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Madame Sidonie in Japan

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Madame Sidonie in Japan Leises Drama über Verlust und Neuanfang

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Kultur

„Madame Sidonie in Japan“ begleitet eine kriselnde französische Autorin nach Japan, wo sie sich mit dem Geist ihres verstorbenen Manns auseinandersetzen muss.

Die Schauspielerin Isabelle Huppert auf der Berlinale 2024.
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Die Schauspielerin Isabelle Huppert auf der Berlinale 2024. Foto: Harald Krichel (CC-BY-SA 4.0 cropped)

Datum 31. Juli 2024
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Statt Culture-Clash-Komik gibt es hier ein leises Drama über Verlust und Trauer, welches gleichzeitig Hoffnung spendet und dazu ermuntert, die Vergangenheit hinter sich zu lassen.

Mit ihren Romanen hat die französische Schriftstellerin Sidonie Perceval (Isabelle Huppert) weltweit Erfolg und Anerkennung gefunden. So auch in Japan, wo ihr Debüt noch einmal neu aufgelegt werden soll. Anfangs zögert sie noch, die Einladung ihres Verlegers Kenzo (Tsuyoshi Ihara) anzunehmen, selbst in das Land zu reisen und die Veröffentlichung zu begleiten. Am Ende sagt sie zu, tut sich in der Fremde jedoch schwer. Nicht nur, dass da diverse lokale Eigenheiten sind, mit denen sie sich erst noch arrangieren muss. Sie muss sich vor allem mit ihrer eigenen Vergangenheit auseinandersetzen, als sie wiederholt den Geist ihres Ehemannes Antoine (August Diehl), über dessen Tod sie noch immer nicht hinweggekommen ist …

Selbstsuche in der Fremde

Ein fremdes Land zu bereisen, kann immer wieder eine lohnenswerte Erfahrung sein, um neue Eindrücke zu gewinnen und sich dabei selbst weiterzuentwickeln. Das heisst aber nicht, dass dies ein Selbstläufer ist und es auf dem Weg zur Erkenntnis nicht diverse Schwierigkeiten warten können. Nicht ohne Grund gibt es so viele Komödien, die sich mit dem Motiv des Culture Clashs befassen. Zumindest anfangs meint man bei Madame Sidonie in Japan noch, es könne sich um einen dieser Filme handeln. Wenn die Protagonistin beispielsweise mit den Verbeugungen hadert, nicht so wirklich weiss, wie sie sich verhalten soll, hat das schon eine humorvolle Note. Die Schriftstellerin ist in dem fernöstlichen Land ein Fremdkörper und treibt ziellos umher.

Der Vergleich zu Lost In Translation – Zwischen den Welten drängt sich da schon irgendwie auf. Dort war es ein alternder Filmstar, der sich in der Fremde zu suchen versucht. Bei Madame Sidonie in Japan ist es eine Schriftstellerin, die ebenfalls in einer Art Sinnkrise steckt und die durch den Aufenthalt im Ausland zu sich findet. Während dies bei dem obigen Film aber oft mit einem wenn auch leisen Humor eingeht, wird die europäische Coproduktion ernster. Schon ein erstes Interview, welches die Autorin gibt, verweist auf eine traurige Vergangenheit, die sie damals durch die Arbeit an einem Roman verarbeitete. Vor allem aber der Tod ihres Manns, den sie im weiteren Verlauf immer wieder in allen unmöglichen Situationen sieht, wird zu einem wichtigen Element.

Leises Drama über Verlust und Neuanfang

Ob es diesen Geist tatsächlich gibt oder nicht, wird dabei nie völlig geklärt. Schliesslich ist Sidonie die Einzige, die ihn sehen kann. Doch darum geht es letztendlich auch gar nicht. Bei dem Film geht es nicht um übernatürliche Ereignisse. Es geht streng genommen nicht einmal um Antoine. Zwar wird er im weiteren Verlauf etwas konkreter und wir erfahren mehr über ihn sowie die Beziehung, die er mit der Protagonistin führte. Aber er bleibt selbst dann weniger greifbar. Stattdessen erzählt Regisseurin und Co-Autorin Élise Girard von jemandem, der in der Vergangenheit steckengeblieben ist und sich von dieser lösen muss, um eine Zukunft zu finden. Letztere wird durch Kenzo symbolisiert, der anfangs nur der Verleger ist, sich aber bald als Love Interest etabliert.

Das Drama, welches 2023 in Venedig Weltpremiere hatte, hat damit eine sehr lebensbejahende Ausrichtung. Madame Sidonie in Japan will Trost spenden und muntert dazu auf, sich mit unterdrückten Gefühlen auseinanderzusetzen. Dabei verzichtet Girard auf Kitsch oder unnötige Zuspitzungen. Der Film richtet sich daher an ein Publikum, das es etwas leiser und nachdenklicher mag. Viel Handlung gibt es nicht, Abwechslung auch nicht. Manche werden das daher auf Dauer etwas langweilig finden, gerade in der zweiten Hälfte geht es nur noch langsam voran. Sehenswert ist das die Auseinandersetzung mit Trauer und Verlust aber schon, allein schon wegen Isabelle Huppert als trauernder Witwe, die nicht so wirklich weiter weiss in ihrem Leben.

Oliver Armknecht
film-rezensionen.de

Madame Sidonie in Japan

Frankreich

2023

-

95 min.

Regie: Élise Girard

Drehbuch: Maud Ameline, Élise Girard, Sophie Fillières

Darsteller: Isabelle Huppert, Tsuyoshi Ihara, August Diehl

Produktion: Sebastién Haguenauer

Musik: Gérard Massini

Kamera: Céline Bozon

Schnitt: Thomas Glaser

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 4.0) Lizenz.