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Der Antisemitismus muss bekämpft werden, seine Instrumentalisierung auch

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Der Kampf gegen den Antisemitismus Der Antisemitismus muss bekämpft werden, seine Instrumentalisierung auch

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Gesellschaft

Die Politik der französischen Regierung macht Juden:Jüdinnen zu Zielscheiben, statt sie zu schützen.

Collectif juif decolonial.
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Collectif juif decolonial. Foto: Tsedek

Datum 22. November 2023
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Seit dem 7. Oktober ist ein besorgniserregender Anstieg antisemitischer Handlungen zu verzeichnen. Die Zahl der körperlichen und verbalen Angriffe und Graffiti mit antisemitischen Inhalten hat sich vervielfacht. Synagogen wurden in Brand gesteckt, die Synagoge Kahal Adass Jisroel in Berlin und die Synagoge El Hamma in der Nähe von Gabes in Tunesien. In Dagestan war der Flughafen von Machatschkala Schauplatz eines antijüdischen Aufruhrs, nachdem bekannt wurde, dass ein Flugzeug aus Israel landen würde. Ein Klima, das die Juden:Jüdinnen in Frankreich zu Recht in Angst und Wut stürzt.

In Frankreich zeugen diese Taten davon, dass antisemitische Ideen in der Gesellschaft fortbestehen und zirkulieren. Ihr Wiederaufleben muss vor dem Hintergrund einer sehr starken politischen Polarisierung und des Flächenbrandes in Israel-Palästina verstanden werden. Die Aufnahme dieser Ereignisse durch die französische Regierung und ihre Behandlung in den Medien ist aus dieser Sicht katastrophal und unverantwortlich. Die besonders gewalttätige Sequenz, die wir gerade durchleben, sollte der Regierung die Dringlichkeit klarmachen, dass die Spannungen abgebaut werden müssen, statt sie weiter zu schüren. Dazu müsste sie den legitimen Ausdruck aller Emotionen und Positionen zulassen und die Möglichkeit der öffentlichen Debatte gewährleisten.

Stattdessen hat die Regierung im Namen des Kampfes gegen den Antisemitismus Solidaritätsbekundungen und Empathie mit dem palästinensischen Volk verboten und kriminalisiert, während sie gleichzeitig ihre bedingungslose Unterstützung für die Operationen der israelischen Armee und ihre faschistische Regierung zur Schau stellt. (…) Die Juden:Jüdinnen werden so kollektiv und öffentlich von den staatlichen Stellen mit dem israelischen Staat in Verbindung gebracht, der in Gaza und im Westjordanland eine verbrecherische Politik betreibt. Araber_innen und Muslim_innen werden mehr denn je als gefährliche, innerlich feindliche Klasse dargestellt, die dem Terrorismus und dem Antisemitismus verfallen ist. Weder Juden:Jüdinnen noch Araber:innen und Muslim:innen können als Gewinner:innen aus einer Gleichung hervorgehen, die sowohl Antisemitismus als auch Islamophobie nährt.

Der Kampf gegen Antisemitismus darf nicht gegen die Solidarität mit dem palästinensischen Volk und die Mobilisierung für einen Waffenstillstand in Gaza geführt werden. Sie darf auch nicht Teil der Massnahmen einer Regierung sein, die sich der autoritären und islamfeindlichen Wende verschrieben hat. Angesichts des Wiederaufflammens muss die Priorität zunächst darin bestehen, die Spannungen abzubauen. Frankreich sollte sein ganzes Gewicht in die Waagschale werfen, damit der «Rachekrieg», wie er in Israel genannt wird, ein Ende findet. Die wiederholten Kriegsverbrechen eines Staates, der für sich in Anspruch nimmt, der «Staat aller Juden» zu sein, bleiben nicht ohne Auswirkungen auf die Wahrnehmung der Juden:Jüdinnen in der Welt. Die israelische Siedlungs- und Besatzungspolitik ist zwar nicht der einzige Faktor für Antisemitismus, nährt aber antijüdische Ressentiments. Auch in diesem Sinne muss ein sofortiger Waffenstillstand in Gaza erreicht werden.

Abgesehen von diesen konjunkturellen Erwägungen bleibt die Frage nach der Identifizierung des Antisemitismus und seines tatsächlichen Ausmasses eine entscheidende Herausforderung. Sie ist Gegenstand zahlreicher Debatten in der Forschung und unter Aktivist:innen. Diese Diskussionen sollen in dieser Pressemitteilung nicht weiter ausgeführt werden. Doch wenn antijüdische Äusserungen der arabisch-muslimischen Massen, die von der Besatzungs- und Zerstörungspolitik des «Staates der Juden» entnervt sind, mit dem antisemitischen «Rassen»hass der europäischen Völker oder sogar mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht werden, stellt dies eine missbräuchliche Instrumentalisierung der Geschichte und der Begriffe dar.

Zwar ist die Ideologie der Hamas durchaus mit antijüdischen Elementen und antisemitischen Vorstellungen durchsetzt, doch die Vorstellung, dass sie die «neuen Nazis» seien und dass die Massaker vom 7. Oktober mit dem Holocaust vergleichbar seien, muss bekämpft werden. Dieses Narrativ, das vor allem darauf abzielt, die Palästinenser:innen zu dämonisieren, bietet keinen Schlüssel zum Verständnis der schrecklichen Gewalt, die sich gegen die israelische Zivilbevölkerung richtete.

Ist der von den Nazis verfolgte Jude derselbe wie der von der Hamas ins Visier genommene Jude? Die Rhetorik der Hamas nimmt zwar gerne Bezug auf den europäischen Antisemitismus, doch ihr Antijudaismus beruht vor allem auf der Assoziation der jüdischen Identität mit dem Status eines Siedlers im Rahmen der sozialen Beziehungen, die durch die israelische Kolonisierung entstanden sind. Im palästinensischen Kontext beziehen sich die Kategorien «Jude» und «Araber» in erster Linie auf Macht- und Herrschaftsverhältnisse.

Sowohl in Frankreich als auch in Israel wird der Kampf gegen den Antisemitismus von den staatlichen Behörden missbraucht und als Legitimationsinstrument für autoritäre und rassistische Politik eingesetzt. Der Antisemitismus erscheint als ein ahistorisches Übel und der Antizionismus als seine aktualisierte Form. Diese sehr fragwürdigen Annahmen ermöglichen es, die Linke, Hitler und die PalästinenserInnen in einem gemeinsamen Feindbild zu verschmelzen. In diesem Rahmen erleichtert dieser «Kampf gegen den Antisemitismus» den Aufstieg der extremen Rechten, die Stärkung der Islamophobie und den Rückgang der politischen Freiheiten. Dieser Missbrauch schneidet die Juden:Jüdinnen von anderen nationalen Minderheiten und von linken politischen Kräften ab. Dabei zahlen sie, wie andere auch, einen hohen Preis für die rassistische und antisoziale Politik der Regierung.

Die Vereinnahmung der Erinnerung an den Holocaust und von Begriffen, die mit der europäisch-jüdischen Geschichte verbunden sind, ist eine Konstante in der israelischen Kriegspropaganda. Sie bleibt nicht ohne schädliche Auswirkungen auf den heute so notwendigen Kampf gegen den Antisemitismus. Im aktuellen Kontext in Frankreich sind die Juden:Jüdinnen umso verwundbarer, da sie zunehmend isoliert sind. Es ist schwer, sich eine unübersichtlichere Situation vorzustellen als die, die sich heute durchgesetzt hat, in der der Kampf gegen den Antisemitismus von politischen Akteuren missbraucht wird, die im Gegenzug die Verbreitung des Antisemitismus erleichtern.

Auch wenn der Kampf gegen den Antisemitismus wie das Übel, das er bekämpft, vielgestaltig sein muss, ist seine politische Dimension von zentraler Bedeutung. Ihr Kompass kann nur der der Gerechtigkeit, der kollektiven Emanzipation und der politischen Möglichkeiten sein, die mit den Strukturen, die den Antisemitismus hervorbringen, brechen. Ohne dies ist sie hilflos.

Communiqué von Tsedek!

Selbstbeschreibung von Tsedek!*

Tsedek! ist ein Kollektiv dekolonialer Jüdinnen* und Juden*, die gegen den staatlichen Rassismus in Frankreich und für ein Ende der Apartheid und der Besatzung in Israel-Palästina kämpfen. Wir brechen mit den Diskursen, die von den jüdischen Institutionen, die uns angeblich vertreten, und vom Grossteil der antirassistischen jüdischen Kollektive in Frankreich verkündet werden. Es ist höchste Zeit, unserer Stimme Gehör zu verschaffen und gemeinsam eine antirassistische und dekoloniale jüdische Front aufzubauen. Unser Manifest ist der erste Meilenstein auf diesem Weg.

*Tsedek ist ein hebräisches Wort und bedeutet Gerechtigkeit.