Im Jahr 1950 ist Jackson Pollock (Ed Harris) der meist umworbene US-amerikanische Maler dieser Zeit. Während einer Ausstellung in Manhattan, auf der er für Anhänger seiner Kunst einen Artikel im Life-Magazine signiert, blickt er plötzlich, geistesabwesend in die Ferne, in seine ungewisse Zukunft? Pollock hat alles erreicht, was zu erreichen war. Seine Bilder werden gut verkauft. Doch Pollock leidet – an sich selbst; er ist depressiv, hochneurotisch und trinkt.
Schnitt: Zusammen mit seinem Bruder Sande (Robert Knott) und dessen Frau Arloie (Molly Regan) lebt Jackson Pollock 1941 in einer beengten Wohnung in Greenwich Village in New York. Arloie leidet unter Jacksons Alkoholismus, Depressionen und Ausbrüchen. Sande steht zu seinem Bruder, mehr hilflos, als dass er irgend etwas für ihn tun könnte. Eines Tages taucht bei Pollock die Malerin Lee Krasner (Marcia Gay Harden) auf. Sie will ihn und seine Malerei kennen lernen, bittet ihn, sie in ihrem Atelier zu besuchen. Erst drei Wochen später taucht Pollock bei Lee auf. Lee verliebt sich in Pollock und seine Malerei; die beiden ziehen zusammen und Lee versucht alles, um Pollock und seine Bilder bekannt zu machen, stellt ihre eigene Arbeit zurück, versucht, Pollock vom Alkohol wegzubekommen.
Da bietet sich eine Gelegenheit, als Jacksons Freund Reuben Kadish (Matthew Sussman) mit Howard Putzel (Bud Cort) ihn aufsucht. Putzel arbeitet für die Galeristin Peggy Guggenheim (Amy Madigan) und ist von Jacksons Bildern fasziniert. Eine erste Ausstellung bei der Guggenheim findet statt; Jackson bekommt sogar einen persönlichen Auftrag von der Galeristin: ein riesiges Wandgemälde für die Eingangshalle ihrer Wohnung.
Doch die Ausstellung trifft bei den meisten Kritikern und Kunstsachverständigen auf Skepsis. Nur der Kunstkritiker Clement Greenberg (Jeffrey Tambor), ein Mann mit scharfem Verstand, einem Gefühl für neue Ideen in der Kunst und einem Gespür für den Kunstmarkt begleitet Pollocks Arbeiten mit allerdings immer kritischer Unterstützung. Auch Malerkollege Willem DeKooning (Val Kilmer) und der Architekt und Freund Pollocks Tony Smith (John Heard) stehen hinter Jackson und seiner Malerei.
Lee, die ihre ganze Kraft Jackson widmet, weil sie an ihn glaubt, macht Pollock einen Heiratsantrag. Er nimmt an. Um Pollock vom Alkohol zu entwöhnen und ihm die nötige Ruhe für seine Arbeit zu verschaffen, kauft Lee ein heruntergekommenes Anwesen in East Hampton, ausserhalb des Ortes. Lee schafft es, dass Jackson zwei Jahre keinen Tropfen Alkohol anrührt. Und jetzt findet er tatsächlich die Musse in der Abgeschiedenheit, um seinen eigenen Stil zu finden. Seine besten Bilder entstehen mit Hilfe des sog. Drip Painting. Dabei wird der Pinsel nicht mehr über die Leinwand geführt, sondern mit Pinsel oder Stock wird die Farbe auf die Leinwand gegossen oder getropft. Diese Bilder verhelfen Jackson zum Durchbruch. Im Life-Magazine erscheint der berühmt gewordene Artikel „Jackson Pollock: Ist er der grösste, lebende Maler der Vereinigten Staaten?“
Aber Pollock kann den Ruhm nicht verkraften. Auf der anfangs des Films gezeigten Ausstellungseröffnung blickt er Lee in die Augen, voller Dankbarkeit, aber sich auch bewusst, dass sich seine Depressionen wie sein aggressives Verhalten verschlimmern werden. Die folgenden sechs Jahre bis zu seinem Tod werden für ihn und Lee die Hölle ...
Um die Realisierung dieses Film hatte Ed Harris mehr als zehn Jahre gekämpft. Herausgekommen ist der beeindruckende Versuch einer Annäherung an den bis heute voller Rätsel steckenden Künstler Jackson Pollock. Das gilt nicht nur für die Person, sondern auch für ihr Werk, das kaum in eine der üblichen Kategorien einzuordnen und schwer zugänglich ist. Pollock selbst beantwortete Fragen nach dem Zugang zu seinen Bildern z.B. mit dem Satz: Wenn man sich an einem Blumenbeet erfreue, frage man doch auch nicht nach dem Sinn des Gesehenen. In einem Radiointerview kommentierte er seine Bilder mit der Bemerkung, sie zeigten das, was in ihm vorgehe, so wie das bei allen Künstlern, auch der fernen Vergangenheit immer gewesen wäre. Doch diese Begründung ist sicherlich teilweise Spiegelbild dessen, was Pollocks Labilität ausmachte. Pollock ist nicht festzumachen, weder künstlerisch noch menschlich eindeutig identifizierbar, auch wenn viele dies im Brustton der Überzeugung getan haben und noch tun.
Ed Harris Annäherungsversuch ist gekennzeichnet von intensivem Bemühen um Verständnis. Er selbst spielt einen Jackson Pollock, dem man anmerkt, wie eindringlich sich Harris in diese Rolle hineinzuversetzen versucht. Dieser Versuch musste scheitern, aber nicht, weil es hätte auch besser gelingen können, weil Harris Inszenierung von Fehlern und Schwächen geprägt wäre, sondern weil es wahrscheinlich unmöglich ist, Pollock wirklich zu verstehen. Es bleibt offen und musste wahrscheinlich offen bleiben, warum dieser Mensch derart depressiv und mit sich und der Welt im „Unreinen“ geblieben ist. Harris deutet an: das schwierige Verhältnis Jacksons zu seiner Mutter, sein fast ständiges Bemühen um Aufmerksamkeit. Seine Aggressionen, wenn er zwar Aufmerksamkeit für seine Bilder, aber nicht für seine Person erhält (so uriniert er während eines Empfangs bei der Guggenheim vor allen Gästen provokativ in deren Kamin). Pollock – so könnte man schlussfolgern – verstand sich selbst am wenigsten, aber er verlangte von allen anderen, ihn zu verstehen.
Harris Annäherung an Jackson scheitert, wie Lee Krasner an ihrem Mann und wie Pollock letztlich an sich selbst gescheitert ist. Für mich ist dies das grosse Plus dieses Films. Es gibt keine verschlüsselten Rätsel über Jackson zu lüften, weil dazu niemand in der Lage ist. Über Pollocks Kindheit, sein Aufwachsen erfährt man in Harris Film so gut wie nichts. Nur eine Äusserung im Gespräch mit einem Freund – man solle meinen, die Kindheit und Jugend würde einem deshalb so schwer gemacht, damit man später im Leben besser zurecht komme. Das sei falsch; es werde nur noch schlimmer – deutet das „kritische Zentrum“ seiner Existenz an, ohne es erklären zu können.
Für unseren gebildeten Verstand – um es einmal so auszudrücken – ist es fast zur Normalität geworden, die Ursachen für „menschliches Fehlverhalten“, psychische „Abweichungen“ usw. in Kindheit und Jugend zu suchen. „Pollock“ wird dabei nicht fündig. Vielleicht liegt die Wahrheit auch andernorts, nämlich dort, wo diese Suche in den Anfängen – jedenfalls für sich allein – nicht erfolgreich sein kann. Es gab und gibt immer wieder Menschen, für deren Verhalten, Denken, Fühlen sich der logische und psychologisch-geschulte Verstand, der alles ergründen zu können glaubt, als unzureichend erweist. Harris hat auf in gewisser Hinsicht überraschende Weise vollständig darauf verzichtet, sich einer solchen psychologischen Erklärung der Person Pollocks hinzugeben. Er zeigt Pollock, wie er war bzw. Harris es vermutet – in Sympathie, in Mitgefühl ohne Grenzen, aber auch in eigener Verzweiflung, in Liebe und Hass. Pollock, ein Mensch der mit sich und seinem So-Sein in der Welt nicht auf „normale“ Weise zurecht kommt. Und doch findet er einen Weg, der uns allen nicht passt und im Tod endet (ob es nun Selbstmord oder fahrlässiger Unfall war).
Hier ist Harris stark. Er meidet jegliche Psychologisierung, denn die hätte fatale Folgen gehabt. Er zeigt einen Pollock, er führt ihn uns vor, wie er war, ohne zu erklären, was sich dem logischen Verstand zumindest zu weiten Teilen entzieht.
Mit einer solchen Erklärung des Nicht-Erklärbaren sind viele nicht einverstanden und suchen in dem Film die Mängel dort, wo die Psychologie fehlt oder das Erzählerische Unwohlsein verschafft. In einer Filmkritik versteigt sich ein Kritiker z.B. unter einem Wortschwall abwertender Bemerkungen zu der wahnwitzigen Behauptung, Harris wolle uns die Nation USA (Pollock als „Cowboy“, „ungebändigte amerikanische Prärie“ usw.), die konservativen Werte und das Bild einer positiv besetzten treusorgenden Ehefrau („ideelle amerikanische Gesamtfrau“) vermitteln. Irgend etwas muss sich in dem Film doch verschworen haben, was der US-Nation nützlich ist, oder? Solche Kritiken sind für mich Reaktionen auf den Widerwillen, nicht alles erklären zu können; sie reissen aus in das Extrem der plakativen, auf Stereotypen setzenden Verdammung. In ihnen geht es letztlich kaum noch um den Film, um Pollock, um Krasner, sondern um das selbst installierte Feindbild. Man weiss, dass Feindbilder eine äusserst einfache Möglichkeit sind, Problemen aus dem Weg zu gehen, indem man ihre Komponenten in Schablonen presst oder das, was nicht hineinpasst, aus dem ideologisch bestimmten Prokrustesbett weist; doch das bedeutet Kapitulation vor diesen Problemen oder Konflikten. Was man nicht versteht oder verstehen will, was einem nicht in den Kram der eigenen ideologischen Verblendung passt, das muss woanders gesucht und – wenn nötig – in alle Ewigkeit verdammt werden.
Gerade diese Tendenz aber vermeidet Ed Harris in der Darstellung seines Pollock. Am stärksten ist er als Pollock dort, wo er wie der Künstler malt, die Leinwand ausbreitet, sie lange anschaut, zum Pinsel greift, kleckst, Linien zieht, um die Leinwand herumgeht, schaut, emsig oder langsam weiter seine Striche, dick, dünn, verworren, kaum geradlinig zieht, die Leinwand füllt, mit dicker Farbe verbirgt, Dichte erzeugt, sein Innerstes aufträgt (passend untermalt von der Musik Jeff Beals). Harris spielt Pollock in seiner ganzen, ja: Unfähigkeit als Egomane, der an sich selbst scheitert, der sich selbst für den grössten zeitgenössischen Künstler hält, auf Picasso schimpft, weil er ihn beneidet, aber ebenso als Liebenden, der an der Liebe zu sich und anderen scheitert, der im Alkohol und in anderen Frauen sich selbst sucht, andere, vor allem Lee, dabei vergisst, verletzt, instrumentalisiert und sich von ihnen abwendet, und doch genau weiss, was er tut und was mit ihm los ist. Doch das Scheitern Pollocks – das ist vielleicht eine Wahrheit dieses Films – ist „nur“ (viel) grösser und einfach anders als unser aller Scheitern. In ihm spiegeln sich (jedenfalls auch) die seelischen Abgründe, die irgendwo in uns allen schlummern, auf eine extreme, für manchen vielleicht allzu sichtbare Art.
Lee Krasner ist wahrlich alles andere als das konservative Vorzeigemodell der „ideellen amerikanischen Gesamtfrau“. Sie liebt diesen Pollock, bis zum Schluss, und mit allen Konsequenzen, freiwillig und von Herzen. Sie will sich nicht deshalb nicht von ihm trennen, weil sie ihm letztlich untertan ist, sondern weil sie ihn als Menschen und Künstler – für die Krasner kein Unterschied – liebt. Es hätte ihr (inwieweit das den tatsächlichen Verhältnissen entspricht, kann ich nicht beurteilen) jederzeit freigestanden zu gehen. Aber um es noch einmal zu betonen: Marcia Gay Harden spielt überzeugend und beeindruckend eine Frau, die weiss, was sie will, und nicht irgendein untertäniges Geschöpf. Ich weiss nicht, wem es ansteht, Lee Krasners Verhalten zu kritisieren, zu bemängeln, zu beurteilen, vor allem zu beurteilen, was in der Intimität des Lebens dieses Paares eine Rolle gespielt hat. Auch hier setzt Harris sich selbst Grenzen. Er versucht eben nicht, zu urteilen; er zeigt. Auch dies ist sicherlich in vielem Fiktion oder Spekulation, aber auf eine ehrliche und nicht auf eine beurteilende oder verurteilende Art und Weise.
Ed Harris Film ist im wahrsten Sinn eine Er-Zählung, eine Schilderung. Wenn überhaupt, ersucht Harris sein Publikum um ein besseres Verständnis für einen Mann – und eine Frau übrigens auch: Lee Krasner, die ebenfalls durch eine Hölle ging. Vielleicht ist es die (für einige vielleicht klammheimliche) Faszination für einen unerklärlichen, geheimnisvollen, genialen und wahnsinnigen Monomanen, die uns anzieht, die uns aber eben auch schwer zu schaffen macht, weil wir an eine Bandbreite des „Normalen“ gewöhnt sind, die solche Menschen als „unnormal“ ausstösst, eine Faszination, die – wie ich finde – Harris Film zu einem genialen Drama macht, mit allen Schwächen und allem Scheitern, das es letztlich beinhalten muss. Es gibt keine offenen Fragen, nur Fragen, auf die es keine Antwort gibt.
Harris gelang ein Film, der das, was wir „normalerweise“ unter „Normalität“ verstehen, brüchig macht; der Film verunsichert. Das Schwanken Pollocks zwischen Freude am Leben, tiefer Resignation, depressiven Phasen, Irritationen, Aggressionen, Lethargie und Jähzorn, selbstzerstörerischen Tendenzen und neuem Lebensmut wurde von Harris als Regisseur wie Schauspieler glänzend umgesetzt.
Wer „die Wahrheit“ über Jackson Pollock kennt, der werfe den ersten Stein. „Pollock“ gehört für mich zu einem der bedeutendsten Kinoereignisse der nuller Jahre. Vor allem Ed Harris und Marcia Gay Harden sorgen mit ihren subtilen, charakterlich hervorragenden schauspielerischen Leistungen für einen überzeugenden Film, der sich jeder Trivialpsychologie erfolgreich widersetzt und zudem zu einer Beschäftigung mit Leben und Werk Pollocks und Krasners durchaus anregt. -
Produktion: Cecilia Kate Roque, James F. Trezza, Jon Kilik, Fred Berner, Ed Harris