Doch das Glück war nicht von lange Dauer, denn als sie mit einem anderen Mann eine Beziehung einging, konnte Eriguchi dies nicht akzeptieren. Naomi versucht, den ehemaligen Boxer aufzumuntern, bietet ihm gar an, mit ihm zu schlafen, doch ihr Gegenüber braucht weitaus mehr als ein paar schöne Stunden. Die junge Frau, die ihrerseits eine harte Zeit durchgemacht hat, verliebt sich dennoch in den Boxer und will ihn seine vergangene Liebe vergessen machen.
Ein Pionier des Pink-Film
Neben seinem Kollegen Koji Wakamatsu gehört Kan Mukai zu den fleissigsten und wichtigsten Regisseuren des Pink-Film-Genre in den 1960ern und darüber hinaus. Von seinen insgesamt 200 Filmen entstanden ein Grossteil in den 1960ern und fanden sogar ihren Weg bis in europäische und US-amerikanische Kinos. Wie viele andere Regisseure, die vornehmlich Pink-Filme drehten, nutzte auch Mukai die relativ liberalen Vorgaben seiner Produzenten, um etwas zu schaffen, was zwar den Konventionen einer solchen Produktion entsprach, visuell und erzählerisch aber auch eigene Wege ging. Ein Projekt, bei dem ihm dies gelungen ist, ist Naomi von 1966, der in Deutschland unter dem Titel Unersättliche Triebe bekannt ist und der ab September 2023 in einigen ausgewählten Kinos im Rahmen der Zeitlos-Reihe von Rapid Eye Movies zu sehen ist.Generell bewegen sich Pink-Filme immer irgendwo zwischen Exploitation und Pornografie, und es gibt nicht wenige Werke, die beide Aspekte miteinander vereinen. Sowohl Mukai wie auch Wakamatsu nutzten solche Elemente in ihren Filmen, doch schon nach den ersten paar Minuten von Naomi fällt auf, dass wir es hier mit einer ganz anderen Sorte Film zu tun haben, der Sexualität und Gewalt anders definiert, als man es vom Genre gewohnt ist. Ästhetisch wirken viele Bilder schon fast, als hätten Regisseur Mukai und Kameramann Shiro Suzuki sich beim Film Noir einige Inspirationen geholt, wie auch Drehbuchautor Toshio Godai bei der Figurengestaltung.
Es sind zwar keine Gangster oder Schiessereien zu finden, doch dafür gebrochene Menschen, die sich nach einem Neuanfang sehen. Es ist eine Welt, die einem nicht viele Chancen lässt, und einem das Glück schnell wieder nimmt, wie sowohl Eriguchi als auch Naomi wissen, die ihre Erfahrungen mit Verlust und Liebe gemacht haben. Überlegenheit weilt nur kurz, doch wer einmal von ihr gekostet hat, will dies noch einmal, was der Beginn eines langen Kampfes mit einem selbst ist, wie es bei den beiden Hauptfiguren der Fall ist.