„Wir gegen die“, lautet derzeit das Motto in den USA, kaum ein Thema, das nicht irgendwo für gesellschaftliche, politische oder kulturelle Grabenkämpfe genutzt wird. Auch in Dinner in America wird auf maximale Konfrontation gesetzt. Es gibt hier gerade zu Beginn keine Situation, die nicht irgendwie eskaliert, kein Dialog, der nicht in wüsten Beschimpfungen oder Angriffen endet. Dabei spielt es nicht einmal eine Rolle, ob wir uns innerhalb von Familien aufhalten, einen Blick auf Beziehungen werfen oder sich Fremde gegenüberstehen: Regisseur und Drehbuchautor Adam Rehmeier zeigt uns eine dieser Vorstädte, in der Gemeinschaft immer nur zu Lasten anderer geht: Ich bin jemand, weil du niemand bist.
Spass ist, was anderen weh tut
Schön ist das nicht, weder für die Beteiligten noch das Publikum. Es ist anfangs sogar ein wenig anstrengend, wie die Leute hier übereinander herfallen, im Sekundentakt rassistische, homophobe oder persönliche Angriffe erfolgen. Patty beispielsweise wird über weite Strecken des Films als „retard“ gehänselt, als geistig zurückgeblieben. Zumindest zu Beginn kann sich da der Eindruck einstellen, als wolle Dinner in America mit polemisch-dümmlichem Trash Talk und schrillen Auseinandersetzungen die Zuschauer und Zuschauerinnen erheitern. Billige, wenig abwechslungsreiche Witze, die aus der Herabwürdigung anderer Kapital schlagen wollen. Das kann Spass machen, sofern man sich nicht an ihrer Fragwürdigkeit stört, ist auf Dauer jedoch eher langweilig.Glücklicherweise bewegt sich die Tragikomödie, welche auf dem Sundance Film Festival 2020 Weltpremiere hatte und seither auf diversen Genrefestivals zu Gast war, in eine andere Richtung, hat deutlich mehr zu bieten. Zum einen sind diese verbalen Ausfälle meist mit einer satirischen Note verbunden, wenn Rehmeier genüsslich das eingezäunte Vorstadt-Amerika auseinandernimmt, das sich den Anschein von Anstand gibt, dabei innerlich völlig verkommen ist. Zum anderen wandelt sich der Film immer mehr zu einer warmherzigen Feelgood-Komödie, in der zwei Aussenseiter und Verlierer es dem Rest der Welt so richtig zeigen – und dabei zum Gegenangriff übergehen.
Ein punkiger Crowdpleaser
Der Aufstand der Kleinen gegen die überheblichen Bullys ist bekanntlich immer ein Crowdpleaser. Dass die Methoden dabei selbst mindestens fragwürdig sind, dass weiss der Filmemacher natürlich auch. „Werden wir dafür ins Gefängnis kommen?“, fragt Patty an einer Stelle. „Vermutlich“, antwortet darauf Simon. Doch manchmal kann das Falsche sich eben schön richtig anfühlen. Vergleichbar zu Filmen wie God Bless America macht es einfach Spass, bei Dinner in America dabei zu sein, wie Ausgestossene sich einen Platz in dieser Welt erkämpfen, sich gegenseitig finden und damit am Ende sich selbst.Mit seinem Film wollte Rehmeier, der in seiner Jugend selbst in Punkbands gespielt hat, eine Liebeserklärung an den Punk der frühen 90er und die damit verbundene Lebenseinstellung drehen. Musik wird hier zu einem Ausdruck der eigenen Persönlichkeit, zu einer Rebellion gegen die erstickenden Attitüden der Mittelklasse, die keine andere Wege, keine Alternativen, keine Persönlichkeit zulassen.
Dass das am Ende so wunderbar funktioniert, ist auch ein grosser Verdienst des Ensembles. Kyle Gallner (Exorzismus 2.0) und Emily Skeggs (The Miseducation of Cameron Post) holen, wie der Rest des Ensembles, das Maximum aus den komischen Dialogen und absurden Situationen heraus. Sie gehen als ungleiches und doch irgendwie seelenverwandtes Paar aber auch direkt zu Herzen. Dinner in America richtet sich damit an ein Publikum, das schräge Aussenseitergeschichten mag, aber auch gegen etwas deftigere Momente nichts einzuwenden hat.
Wer das von sich behaupten kann, sollte dem Film auf jeden Fall eine Chance: Hier trifft Anarcho-Charme auf skurrilen Witz, wird mit Vollgas alles niedergebrettert, nur um in den leisen Momenten von den Träumen und Gefühlen zweier junger Menschen zu erzählen, die niemand haben will. Ausser dem Publikum natürlich, welches bald keine andere Wahl hat, als die beiden bei ihrem unbeholfenen, dafür sehr sympathischen Ausbruch anzufeuern.