Die beiden Marokkaner Mehdi (Abdelhadi Taleb) und Hamid (Fehd Benchemsi) leben von dem Unglück der anderen. Genauer verdienen sie ihr Geld damit, im Auftrag eines skrupellosen Inkassounternehmens Kredite einzutreiben. Die Sache hat jedoch einen Haken: Die verschuldeten Menschen sind derart verarmt, dass es nur wenig zu holen gibt. Eigentlich hätte ihnen niemand einen Kredit geben dürfen. Entsprechend viel Zeit müssen die zwei investieren, bis sie doch mal etwas eintreiben können. Während sie so durch die Wüste reisen, auf der Suche nach etwas, das sie pfänden können, treffen sie auf einen Bankräuber (Rabii Benjhaile), den sie gegen eine Belohnung ausliefern sollen. Doch dann kommt alles ganz anders …
Die Komik der Armut
Nachdem Faouzi Bensaïdi in den ersten Jahren seines Schaffens eher sporadisch einen Film herausbrachte, zeigte der marokkanische Regisseur und Drehbuchautor zuletzt eine unerwartete Produktivität. So kamen 2022 gleich zwei Langfilme von ihm heraus, das dokumentarische Werk Interactions – When Cinema Looks to Nature sowie die Tragikomödie Jours d'été. 2023 folgte bereits der dritte Streich Déserts – Für eine Handvoll Dirham, welches bei der Quinzaine des cinéastes in Cannes Premiere feierte. Nach einigen weiteren Festivalauftritten steht nun der offizielle deutsche Kinostart an. Das ist eine erfreuliche Nachricht, da der Titel die hiesige Landschaft auf jeden Fall bereichert.Dabei muss man jedoch vorab festhalten, dass das hier alles andere als ein Crowdpleaser ist. Bensaïdi, der auch wieder das Drehbuch verfasst hat, macht es seinen Zuschauern und Zuschauerinnen alles andere als leicht. Die erste Hälfte ist dabei noch die bekömmlichere. An und für sich sollte man bei dem Thema Schuldeneintreibung ein schweres Sozialdrama erwarten. Der Filmemacher nimmt es aber lieber mit Humor und macht aus Déserts – Für eine Handvoll Dirham eine episodenhafte Komödie, die immer wieder durch lakonischen Witz und kleinere Absurditäten auffällt. Der Vergleich zu seinen Kollegen Aki Kaurismäki oder Elia Suleiman drängt sich da auf. Manche Einfälle haben dabei durchaus gesellschaftliche Relevanz. Andere sind wohl eher aus der Freude an Schrägem entsprungen, darunter der Einfall einer etwas anderen Unternehmensordnung.
Reizvolle Irrwege
Die zweite Hälfte bewegt sich jedoch in eine andere Richtung, wenn der namenlose Bankräuber stärker in den Mittelpunkt rückt. Die Geschichte wird düsterer, trauriger und noch rätselhafter. Das Episodenhafte führt dann nicht zu einer griffigeren Erzählung, wie man es vielleicht erwarten könnte. Es bleibt elliptisch, das Publikum wird mit all dem allein zurückgelassen. Teilweise lädt Déserts – Für eine Handvoll Dirham dann schon auch etwas zum Interpretieren ein. Aber es ist nicht so, dass sich der eigene Einsatz unbedingt lohnen würde. Offen bleibt zudem, was denn die beiden Hälften miteinander zu tun haben bzw. zu tun haben sollen. Es ist ja nicht einmal sicher, dass die Kombination überhaupt eine Absicht verfolgt, was nicht wenige verwundert bis frustriert zurücklassen könnte.Wer sich darauf einlassen kann, findet hier jedoch ein sehenswertes Werk, das immer wieder interessante Einfälle hat. Das betrifft den Inhalt, aber auch die Optik, wenn Déserts – Für eine Handvoll Dirham die Wüste immer wieder kunstvoll in Szene setzt und dabei eine Vorliebe für kleine Details demonstriert. Ausserdem hat es schon seinen Reiz, wie Bensaïdi die unterschiedlichsten Genres zusammenführt: Drama und Komödie, Roadmovie und Western. Das wird nicht allen gefallen. Tatsächlich finden sich nicht wenige Stimmen im Netz, die ihren Unmut kund tun über diese sonderbare und letztendlich unschlüssige Mischung. Es gibt aber auch viel zu mögen bei dieser internationalen Coproduktion, bei der ganz viele Figuren auf einer Verliererstrasse sind, bei der es nicht einmal mehr für eine Strasse gereicht hat.