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Seabiscuit – Mit dem Willen zum Erfolg

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Seabiscuit – Mit dem Willen zum Erfolg Erzählkino der alten Schule

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Kultur

In grandiosen, farbenprächtigen und an Kostümen, Accessoires und Ausstattung nicht sparenden Bildern zaubert Ross ein beeindruckendes Bild des Amerika der 30er Jahre.

Tobey Maguire, April 2007.
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Tobey Maguire, April 2007. Foto: David Shankbone (CC BY 3.0 cropped)

Datum 5. Februar 2022
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In seinem zweiten Spielfilm nach „Pleasantville“ (1998) – ebenfalls mit Tobey Maguire und William H. Macy – entfaltet Gary Ross nach einem auf Tatsachen beruhenden Buch von Laura Hillenbrand ein lebendiges, farbenfrohes, nicht nur depressives Bild des Amerikas der 30er Jahre, der Zeit der Depression und des Versuchs der Regierung Roosevelt, das Land aus der schwersten Wirtschaftskrise der Staaten wieder herauszuführen. Die Geschichte zentriert sich um ein Rennpferd, das damals tatsächlich weite Teile der amerikanischen Bevölkerung in Atem hielt und als eine Art Symbol für den Weg aus der Krise galt: Seabiscuit.

Die Depression geht an niemandem spurlos vorbei. Charles Howard (Jeff Bridges), der mit dem Verkauf von Fahrrädern wenig Erfolg hat, steigt auf die Reparatur und den Verkauf von Autos um – und wird wohlhabend. Alles scheint, trotz der Armut und Verzweiflung um ihn und seine Familie herum, gut zu laufen, bis sein kleiner Sohn, dem Howard das Autofahren beigebracht hat, bei einer heimlichen Spritztour tödlich verunglückt und daraufhin Annie (Valerie Mahaffey) ihren Mann verlässt. Howard versucht, in Mexiko wieder auf die Beine zu kommen, und lernt dort seine zweite Frau, die junge Marcella (Elizabeth Banks) kennen. Howard sattelt um: Er will Pferde züchten, kaufen und mit Rennpferden Geld verdienen.

Johnny Pollards (Tobey Maguire) Familie hat in der Depression ihr gesamtes Vermögen verloren. Vater und Mutter Pollard (Michael O'Neill, Annie Corley) lassen Johnny bei einem Reitstallbesitzer zurück, der ihm Arbeit gibt, und ziehen wie Zehntausende von anderen Amerikanern weiter, um irgendwo im Land Arbeit zu finden. Johnny bleiben nur die Bücher, die sein Vater ihm gegeben hatte. Er ist verzweifelt, verbittert, lässt seinen Frust in Boxkämpfen zurück, die er zumeist verliert, und setzt sich in den Kopf, irgendwann einmal ein guter Jockey zu werden.

Der einsame Cowboy Tom Smith (Chris Cooper) hat ebenfalls seinen Job verloren. Nur ein Pferd ist ihm geblieben. Und mit Pferden kennt sich der stille, freundliche Einzelgänger sehr gut aus.

Howard sucht ein Rennpferd, einen Jockey und einen Mann, der sich mit Pferden auskennt. Tom wird engagiert, Johnny, den alle wegen seiner roten Haare Red nennen, wird eingestellt und Tom findet Seabiscuit, ein merkwürdiges Pferd, das mehr frisst als alle anderen und das sein Leben ansonsten damit zu verbringen scheint zu schlafen und zu träumen. Tom weckt Seabiscuit sozusagen auf. Geduldig und liebevoll trainieren er und Red Pollard das für Rennen eigentlich viel zu kleine Pferd, das im Stall erst Ruhe gibt, als Tom ihm ein anderes Pferd zur Seite stellt. Und Howard traut seinen Augen nicht, als der von allen für lahm gehaltene Gaul gleich sechs Rennen hintereinander gewinnt.

Howard will mehr. Er will, dass Seabiscuit gegen den Superhengst Warlord antritt, der als das mit Abstand beste Rennpferd der damaligen Zeit galt. Dessen Besitzer allerdings, der Millionär alter Schule Samuel Riddle (Eddie Jones), denkt nicht daran, sich mit Warlord lächerlich zu machen. Howard setzt alles daran, um Riddle zum Einlenken zu bewegen ...

Mit Pferdefilmen konnte ich mit Verlaub nie viel anfangen, nicht wegen der Pferde, sondern wegen der Art und Weise, wie sie dargestellt wurden. Fury, das intelligente, Menschen oft überlegene, sprich vermenschlichte Pferd – das war etwas für die Zeit, als man Kind war. Die oft arg übertriebene Sentimentalität, mit der man „Tiergeschichten“ in Filmen umspannt, sagt meist mehr über das dubiose Verhalten von Menschen zu Tieren aus als über die Tiere selbst. Diese Befürchtung hatte ich bei „Seabiscuit“ auch. Aber Ross verzichtete zum Glück auf jegliche Vermenschlichungs- und Verhätschelungsversuche und liess den „Renner“ Seabiscuit das sein, was es ist: ein müdes, hungriges und stolzes Pferd. Zudem zeigt John Schwartzman packende Rennszenen und Ross lässt seine Figuren einiges offenbaren, was mit dem Training von Rennpferden zu tun hat.

Der erste Teil des Films, in dem die Vorgeschichte der drei Hauptfiguren gezeigt wird, wirkt zunächst etwas chaotisch und dramaturgisch unbeholfen. Ross springt von einer Person zur nächsten und wieder zurück. Das mag manchem nicht gefallen. Ich empfand es eher als filmischen Ausdruck einer Zeit, in der aufgrund der schweren Wirtschaftskrise tatsächlich viel Chaos und Veränderung über die Menschen kam.

In grandiosen, farbenprächtigen und an Kostümen, Accessoires und Ausstattung nicht sparenden Bildern zaubert Ross ein beeindruckendes Bild des Amerika der 30er Jahre, immer wieder ergänzt um dokumentarische Schwarzweissfotos und Kommentare des Historikers David McCullough, die ich aber nicht als störend empfand, im Gegenteil. „Seabiscuit“ hat tatsächlich als ein untypisches Rennpferd etwas geschafft, was viele, vor allem arme bzw. in der Depression verarmte Amerikaner als Symbol für einen Weg aus der Depression ansahen. Ross reitet auf diesem Urbild amerikanischen Selbstbewusstseins, aber er tut dies ohne Heroismus, Pathos oder Rührseligkeit. Jeff Bridges, Chris Cooper und Tobey Maguire markieren die drei Eckpunkte des Sich-Nicht-Unterkriegen-Lassens. Bridges Howard ist wohlhabend, aber nicht sozial arrogant. Er hat nicht vergessen, dass er selbst einmal als einfacher Arbeiter angefangen hat. Und er weiss aus eigener Erfahrung, was es heisst zu scheitern, beruflich wie persönlich. Chris Coopers Tom Smith gehört eigentlich einer vergangenen Zeit an.

Mit Autos kann er nichts anfangen, mit Pferden alles. Doch der stille Einzelgänger weiss nicht nur, was er will, er freundet sich mit Howard und Pollard an, als Seabiscuit in aller drei Leben tritt. Maguires Red Pollard ist ein geschundener junger Mann, der noch dazu auf einem Auge blind ist. Aber auch er wird über Seabiscuit zu einem Kämpfer. Zwischen den drei unterschiedlichen Männern beginnt eine unausgesprochene Freundschaft. Maguire, Bridges und Cooper liefern exzellente schauspielerische Leistungen. Cooper, vor nicht allzu langer Zeit noch in „Adaptation“ zu sehen, ist ein äusserst wandlungsfähiger Mime, der hier kaum wiederzuerkennen ist. Maguire überzeugt als leidenschaftlicher Jockey, der sein Herz ganz Seabiscuit verschrieben hat.

Für Humor sorgen einige Szenen mit dem eigenwilligen Pferd, vor allem aber auch William H. Macy als ulkiger Radiosportreporter, der seine teils bissigen, teils sarkastischen Kommentare über Mikrophon mit allerlei „Soundeffekten“ spickt, für die er u.a. Haushaltsgegenstände benutzt.

„Seabiscuit“ reproduziert den american dream, allerdings. Aber solche Träume sind eben nicht nur Schäume. Ross vermag, obwohl der Film vielleicht insgesamt etwas zu lang geraten ist (141 Minuten), diesen Traum auf das wesentliche und realistisch glaubwürdige zurückzuschrauben. Mut, Ehrlichkeit und andere Tugenden erscheinen bei Ross nicht als ideologisch verbrämte Teile einer grossen amerikanischen Illusion, die alles andere ausblendet, sondern werden anhand einer dicht erzählten Geschichte aus dem Leben der Beteiligten produziert. „Seabiscuit“ liefert grosses Erzählkino der klassischen Sorte, wie es heute allzu selten noch im Kino zu sehen ist, und beweist einmal mehr – abseits aller berechtigten Kritik –, zu was die Filmschmiede Hollywood fähig ist.

Ulrich Behrens

Seabiscuit – Mit dem Willen zum Erfolg

USA

2003

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141 min.

Regie: Gary Ross

Drehbuch: Gary Ross

Darsteller: Tobey Maguire, Jeff Bridges, Chris Cooper

Produktion: Gary Ross, Frank Marshall, Kathleen Kennedy, Jane Sindell

Musik: Randy Newman

Kamera: John Schwartzman

Schnitt: William Goldenberg