Sie protestierten gegen die Autobahn A14 von Magdeburg nach Schwerin. Im heissen Sommer 2022 beendeten sie die Besetzung freiwillig wegen Waldbrandgefahr, aber auch wegen einer gesellschaftlichen Brandgefahr. Das Auftauchen der Klimaaktivist*innen hat die rechte Szene in der Gegend alarmiert. Höhepunkt war ein Brand im Frühsommer 2022 im Frühsommer 2022 am Kulturbahnhof Seehausen. Der sollte nach den Vorstellungen der Klimaaktivist*innen aus den lange verwaisten Bahnhofsruine entstehen.
Das seit Jahrzehnten leer stehende Gebäude wurde den jungen Aktivist*innen vom Eigentümer kostenfrei zur Nutzung überlassen. Monatelang hatten sie Schutt abgetragen und die Bahnhofsruine in Eigenleistung zu einen sozialen Zentrum mit Wohnzimmeratmosphäre gemacht. Alte Sofas wurden restauriert, und in der ehemaligen Wartehalle nahmen gelegentlich auch ältere BewohnerInnen Platz, die sich gern an die Zeit erinnerten, als der Bahnhof noch funktionsfähig war.
Es hätte ein Ort des Treffens für die Anwohner*innen in einer Stadt werden können, in der nach 18 Uhr ein Dönerladen der einzige Ort ist, in dem noch Menschen zusammenkommen. Dort wartet allerdings jeder Rücken an Rücken auf seine Bestellungen. Der Kulturbahnhof wäre hingegen ein soziales Zentrum gewesen, in dem Bewohner*innen Erinnerungen über die Vergangenheit hätten austauschen können. Aber sie hätten auch gemeinsam mit den Waldbesetzer*innen darüber reden können, warum eine weitere Autobahn in Zeiten der Klimakrise keine so gute Idee ist. Und gemeinsam hätte man vielleicht auch für einen funktionierenden öffentlichen Nahverkehr streiten können, welcher auch Menschen in Seehausen Mobilität garantiert.
Doch die Rechten in der Region fühlten sich sofort provoziert, als das alte Bahnhofsgebäude Farbe bekam und damit auch neue Ideen dort Einzug hielten. Nach so vielen Angriffen starb mit der Räumung des Hüttendorfs Moni auch die Idee des Kulturbahnhofs. Jetzt zeugen nur noch das zerrissene Transparent von der Euphorie und Ideenreichtum von jungen Menschen, die aus dem verlassenen Bahnhof einen Ort der Begegnung machen wollten. Die verrussten Mauern zeigen auch von der Gewalt der Gegenkräfte, die darin eine Gefahr für die rechte Hegemonie sahen. Ob an diese vergangenen Kämpfe in Sachsen Anhalt einmal in einem Film erinnert wird? Es wäre ihnen zu wünschen.
Trilogie des Widerstands rund um den Hambacher Forst
Das Vorbild könnten die Brandfilme seine, eine Trilogie des jahrelangen Widerstands gegen die Projekte von RWE und Co. im Hambacher Forst. Gegründet hat die Videokünstlerin Susanne Fasbender die mediale Plattform Brandfilme.In der Selbstdarstellung heisst es:
„Brandfilme wird gemacht für das grosse Spektrum antiimperialistischer, antikapitalistischer Themen, in der die Autor*innenschaft Themen aufgreifen und mithilfe einer grossen Vielfalt von Stimmen und Interviews umsetzen. Brandfilme schafft mit wandernden Filmvorführungen einen Reflektionsrahmen für verdichtete politische Auseinandersetzung.“
Verheizte Heimat
Die sowohl künstlerisch als auch inhaltlich gut gemachten Filme sind auch für Klimaaktivist*innen interessant. Denn für sie ist der Hambi in den letzten 12 Jahren zum Szenebegriff geworden, seit sich dort Baumbesetzer*innen niedergelassen haben. 2010 gab es ein erstes Protestcamp in der Gegend und 2012 fand die erste Waldbesetzung statt.Nur wenige der Klimaaktivist*innen werden wissen, dass sich in der Region seit den 1970er Jahren Anwohner*innen gegen die Pläne von RWE und Co. wehrten und dabei auch die Unterstützung von Umweltgruppen fand. „Verheizte Heimat“ hiess ein Buch, das sie in den 1970er Jahren herausgaben und viel Beachtung gefunden hatte. Dann wurde es schnell vergessen. Susanne Fasbender zitiert aus dem Buch, aber auch von einem Schulbuch aus dem Jahr 1980, in dem über die Proteste der Bevölkerung gegen die Pläne von Rheinbraun, wie der Konzern damals hiess, berichtet wurde.
Fasbender verwendet viele Originaldokumente, die den Widerstand der Bevölkerung zeigen und sie holt einige der damaligen Protagonist*innen vor die Kamera. Sie sind noch Jahrzehnte danach erschüttert über die Kaltschnäuzigkeit, mit der die Vertreter*innen von RWE und Co. auf die Frage eines Bewohners antworteten, was sie denn machen, wenn sie sich weigern, ihre Dörfer zu verlassen. „Dann werden sie enteignet“ habe er erklärt, sagt eine der Bewohnerin, die bei der Versammlung anwesend war. Sie kann sich noch immer an die wegwerfende Handbewegung erinnern, die er dabei machte. Für RWE und Co. war der Protest der Bewohner*innen ein lästiges Hindernis, das so schnell wie möglich entsorgt werden sollte.
Zunächst schien ihr Kalkül aufzugehen. Die Bewohner*innen waren eingeschüchtert und in den 1970er Jahren, war es nur eine Minderheit, die sich für Klima- und Umweltbelange einsetzte. Einige die heute noch reden können, sprechen davon, dass sie auch psychisch gelitten haben, weil sie den Eindruck hatten, den Kapitalstrategien von RWE und Co. hilflos ausgeliefert zu sein. Einige empfinden es daher als späte Genugtuung, dass nun seit mehr als 10 Jahren Klimaaktivist*innen den Hambacher Forst wieder in den Fokus der Auseinandersetzung gerückt haben. „Die Besetzer*innen haben uns Bürger*innen das Gefühl gegeben, dass wir ein Stück des Waldes zurückerlangt hatten“, sagt eine langjährige regionale Aktivistin im Film.
Der dritte Teil der Brandfilme ist dem aktuellen Widerstand im Hambacher Forst gewidmet. Besonders interessant aber sind die beiden ersten Teile der Trilogie, weil sie eben die vergessenen Kämpfe, die Hoffnungen von Menschen sichtbar machen, welche schon vergessen und begraben schien. Die Brandfilme erinnern an die unterbrochene Geschichte und stellen damit eine Kontinuität der Kämpfe her, die die herrschenden Staatsapparate gerne verhindern würden. Diese vergessene Widerstandsgeschichte gibt es nicht nur rund um den Hambacher Forst. Der Fotograf Elliot Kreyenberg, der verschiedene Waldbesetzungen mit der Kamera dokumentiert hat, schreibt zu einer Installation "Endzeit 2021-2022", in der er die Waldbesetzung im Dannenröder Forst fotografiert:
„Die Besetzung bildete den Höhepunkt eines Protestes, der bereits 40 Jahre vorher begann, als kleine Gruppen von Einwohner*innen der umliegenden Dörfer begannen, gegen die geplante Räumung zu protestieren, die Platz für den Bau einer mehrspurigen Autobahn schaffen sollte“.
Es wäre zu wünschen, wenn nach dem Vorbild der Bandfilme auch die Geschichte des Widerstands rund um den Dannenröder Forst aber auch der kurzen Sommer des Aktivismus um den Kulturbahnhof Seehasen so dem vergessen entrissen würden.