Was „Veränderungen des Arbeitslebens“ angeht, so müssen es die Damen und Herren Arbeitgeber ja wissen. Sie sind es schliesslich, die Arbeitsplätze beständig und nach ihrem Bedarf neu erfinden, einrichten, abschaffen, verändern, verlagern und was nicht alles. „Digitalisierung“ und „Automatisierung“ sind ihr Werk und keineswegs selbständige Subjekte, die ihnen ins Geschäft pfuschen, ohne dass sie sich dem entziehen können. Wenn ihnen einer in die Suppe spuckt, dann kein „Trend“, sondern Konkurrenten, die ihnen in Sachen Ausbeutung, pardon: „Optimierung der Geschäftsabläufe“ ein Stück voraus sind. Diese Konkurrenz wollen sie alle gewinnen; für diesen weltweiten Kampf um alte und neue Absatzmärkte rüsten sie sich aus – mit vernetzten Produktionsanlagen und viel IT. Das nennt sich dann „Industrie 4.0“ und läutet aktuell eine neue Runde in der Konkurrenz ein.
Wenn dabei der Einsatz von digitaler Technik in einem Atemzug mit „Arbeitsplatzverlusten“ genannt wird, dann ist das keine Folge der Technik, sondern Zweck der Veranstaltung: Unternehmen bedienen sich technischer Möglichkeiten aus immer demselben Grund – nämlich um Kosten bezahlter Arbeit einzusparen. Die technische Neuerung soll ihnen ermöglichen, mit weniger Arbeitern mehr zu produzieren. Und wenn sie sagen, dass die „Digitalisierung … den Wert der Arbeit mindert“ (a.a.O.), dann ist das nichts als die verlogene Umschreibung dafür, dass sie sich vornehmen, künftig weniger für die weiterhin in ihren Betrieben geleistete Arbeit zu bezahlen.
Dass Unternehmen also für immer weniger Arbeiter immer weniger bezahlen wollen und werden, ist für eine Reihe von Wirtschaftsfunktionären ein gutes Argument für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Wie kommen sie darauf? In der unternehmerischen Kalkulation kommt „Lohn“ vor: als Kostenfaktor. Was und ob diese Summe für denjenigen taugt, der sie bekommt und von ihr leben muss, hat in dieser Rechnung nichts verloren. Das ist dessen privater Einteilungskunst überlassen. Und dass sie die auch weiter und kräftiger strapazieren können, davon gehen die Manager aus.
Aber dass in den unternehmerischen Renditerechnungen mit dem Lohn auch noch Beträge vorkommen, mit denen diverse Sozialkassen bestückt werden, aus denen Arbeitslosen, Arbeitsunfähigen und Alten ein klägliches Auskommen finanziert wird, das ist mit Industrie 4-0 endgültig nicht mehr zeitgemäss. Kaeser und Co. wissen, dass ihr Programm diese Kassen schwer strapazieren und den Finanzierungsbedarf steigern wird – und denken sofort einen Schritt weiter: Wenn der (Arbeits-)Lohn tendenziell die nach ihren Empfängern benannte Klasse nicht mehr ernähren wird, dann wäre es doch nur folgerichtig, den Lohn und damit die Unternehmen von solchen Ansprüchen gleich ganz zu befreien. Lohn wäre dann nur noch ein Add-On für Arbeitswillige, die sich die Unternehmen aus der staatlich am Überleben gehaltenen „Reservearmee“ bei Bedarf billig herauspicken. Sie können sich so ihrer wertvollen Tätigkeit umso konzentrierter widmen, von wegen Weltmarktführer und so…
Was heisst hier „nur“ Bilanzen? BGE ist „win-win“ für die ganze Gesellschaft!
Damit ihre Idee nicht allzu plump daherkommt, führen sie nicht bloss ihre Bilanzen an. Mit BGE gehe es allen besser, den Individuen, der Gesellschaft, mit anderen Worten: „uns allen“. Viel Unschönes, das auch ihnen aus der Realität des Arbeitslebens nur allzu bekannt ist, würde da wegfallen. Sie zählen auf: Lohnstreitigkeiten, Schwarzarbeit, Kriminalität, gesundheitliche und psychische Probleme, Stress und Zeitmangel …. Und allerhand „Bürokratie“, die den unternehmerischen Umgang mit dem Lohn und seinen -nebenkosten kontrolliert und ggf. beschneidet, könnte auch gleich weggeschmissen werden: Arbeitsplatz-Regulierungen, Kündigungsschutz, Mindestlohn … alles „überflüssig“.„Missbrauch von Sozialleistungen“? Gäb's nicht mehr, weil's die ja dann samt Sozialstaat gar nicht mehr gibt!
Gegensatz von Lohnarbeit und Kapital? Hier würde ein BGE der Arbeitsmannschaft sogar nützen: Zwar könne „mit einem Grundeinkommen die Arbeit der einzelnen Menschen für Arbeitgeber weniger kosten“, aber es „stärkt die Verhandlungspositionen der ArbeitnehmerInnen“. Schon klar: Das hat sich der Arbeitgeberverband ja immer schon bei Lohnverhandlungen gewünscht…! Das Grundeinkommen jedenfalls „schafft einen echten Arbeitsmarkt“, weil ihn ja nur der betritt, dessen Lebensprogramm allein mit BGE nicht aufgeht. Weshalb es auf diesem Markt auch nicht mehr um schnöde Lohnhöhe, sondern um die machtvolle Forderung nach ‚Selbstverwirklichung am Arbeitsplatz' geht. Wenn das kein „win-win für ArbeitgeberInnen/ArbeitnehmerInnen“ ist!
Obwohl „Arbeit künftig weniger Einkommen generieren kann“ oder eben gar keines mehr, hätten die Leute mit BGE etwas Geld in der Tasche. Wäre doch schön für die Leute. Und noch schöner für die Unternehmen: „Roboter kaufen“ nämlich dummerweise „keine Autos“ und Hartz-IV-Empfänger und Minilöhner auch eher nicht. Aber Bezieher von Grundeinkommen mit Zusatzjob? Mit BGE verfügen die zumindest über ein bisschen Geld, das kein auf Kostenminimierung bedachter Unternehmer bezahlen musste, und können so als Käufer für deren kostengünstig produzierten Krempel fungieren.
Diese sehr wesentliche geschäftliche Bedeutung hat das Einkommen der Massen nämlich – es ist in die Kalkulationen der Unternehmen eingeplant als die Kaufkraft, die ihnen ihre Waren und Dienstleistungen zu lohnenden Preisen abnehmen soll. Das Blöde, genauer: der Widerspruch, an der Kosten-Überschuss-Produktion, die alle kapitalistischen Unternehmer betreiben, ist an dieser Stelle: Jedes Unternehmen versucht, einen Teil der vorhandenen Kaufkraft auf sich zu ziehen – darum geht ihre Konkurrenz; zu diesem Zweck verbilligen sie ihre Produktion und reduzieren die Lohnstückkosten. Damit senken sie einerseits zwar den Lohnanteil an den Produktionskosten, andererseits entfällt mit dem Lohn aber auch ein Teil der gesellschaftlichen Kaufkraft, auf die sie scharf sind. Mit dem BGE würde dieser Widerspruch auf wundersame Weise ein Stück weit entschärft, weil den potentiellen Käufern ja immer – lohn- und bedingungslos – eine Geldsumme zur Verfügung steht. Was den BGE-Empfängern doch glatt ein Stück „Teilhabe an der Gesellschaft“ ermöglicht und – so gar nicht nebenbei – dem Geschäft derer dient, die ihnen das, woran sie „teilhaben“, verkaufen – „win-win“, wo man hinguckt…
Und wer soll das bezahlen?
Fragt sich nur, wo das Geld für ein BGE herkommen soll. Die Antwort der BGE-Befürworter aus Kreisen der Wirtschaft ist eindeutig: „Von uns jedenfalls nicht!“. Sie teilen mit, dass eine Mehrheit der Insassen dieser Gesellschaft künftig nicht mehr von der Benutzung für das kapitalistische Geschäft wird leben können und fordern dafür eine gesellschaftliche, sprich staatliche Lösung. Und das ist nichts weniger als eine prinzipielle Kündigung: Eine kapitalistische Gesellschaft lebt vom und auf der Basis eines funktionalen Zusammenschlusses zwischen „Kapital“ und „Arbeit“. Die Arbeitsbevölkerung muss vom gezahlten Lohn in der Lage sein zu leben, sich zu ernähren, Nachwuchs in die Welt setzen zu können usw., also: sich zu reproduzieren. Der Staat in Gestalt des Sozialstaats betreut dieses Verhältnis und sorgt dafür, dass das auch dauerhaft so geht.Das soll der Lohn künftig nicht mehr leisten, also muss Geld aus anderen Quellen her. Hier wird die BGE-interessierte Unternehmerschaft auch gleich fündig – witzigerweise bei Kollegen, denen es genau wie ihnen darauf ankommt, aus Geld (= Investitionen) mehr Geld (= Gewinn) zu machen. Den Unterschied macht das kleine Wörtchen „nur“: Es gibt Unternehmen, denen es angeblich „nur“ aufs schnelle Geld ankommt, weswegen man steuermässig dort abgreifen, deren Gewinn also locker reduzieren könnte: Als Beispiele nennt ausgerechnet der Telekom-Chef „Gewinne grosser Internetkonzerne“ (Zeit Online 29.12.15). Die „Auswertung von Daten“ hat – nicht nur – er als so fantastische Gewinnquelle ausgemacht, dass bei entsprechendem ‚Steueraufbau' die Gesellschaft doch vom Verkauf ihrer digitalen Fussabdrücke leben könnte.
Oder es werden „Hochfrequenzhandel und schnelle Gewinne von Spekulanten“ (Siemens-Chef Kaeser FAZ 25.11.16) in Betracht gezogen. Schon ein gewagter Gedanke dieses „Real“-wirtschafters: „Eigentlich“ produzieren diese falschen Fuffziger nichts Richtiges, bloss Gewinne; und die „erfüllen erkennbar keinen gesellschaftlichen Zweck“ (a.a.O.), sondern füllen eigentlich nur „Blasen“, mit denen sie sogar die „Realwirtschaft“ gefährden. Wenn diese Unternehmen kräftig(er) besteuert würden, würde aus ihrem Blasengeld doch tatsächlich echtes Geld, was für BGE zu verwenden wäre. Und wenn diese Blasen dann mal platzen, wäre es wohl „Ende Gelände“…!?
Ähnlich verträumte Ideen sind die, das Grundeinkommen durch eine Erhöhung der Mehrwert- bzw. Konsumsteuer auf 100% zu finanzieren. Da zahlen die Empfänger in perpetuum-mobile-Manier einen grossen Teil dessen, was sie beziehen, gleich selber. Und wenn die nicht mehr Gebrauchten ein paar Euro Almosen bekommen, dann vermehrt sich – so ein Argument der BGE-Befürworter – dieses Geld ganz von selber: Auch für solchen Unfug stellt die Volkswirtschaftslehre passende Theorien zur Verfügung, hier in Gestalt des „Multiplikator-Effektes“, der – stark verkürzt und aus allen Zusammenhängen gerissen – eben dieses besagt: „Jeder Euro, der an gering verdienende Menschen gegeben wird, stärkt die Kaufkraft mehr als der Wert des einzelnen Euros. Beim Dollar ist dieser Effekt für 1 $ bei 1,21 $“.(wirtschaft-fuer-grundeinkommen.com)
Na also: Recht arrangiert ist das bedingungslose Grundeinkommen doch ein echtes Schnäppchen. Im Grunde braucht man es nur mit ein bisschen notorischer Geldknappheit (dafür ist durch seine ins Auge gefasste Höhe von 700 bis 1000 € ja gesorgt) zu kombinieren – dann finanziert es sich ganz von selbst!