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Dogman

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Dogman Die Schönheit des Abgrunds

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Kultur

In „Dogman“ folgen wir dem unscheinbaren, freundlichen Besitzer eines Hundesalons, der in den Einfluss eines brutalen Schlägers gerät und dabei immer weiter abstürzt.

Der italienische Regisseur Matteo Garrone in Castiglioncello (Toscana), Juni 2008.
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Der italienische Regisseur Matteo Garrone in Castiglioncello (Toscana), Juni 2008. Foto: Nicola Filardi (CC BY-SA 2.0 cropped)

Datum 9. Oktober 2020
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Lesezeit5 min.
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Mit surreal-betörenden Bildern bringt uns das Krimidrama ein Italien näher, das keinen Zusammenhalt, keine Zukunft, keinen Namen mehr kennt, einem zuletzt auch jede Hoffnung auf ein besseres Leben raubt.

So richtig viel hat Marcello (Marcello Fonte) eigentlich nicht, aber doch genug, um damit glücklich zu sein. Sein kleines Töchterchen Alida ist sein ein und alles, er wird von den anderen gemocht und geachtet. Dazu nennt er noch einen Hundesalon sein Eigen, der genug abwirft, um damit über die Runden zu kommen und der ihm den Spitznamen Dogman verschafft hat. Doch das italienische Küstenstädtchen wird seit Neuestem von dem ehemaligen Boxer Simoncino (Edoardo Pesce) tyrannisiert, der mit seinen unberechenbaren Gewaltausbrüchen und seinen Drogengeschichten allen das Leben schwer macht – auch Marcello, der dem Bully nicht wirklich viel entgegenzusetzen weiss.

Der Italiener an sich scheint ja nicht sonderlich optimistisch in die Zukunft zu blicken. Zumindest legt das die – zugegebenermassen spärliche – Auswahl an Filmen nahe, die ihren Weg zu uns finden. Wenn in Zuhause ist es am Schönsten eine Familie sich selbst oder zerfleischt oder Paolo Sorrentino in La Grande Bellezza – Die grosse Schönheit auf betörend satirische Weise Rom seziert, ist das schon der Gipfel der sonnigen Glückseligkeit. Ansonsten dominieren Werke, die von Gewalt handeln, von Kriminalität, oft mit Drogen verbunden, von Hilflosigkeit und mangelnden Perspektiven.

Verbrechen aus Zufälligkeit

Auch Matteo Garrone kehrt nach seinem ebenso skurrilen wie abgründigen Das Märchen der Märchen ins Krimigenre zurück, das ihn vor zehn Jahren mit Gomorrha. Reise in das Reich der Camorra weltweit bekannt machte. Dieses Mal beleuchtet er jedoch nicht das organisierte Verbrechen näher, sondern Menschen, die eher am Rande damit zu tun haben. Marcello, weil seine Durchsetzungskraft zu wünschen übriglässt. Simoncino, weil er dumm und grob ist, der Ansicht ist, sich mit Gewalt alles nehmen zu können. Eine Art italienischer Donald Trump, nur mit weniger Farbe.

Farbe gibt es in Dogman auch sonst nur sehr wenig. Das mag an dem wolkenverhangenen Himmel liegen, der nur wenig Sonne zulässt. An den vielen Nacht- und Innenaufnahmen, die in engen Räumen und dunklen Gassen spielen. Oder auch an dem Ort selbst: Garrone, der auch am Drehbuch geschrieben hat, nimmt uns mit in ein kleines Städtchen, das offensichtlich früher mal Touristen anzog. Heute reicht es jedoch nicht einmal mehr zu einem Namen, wo wir genau sind, das verschweigt der Film. Das heruntergekommene Ort, er steht stellvertretend für ein Land, das immer mehr zerfällt, wirtschaftlich wie zwischenmenschlich. Ein Land, in dem Glanz und Lebensfreude nicht einmal mehr eine Erinnerung sind.

Die Schönheit des Abgrunds

Das ist hässlich klar, diese Ansammlung von verrottenden, verschmutzten Dingen. Wenn der einzige Lichtblick eine Hundeshow ist, in der grotesk zurechtgemachte Pudel durch die Gegend stolzieren, dann ist klar, dass das mit dem Bella Italia nicht weit her ist. Und doch haben die Bilder auf ihre Weise etwas betörend Schönes. Mit elegischen Panoramaaufnahmen fängt Kameramann Nicolaj Brüel einen Ort ein, der sich langsam in eine Geisterstadt verwandelt. Menschen gibt es hier kaum noch welche. Die wenigen, die noch da sind, müssen ebenso wie ihr Zuhause ohne Namen auskommen. Dogman, das bei den Filmfestspielen von Cannes 2018 Premiere feierte, wandelt zwischen Surrealem und Melancholischen, spielt mit der Faszination verlassener Plätze.

In erster Linie ist Dogman aber die Geschichte eines Mannes, der immer mehr abrutscht. Marcello Fonte, der in Cannes hierfür als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet wurde, verkörpert einen Menschen, der eigentlich niemandem etwas Böses wollte, gar nicht die Ambitionen auf mehr hat. Der treu ist, treudoof auch, selbst in Momenten, in denen er vor allem sich selbst schadet. Einer, der so gar nicht der Typ ist, um sich jemandem wie Simoncino zu widersetzen, der weder die Physis noch die psychischen Voraussetzungen mit sich bringt.

Mitanzusehen, wie er unter dem Einfluss des Grobians immer schlimmere und verzweifeltere Dinge tut, verleiht dem Film eine Tragik, die weit über die maroden Häuser und schmutzigen Strassen hinausgeht. Wenn nicht einmal er, der nette, unscheinbare Hundesitter und -friseur sich der Abwärtsspirale wiedersetzen kann, wer denn dann? Düster sind natürlich viele Filme. Kaum einer hat einen aber zuletzt vergleichbar hoffnungslos wieder in die Welt hinausgeschickt wie der von Garrone.

Oliver Armknecht
film-rezensionen.de

Dogman

Italien

2018

-

99 min.

Regie: Matteo Garrone

Drehbuch: Ugo Chiti, Matteo Garrone, Massimo Gaudioso

Darsteller: Marcello Fonte, Edoardo Pesce

Produktion: Paolo Del Brocco, Matteo Garrone, Jean Labadie, Jeremy Thomas

Musik: Michele Braga

Kamera: Nicolai Brüel

Schnitt: Marco Spoletini

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 4.0) Lizenz.