Die Scheinheiligen Gelungene bayerische Posse

film-677583-70

Kultur

Eine bayerische Posse, die sich sehen und geniessen lassen kann. Ein Heimatfilm der besonderen Art, der auf eine geradezu natürliche Weise Humor erzeugt.

Autor, Regisseur, Komponist und Schauspieler Andreas Lechner im August 1996 in seinem Atelier in München.
Mehr Artikel
Mehr Artikel
Bild vergrössern

Autor, Regisseur, Komponist und Schauspieler Andreas Lechner im August 1996 in seinem Atelier in München. Foto: Andreas Bohnenstengel (CC-BY-SA 3.0 cropped)

Datum 26. Juni 2024
1
0
Lesezeit4 min.
DruckenDrucken
KorrekturKorrektur
Als Mischung aus Heimatfilm und Komödie wertet die hiesige Filmkritik die Abschlussarbeit Thomas Kronthalers an der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film. Der „Film-Dienst“ kritisiert, die Inszenierung schwanke „allzu unentschlossen zwischen grandiosen Bildeinfällen und pubertärem Überschwang“. Bodo Fründt von der „Süddeutschen Zeitung“ war überhaupt nicht begeistert: „Die Dialoge verkünden, was man sieht. Und was man nicht sieht, bestätigt, was man ohnehin bereits ahnte.“

Django (Alfred Jaschke) und Bene (Wolfgang Fischer) sind zwei wichtige Leut' in einem kleinen bayerischen Flecken: Sie verkörpern das Gesetz. Als der wohnsitzlose Holzschnitzer Johannes (Johannes Demmel) daher kommt, halten sie ihn an, verlangen seinen Ausweis – der ist seit Monaten abgelaufen – und fordern ihn ultimativ und in staatstragender Pose auf wieder umzukehren. Im Polizeiauto sitzt der „Asylant“ Theophile (Michael Emina), mit dem sie schon genug Scherereien haben. Er ist der Gemeinde quotenmässig zugewiesen. „Die Polizei kommt gleich nach dem Herrgott“, verkünden die beiden Gesetzeshüter und vertreiben Johannes mit dem Gewehr.

Der allerdings lässt sich nicht vom Weg abbringen. Ein Bauer, bei dem er um Quartier bittet, verweist ihn zur „Trennerin“, der alten Bäuerin Magdalena (Maria Singer), die allein und von den anderen gemieden auf ihrem Hof lebt. Auch sie schiesst auf Johannes, weil sie in ihm einen der Dorfbewohner vermutet, die sie vertreiben wollen. Warum? Der Bürgermeister Matthias (Werner Rom) plant eine Auffahrt zur nahen Autobahn, um den Ort an die allgemeine Entwicklung anzuschliessen. Gemeinsam mit seinem ehemaligen Schulkameraden, dem jetzigen Landrat Dr. Seigis (Sepp Schauer) will er die Trennerin zwingen, ihr Land zu verkaufen, damit die Autobahnzufahrt gebaut werden kann und – im Kuhhandel – der Landrat ein Grundstück für seine dicke Tochter erhält. Alles muss schliesslich seine Ordnung haben.

Nach anfänglichem Misstrauen nimmt die Trennerin Johannes auf. Er putzt und räumt das Haus auf und arbeitet an einer Kopie der Marienfigur in der örtlichen Kirche. Deren Pfarrer Anton (Andreas Lechner) nämlich, der das Bild Franz-Josef Strauss in seinen Gemächern aufgestellt hat, will das Original verscherbeln. Ja, und dann ist da noch der schwarze „Asylant“. Der Bürgermeister will dieses Problem los werden und verfrachtet ihn zum Pfarrer. Der hat nichts besseres zu tun, als nach dem Gottesdienst seine Schäfchen aufzufordern, Theophile aufzunehmen. Als sich die Trennerin – das erste Mal seit langem wieder in der Kirche – dazu bereit erklärt, ahnen die örtlichen Honoratioren nichts Gutes: Der dahergelaufene Holzschnitzer, die starrköpfige Trennerin und oben drauf noch der Schwarze – was für eine Dreifaltigkeit!

Was tun? Am besten der Trennerin ordentlich drohen. Ein Haberfeldtreiben muss her. Die örtlichen Deppen erscheinen wie der bayerische Ku-Klux-Klan, nur nicht mit weissen Kapuzen, sondern in Stroh gekleidet. Doch diese drohende Treiben fällt buchstäblich ins Wasser ...

Jo mei! Was für eine Provinzposse! Kronthaler legt so ziemlich alles offen, was an menschlichen Schwächen, Fehlern, schlechten Gedanken, Egoismus, Habgier und Korruption im kleinen, feinen, friedlichen Oberbayern so möglich ist. Da wird gemauschelt und intrigiert, gedroht und es wird auch zünftig handgreiflich. Alles aber mit der nötigen Portion Humor, die dem Film – weiss der Herrgott – nicht fehlt.

Besonders amüsant sind die beiden Herrn Polizisten, anfangs noch völlig eingenommen gegen Johannes und Theophile. Der eine von ihnen träumt vom Essen, der andere davon, endlich einmal wie Schimanski sein zu dürfen: lauter Weiber und lauter Geballere. Sie bekommen ihre Chance – jedenfalls was die Ballerei angeht. Als der Landrat seine beiden Leibwächter auf die Dreieinigkeit Johannes, Theophile und Magdalena ansetzen will, bekommen die zu spüren, was ein Dorfpolizist so alles vermag.

Kronthaler desavouiert die ganze mickrige Klein-Klein-Mafia des Dorfes und beschwört urbayerische Tugenden. Die Magdalena ist so eine Urbayerin: Herz, Verstand und ohne Vorurteile. Da trifft sie in Johannes genau den Richtigen. Der kennt nämlich auch nichts, wenn es um Ungerechtigkeit geht. Theophile, der gezwungen schweigsame Mann aus Gambia, ist verblüfft darüber, was man in Oberbayern so alles erleben kann.

Mit der Autobahnzufahrt jedenfalls wird's nix. Und was mit den grossen Landflächen passiert, die der Trennerin gehören? Die Frage beantwortet der zünftige Showdown.

Maria Singer, bekannt aus Fernsehen, Film und von der Bühne, ist in ihrem Element, ebenso Johannes Demmel und Andreas Lechner als Pfarrer.

Einziger Wermutstropfen: Die Szene als Pfarrer Anton mit seinem „Überich“ F. J. Strauss spricht. Das wirkt allzu aufgesetzt und war völlig unnötig.

Eine bayerische Posse, die sich sehen und geniessen lassen kann. Ein Heimatfilm der besonderen Art, der auf eine geradezu natürliche Weise Humor erzeugt.

Ulrich Behrens

Die Scheinheiligen

Deutschland

2001

-

79 min.

Regie: Thomas Kronthaler

Drehbuch: Thomas Kronthaler

Darsteller: Maria Singer, Johannes Demmel, Michael Emina

Produktion: Ismael Feichtl

Musik: Martin Unterberger, Stefan Auer

Kamera: Micki Stoiber

Schnitt: Bernd Schlegel