelt es ich hier um ein diese engen Grenzen sprengendes, sehr frühes globalisiertes Vorgehen, gleich alle Völker betreffend. Zurück zum Kreuz: Mahnt dieses im Opfer Jesu unsere Schuld an, so werden hier die Konsequenzen weiterer Bockigkeit von uns Menschen apokalyptisch ausgepinselt. Die Chance zur Umkehr wird uns eingeräumt, auch für Nicht-Kirchgänger, nämlich auf dem Gipfel.

Klaus Hecker

Sekundärliteratur:

1. Gipfelkreuze,- Kulturgut, Machtsymbol, Florian Naumann, Sonntagsblatt, 03.09.2017

2. Kunstbegegnung Bensberg, link: tma-bensberg,de

3. Gipfelkreuze,- Kulturgut, Machtsymbol, Florian Naumann, Sonntagsblatt, 03.09.2017

4. Das Kreuz gehört zu unserem Kulturraum, Bischof Hanke im Gespräch mit Julia Haase, 15.09.2016, katholisch.de

5. Geistliche widersprechen Reinhold Messner: Gipfelkreuze gehören zur Kultur, focus online, 15.09.2016, Autor nicht genannt

6. Wie der Gipfel zum Kreuz kam, Christina Geyer, Bergwelten, 13.07.2016 Claudia Paganini, Dem Himmel so nah, Vom Gipfelkreuzen und Gipfelsprüchen, Berenkamp-Verlag, Innsbruck 2002, 2. Auflage 2006, S.64

7. Wikipedia, Stichwort: Das Kreuz

8. Teil 2 meiner kleinen Reihe "Fundamentalismus und modernes Christentum" ist damit gesetzt: Bonifatius