Rezension zum Film von Doris Dörrie Grüsse aus Fukushima
Kultur
Es sind wunderbare, geradezu gespenstische Bilder, mit denen uns Doris Dörrie hier auf eine Reise in die Vergangenheit mitnimmt. Die Geschichte um Verluste und deren Aufbereitung ist jedoch weniger spannend, dafür ist „Grüsse aus Fukushima“ an vielen Stellen einfach zu plump und repetitiv.
Mehr Artikel
17. September 2016
1
0
4 min.
Drucken
Korrektur
Dass Doris Dörrie ein Faible für Japan hat, das dürfte sich inzwischen rumgesprochen haben: Nicht nur, dass sie das Land der aufgehenden Sonne ausgiebig bereist hat, in ihren Filmen Erleuchtung garantiert und Kirschblüten – Hanami durfte sie dieses Faible auch künstlerisch ausleben. Nachdem sie in ihrem letzten Spielfilm Alles inklusive einen kurzen Abstecher in einen spanischen Massentouristenort gemacht kehrt, kehrt sie hier dann in das Land der Kirschblüten und Geishas zurück. Und grösser hätte der Kontrast wohl kaum ausfallen können: Auf der einen Seite das Lärmende und Schrille, hier hingegen ist alles bedächtig und still, zurückgenommen, nicht ganz wirklich.
Das liegt neben den Eigenarten der beiden Schauplätze – eine überfüllte Touristenhochburg und ein Ort, an dem niemand mehr sein mag, alle jungen Menschen längst weggezogen sind –, vor allem an den Bildern. Ähnlich wie ihr japanischer Kollegen Sion Sono in The Whispering Star begibt sich Dörrie an von Menschen verlassene Plätze in Fukushima, raubt ihnen dabei auch noch jegliche Farbe – mit einem geradezu gespenstischen Ergebnis. Die Schwarz-Weiss-Aufnahmen leben natürlich auch von der Gewissheit, dass hier eben niemand mehr lebt. Mehr noch, dass viele aufgrund der Katastrophe ihr Leben lassen mussten. Aber es ist eben auch ein Ort, der gerade durch seine Losgelöstheit keine Flucht mehr zulässt, keine andere Welt: Sowohl Marie wie auch Satomi müssen sich hier den Geistern ihrer Vergangenheit stellen, sich mit ihren Verlusten auseinandersetzen und damit zu leben lernen.
Atmosphärisch ist das zum Teil wundervoll gelöst: Wenn wir durch Satomis halb verfallenes Haus laufen, voller alter, zum Teil zerstörter Erinnerungsstücke, oder auch über den leeren Strand, dann stellt sich das Gefühl von selbst ein, hier etwas Wichtiges verloren zu haben. Aber auch wenn Dörrie ihre Melancholie durchbricht und die beiden grundverschiedenen Frauen kleine Momente teilen lässt, was manchmal recht komisch sein kann. Dennoch ist wie schon bei Alles inklusive dieser Part der weniger gelungene. Es ist oft einfach nicht sehr subtil, was die deutsche Filmemacherin da mit ihren Figuren macht, so wie die Figuren an sich nicht wirklich interessant sind. Marie ist laut, Satomi ist gemein. Das erfahren wir schnell, mehr als das kommt aber auch nicht wirklich hinzu – trotz der diversen Flashbacks, in denen die jeweiligen Verluste verdeutlicht werden, bleibt es hier an der Oberfläche.
Und spätestens wenn Grüsse aus Fukushima die Geister der Vergangenheit real werden lässt, würde man sich wünschen, der Film hätte inhaltlich diese filigrane Losgelöstheit, welche die Bilder so auszeichnet. Stattdessen wird er zu oft zu dem Elefanten, als den Satomi ihre junge deutsche Begleiterin bezeichnet, was bei dem Thema dann doch eine geradezu ärgerliche Verschwendung ist.
Grüsse aus Fukushima
Deutschland
2016
-108 min.
Regie: Doris Dörrie
Drehbuch: Doris Dörrie
Darsteller: Rosalie Thomass, Kaori Momoi, Aya Irizuki
Produktion: Harry Kügler
Musik: Ulrike Haage
Kamera: Hanno Lentz
Schnitt: Frank J. Müller
Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 3.0) Lizenz.