Pale Rider – Der namenlose Reiter Das Geheimnis des Reiters
Kultur
Die Geschichte ist klassisch, ja fast schon ein Western-Klischee in all seinen Einzelheiten.
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30. Juni 2023
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Insofern scheint „Pale Rider” ein Western wie viele andere vor ihm. Doch Eastwood implementiert mit dem Helden etwas so ganz anderes, als wir es vom einsamen Western-Helden gewohnt sind. Den pale rider umgibt etwas Mysteriöses, etwas Magisches, ja geradezu etwas Unwirkliches.
Der Bösewicht heisst Coy LaHood (Richard A. Dysart), sein Sohn Josh (Chris Penn). LaHood will Gold finden, nicht irgendwelche Peanuts, sondern viel Gold. Er lässt seine Männer ganze Berge abtragen, und die etwas ausserhalb des Ortes liegende Siedlung einiger kleiner Goldgräber, die ein bisschen von dem wertvollen Material finden wollen, um sich eine Existenz aufzubauen, stört LaHood schon lange. Ab und an terrorisieren seine Männer die kleine Siedlung, zerstören Hütten und anderes oder leiten das Wasser, dass die Leute so dringend benötigen, um. In der Siedlung leben Sarah Wheeler (Carrie Snodgress) und ihre 15jährige Tochter Megan (Sydney Penny), vor Jahren verlassen von Mann bzw. Vater, um die sich nun Hull Barret (Michael Moriarty) kümmert, der in Sarah verliebt ist. Weder sie, noch die anderen Goldgräber wagen es jedoch, sich gegen LaHood aufzulehnen.
Als Barret wieder einmal in den Ort fährt, um einzukaufen, wird er von LaHoods Männern zusammengeschlagen – bis ein unbekannter Reiter (Clint Eastwood) ihm zu Hilfe kommt. Aus Dankbarkeit nimmt LaHood ihn mit in die Siedlung. Der namenlose Reiter entpuppt sich als Prediger, der selbst mit dem scheinbar stärksten Mann LaHoods, Club (Richard Kiel), einem Muskelpaket, leicht fertig wird.
Der Prediger, der LaHood ein Dorn im Auge ist, will vermitteln. LaHood solle den Siedlern 1.000 Dollar pro Nase anbieten, damit diese die Siedlung verlassen. Doch die Siedler lehnen ab. Die Situation spitzt sich zu, als bekannt wird, dass LaHood den korrupten Marshall Stockburn (John Russell) samt seiner sechs Deputies angeheuert hat, um den Prediger und die Siedler zu vertreiben ...
Der Prediger ist in „Pale Rider” das zentrale Moment der Geschichte. Alles andere ist für sich genommen zwar bekannt aus anderen Western, verändert sich allerdings durch die Darstellung des Predigers. „Pale Rider” stellt in gewisser Hinsicht eine Mythologisierung des Western-Mythos, eine Verdopplung des Mythischen des Genres dar. Wer der Prediger eigentlich ist, bleibt bis zum Schluss des Films unklar. Nur schwache Hinweise deuten auf etwas, was seine Person betrifft, ohne seine Identität wirklich aufzuklären.
Da sind einmal die vernarbten Wunden auf seinem Rücken, die möglicherweise auf Einschussstellen hinweisen. Da ist zunächst die Vermutung, später die sichere Erkenntnis, dass Marshall Stockburn den Prediger kennt. Er erschrickt, als der Prediger ihm beim Duell sein Gesicht offenbart. Da ist die Tatsache, dass sich der Prediger für einen gläubigen Mann ausgibt, der doch zugleich eher wie ein Revolverheld auftritt und sowohl mit dem Colt oder dem Gewehr, als auch mit Schlagstöcken perfekt umzugehen weiss. Da ist das gekonnte Versteckspiel vor Stockburn und seinen Deputies, gegen die er den Kampf aufnimmt.
Viele Vermutungen drängen sich auf: Ist er ein ehemaliger Revolverheld, der nur in den Ort gekommen ist, um sich an Stockburn zu rächen und dazu den Konflikt zwischen LaHood und den Siedlern nutzt? Ist er ein Bekehrter, der von seinem früheren Dasein als Killer Abschied genommen hat? Ist er gar ein Geist, ein Toter, der nur für kurze Zeit auferstanden ist, um für Gerechtigkeit zu sorgen? Schliesslich deutet Stockburn gegenüber LaHood selbst an, dass er sich vorstellen könne, wer der Prediger sei, aber die Person, an die er denke, sei längst tot.
Der Prediger, in den sich sowohl Sarah, als auch ihre Tochter Megan verlieben, weiss, dass er nach erledigter Arbeit wieder gehen muss. Eastwood bedient sich einiger visueller Anleihen aus anderen Western, etwa in der Darstellung von Stockburn und seinen Deputies, die mehr oder weniger Leones „Spiel mir das Lied vom Tod” entliehen sein könnten, um den Mythos Western in einem Spannungsfeld zwischen Realität und Fiktion für das Publikum in der Schwebe zu halten.
Der Prediger als nicht identifizierbare Gestalt, als ungewisse, aber dennoch äusserst hilfreiche Figur bewirkt in ihrem Handeln, dass Zweifel am Genre insofern aufkommen, als die Siedler nicht aus eigener Kraft in der Lage sind, sich LaHood zu erwehren, weil sie einer quasi mythischen Macht bedürfen, eines Unverletzbaren, der genauso plötzlich aufgetaucht ist, wie er wieder gehen wird. Erst zum Schluss ist es Hull Barret, der als Vertreter der Siedler diese vermeintliche Unverletzlichkeit der Lüge straft, indem er dem Prediger das Leben rettet.
„Pale Rider” wirkt – anders als von der Struktur der Geschichte her vergleichbare Western – wie ein zweifelnder Kommentar, gerade weil er die Geschichte als geradezu schicksalhaft erzählt – so, als ob von vornherein bestimmt wäre, dass der Prediger siegen wird.
Pale Rider – Der namenlose Reiter
USA
1985
-113 min.
Regie: Clint Eastwood
Drehbuch: Michael Butler, Dennis Shryack
Darsteller: Clint Eastwood, Michael Moriarty, Carrie Snodgress
Produktion: Clint Eastwood
Musik: Lennie Niehaus
Kamera: Bruce Surtees
Schnitt: Joel Cox