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Ein verborgenes Leben

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Ein verborgenes Leben Die ganze Bandbreite der Gefühle

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Kultur

Gestalterische Eigenheiten und eine Laufzeit von fast drei Stunden machen „Ein verborgenes Leben“ zu einem eher herausfordernden Film, der höchstwahrscheinlich auch nicht bei jedem denselben Anklang finden wird.

August Diehl auf der Berlinale 2013.
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August Diehl auf der Berlinale 2013. Foto: Avda (CC-BY-SA 3.0 unported - cropped)

Datum 16. Juli 2024
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Lesezeit4 min.
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Malick bewegt sich zudem mit seinem Werk auf vertrauten Pfaden und überrascht letztendlich wenig. Dennoch glänzt er dabei aber mit einen grossartigem Ensemble und einer Dramaturgie, die gerade im letzten Drittel noch ordentlich an Stärke gewinnt.

Im abgeschiedenen österreichischen Bergdorf Radegund lebt Franz Jägerstätter (August Diehl) mit seiner Familie. Bisher noch unbehelligt und fernab des Krieges, der bereits anderswo tobt, hofft der Familienvater, dass ihm der Dienst an der Waffe verschont bleibt. Schliesslich müssen die Bauern wie er immer noch die Menschen mit den angebauten Lebensmitteln versorgen. Jeden Tag, den der Postbote in den Ort gefahren kommt, wird zur nervenaufreibenden Angelegenheit und Zitterpartie.

Nicht nur dass Franz die Ideologien des Regimes nicht teilt, er würde auch niemals unschuldige Menschen töten, um anderer Willen durchzusetzen. Aber dann ist es eines Tages soweit und ihm steht die Einberufung bevor. Franz hält jedoch an seinen Überzeugungen, sowie seinem Glauben fest und verweigert den Dienst. Dafür wird er umgehend inhaftiert und sieht nun einer der schwierigsten Entscheidungen seines Lebens entgegen. Sich selbst treu bleiben und das eigene Leben riskieren oder eigene Überzeugungen verraten um sich selbst zu retten, dafür aber anderen Leid zufügen?

Dass Terrence Malick nicht nach jedermanns Geschmack ist, zeigt sich einmal mehr an seinem neuen Werk Ein verborgenes Leben, welcher bereits in Cannes dieses Jahr Premiere feierte und dort im Wettbewerb um die Goldene Palme neben Parasite, Porträt einer jungen Frau in Flammen und Once Upon a Time in … Hollywood lief. Die einen wünschen sich Malick zurück, wie er es einmal mit seinen ersten Filmen wie Badlands war, die anderen feiern des Regisseurs Comeback. Denn Malicks Filmographie ist alles andere als beständig. Neue Filme lassen da immer wieder mal mehr mal weniger auf sich warten, von den 20 Jahren Schaffenspause in seinem Leben ganz zu schweigen.

Grosse Bilder von früher

Dass aber Malick immer noch unverkennbar Malick ist, sieht man seinem neuen Werk dennoch nach wie vor an. Ausgedehnte Landschafts- und Naturaufnahmen, viele Kameraeinstellungen im Weitwinkel und das Gefühl von viel Improvisation innerhalb der Geschichte sind wohl nur einige wenige Merkmale, die einem sehr vertraut vorkommen werden. Für Malick Neulinge mag der Film stilistisch im ersten Moment vielleicht noch befremdlich wirken, erinnert aber gleichzeitig auch ein wenig an den diesjährigen Oscarbeitrag The Favourite – Intrigen und Irrsinn, der ebenfalls eine Vorliebe für den grossen Bildausschnitt hatte, auch wenn das dort bei weitem noch deutlicher zu Tage trat.

Ohne jegliche Hast wiegelt sich Regisseur hier in seiner Geschichte um Franz Jägerstätter von einer Momentaufnahme zur nächsten, von einem Blick über die Berge zum nächsten. Geduld sollte man also auf jeden Fall mitbringen, um sich auf das fast drei Stunden lange Werk wirklich einlassen zu können. Aber selbst dann ist Ein verborgenes Leben nicht gerade einfach. Immer wieder reisst Malick Szenen auseinander oder stört den Handlungsfluss, indem ganz unpassend Schnitte gesetzt werden, die den Eindruck von Improvisation oftmals zu stark hervorheben. Gleiche Figuren, aber ganz plötzlich in veränderter Haltung zueinander. Manchmal sind es aber auch zwischen geschnittene Close Ups von mehr oder weniger unbeteiligten Personen, die ebenso wenig Mehrwert in den Momenten bieten wie sie Sinn machen.

Die ganze Bandbreite der Gefühle

Tatsächlich einen solchen in dem Film zu finden gestaltet sich damit als eine kleine cineastische Herausforderung, der man sich aber trotz alledem unbedingt stellen sollte. Die Atmosphäre, die der Regisseur hier erschafft, reicht von bedrohlich-bedrückend – fast möchte man meinen hier einen Horrorfilm à la The Witch vor sich zu haben – bis anmutig stolz. Die Palette ist gross und gerade im letzten Drittel entwickelt Ein verborgenes Leben seine volle Kraft und besticht mit starken Szenen, die das vorwiegend deutsche Ensemble da auf die Leinwand bringt.

Ohnehin ist die Besetzung für den Film eine Erfüllung für jeden, der sich bei deutschen Filmen etwas auskennt und sie liebt. Selbst kleine Rollen sind mit bekannten Gesichtern besetzt und sorgen auch für die eine oder andere angenehme Überraschung. Etwa wenn wir Bruno Ganz (Der Himmel über Berlin, The House That Jack Built) und Hauptdarsteller August Diehl (Die kommenden Tage, Salt) noch einmal in einer der stärksten Szenen des gesamten Films zusammen erleben dürfen. Aber auch das Zusammenspiel mit Valerie Pachner (All My Loving, Der Boden unter den Füssen) ist wunderschön mitanzusehen. Malick beweist letztendlich doch einmal mehr, wie ein bedachtes, stilvolles und starkes Drama aussehen kann.

Madeleine Eger
film-rezensionen.de

Ein verborgenes Leben

Deutschland, USA

2019

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174 min.

Regie: Terrence Malick

Drehbuch: Terrence Malick

Darsteller: August Diehl, Valerie Pachner, Maria Simon

Produktion: Elisabeth Bentley, Grant Hill,

Musik: James Newton Howard

Kamera: Jörg Widmer

Schnitt: Rehman Nizar Ali

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 4.0) Lizenz.