Prekarisierung der Arbeitswelt Wo ist denn die Emanzipation?
Gesellschaft
Wirft man einen Blick in die Zeitung, glaubt man die Frauenbewegung habe keine Daseinsberechtigung mehr, da sie alle ihre Forderungen erfüllen konnte: Es gibt eine Bundeskanzlerin, sogar eine Kriegs-, pardon, Verteidigungsministerin und demnächst eine Frauenquote in den Chefetagen grosser Unternehmen und einiges mehr.
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16. Mai 2015
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Korrektur
Die feministischen Bewegungen des 20. Jahrhunderts haben Rechte erkämpft und Machtstrukturen bekämpft und waren darin auch – bei aller Kritik – erfolgreich. Sicherlich wurden die Teilerfolge immer wieder von Rollbacks und rückwärtsgewandten Gegenbewegungen bedroht. Die Stellung der Frau in dieser Gesellschaft hat sich aber im Verlauf dieser Kämpfe verbessert.
Allerdings ist das Frauenbild im 21. Jahrhundert vor allem eines: unemanzipatorisch.
Die Frau ist die liebevolle, fürsorgliche Mutter – von Natur aus gebärfreudig. Sie ist selbstverständlich berufstätig und darf sich – obwohl sie meistens einen höheren Schulabschluss hat – für einen niedrigeren Lohn als ihre männlichen Kollegen abrackern.
Im Schnitt verdienen Frauen 20% weniger als ihre männlichen Kollegen und generell sind Frauen in „frauentypischen“ Berufsfeldern beschäftigt, in denen sie sowieso weniger verdienen. Das Armutsrisiko liegt bei Frauen deutlich höher als bei Männern: bei alleinerziehenden Frauen beträgt die Armutsquote ca. 45%.
Lebt sie mit einem Mann zusammen, teilen sie sich die Arbeit im Haushalt – was in den meisten Fällen nur bedeutet, dass er immer sonntags kocht und sie den Rest macht. Dass er beruflich zurücksteckt, kann sich die Mehrheit der Frauen und Männer nicht vorstellen. Dies ist geschlechtliche Arbeitsteilung, bei der die Frau unbezahlte Arbeit verrichtet.
Damit ist die Frau mindestens einer Doppelbelastung ausgeliefert: Lohnarbeit zu einem niedrigen Lohn und Hausarbeit ohne Ent-lohnung. Diese strukturelle ökonomische Benachteiligung spiegelt sich in dem heutigen regressiven Rollenbild von „Mann“ und „Frau“ wieder.
Gerade von der Prekarisierung der Arbeitswelt sind Frauen in verstärktem Masse betroffen: Es sind vor allem Frauen, die in Ein-Euro-, Mini- und 450€-Jobs beschäftigt sind; die befristete Verträge, mangelnden Kündigungsschutz und mangelhaften sozial- und arbeitsrechtlichen Schutz haben.
Geradezu mustergültig zeigte sich in den letzten Jahren diese unterschiedliche gesellschaftliche Bewertung von Frauen- und Männerarbeit im Fall von zwei spektakulären Firmenpleiten: Zum einen die Insolvenz des Bauunternehmens „Holzmann“ 2002, bei der die Bundesregierung, getragen von einer sympathisierenden Medienberichterstattung, die mehr als 10.000 überwiegend männlichen Arbeitsplätze erst einmal rettete. Dagegen intervenierte der Staat bei der Insolvenz der Drogeriemarktkette „Schlecker“ nicht. Insgesamt 23.400 Menschen, in der übergrossen Mehrheit Frauen, verloren ihren Job.
Nicht zuletzt damit zeigt sich, dass rechtliche Gleichstellung nicht viel mit de facto Gleichberechtigung zu tun hat und beides herzlich wenig mit Emanzipation!
Doch die Frage muss eigentlich sein: Was will man mit Gleichberechtigung erreichen?
Emanzipation und Gleichberechtigung sind verschiedene Paar Schuh. Was die Frauenbewegungen des 20. Jahrhunderts erkämpft haben, war eine Annäherung an eine Gleichstellung von Mann und Frau, d. h.: eine gleichgestellte Form der Ausbeutung.
In einem Verhältnis zu leben, in dem ich von meinem Lohn und meinem Chef abhängig bin, ich gerade in der Krise mit Gehaltserhöhungen kürzer treten muss und man hoffen muss, den Job überhaupt behalten zu können, ein Gehalt womöglich nicht reicht um zu leben, ich zugleich schauen muss, dass meine Kollegin nicht befördert wird, damit ich eine bessere Stellung bekomme – kurz um: in einem Zwangsverhältnis – unter solchen Verhältnissen kann man sich nicht emanzipieren.
Sicherlich ist die Forderung nach wahrer Gleichberechtigung völlig gerechtfertigt und auch notwendig! Doch die Ausbeutung der Frau in doppelter Weise kann nur durch eine emanzipatorische Bewegung überwunden werden, welche alle Verhältnisse angreift in denen die Frau ein geknechtetes Wesen ist.
Das heisst, die Emanzipation im Kapitalismus ist eine Illusion. Eine emanzipatorische Frauenbewegung muss eine antikapitalistische Frauenbewegung sein!