Slow West Ein eigenartiger Neo-Western

Kultur
Gemächlich, komisch, skurril, surreal – „Slow West“ verweigert sich an vielen Stellen den Westernmechanismen seiner Kollegen.
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Michael Fassbender spielt in dem Neo-Western die Rolle des ehemaligen Kopfgeldjägers Silas. Foto: Tabercil (CC BY-SA 2.0 cropped)

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Kaum ein Genre wurde wohl vergleichbar oft für tot erklärt wie der Western, nur um dann doch immer wieder neue Vertreter hervorzubringen. Natürlich, mit der klassischen Machart haben die teilweise nicht mehr viel zu tun, verlegen die klassischen Elemente in fremde Länder, in die Zukunft oder reichern sie mit allerlei Absurditäten an. Im Vergleich dazu wirkt das Langfilmdebüt von Regisseur und Drehbuchautor John Maclean recht traditionell: Als Schauplatz wählte er den bewährten Wilden Westen Amerikas, die Geschichte spielt im 19. Jahrhundert, auch der romantische Held und sein ruppiger Begleiter sind nicht unbedingt ungewöhnliche Figuren. Und doch folgt Slow West seinem eigenen Weg, der immer ein bisschen abseits verläuft, wenn man genauer hinschaut.
Schon die Liebe, die überall und ewig währen soll, ist hier eine reine Fabrikation: Ja, Rose findet ihren Verehrer ganz nett. Sobald sie aber das Land verlassen hat, spielt Jay keine grosse Rolle mehr in ihrem Leben, sie denkt nicht einmal mehr an ihn. Auch sonst wird die nicht ganz so ausgeprägte Bodenhaftung des Jünglings immer wieder verdeutlicht, beispielsweise durch seine ausgiebigen Traumsequenzen oder den Wild-West-Ratgeber, den er ständig mit sich herumschleppt und aus dem er sein ganzes Wissen bezieht. Slow West wechselt dann auch regelmässig vom Ernsten ins Komische, vom dreckigen und rauen Alltag in eine idealisierte, oft auch leicht surreale Fantasiewelt. Hinzu gesellen sich kleinere skurrile Momente und Figuren.
Der dramaturgische Aufbau – die beiden reisen durchs Land, begegnen Leuten, erleben Abenteuer – ist weniger erwähnenswert, aber doch zumindest unterhaltsam. Vor allem aber ist Slow West sehr schön bebildert, was bei einem derart von seiner Optik abhängigen Genre natürlich sehr wichtig ist. Maclean wählte dafür jedoch keinen klassischen Westernort, sondern Neuseeland, was der alten Szenerie zwar nahe kommt, aber doch wieder etwas anders ist. Und auch bei der Musik wurde Altes mit Fremden gekreuzt, Bluegrass-Gefiedel mit karnevalesken Klängen.
Es ist eine eigenartige Mischung, so wie Slow West insgesamt auch ein eigenartiger Film ist. Das Tempo ist, wie der Titel bereits verrät, eher gemächlich, die Actionszenen eher rar gesät. Wer Neo-Western daher vor allem mit den blutüberströmten Krawallgrotesken à la Django Unchained verbindet, der könnte sich hier langweilen. Ein grosses Publikum wird Maclean hiermit aber wohl eh nicht ansprechen wollen, vielmehr schielte er hierbei aufs Arthouse-Klientel, die sich neben der schönen Verpackung auch am ironisch gebrochenen Inhalt erfreuen können. Grösser ist die Freude übrigens, wer Jays Suche nach der ewigen Liebe im Original schaut, dessen Wechsel mehrerer Englischvarianten – ein Schotte unter Amerikanern – in der Übersetzung zwangsläufig auf der Strecke blieb.
Slow West
USA
2015
-84 min.
Regie: John Maclean
Drehbuch: John Maclean
Darsteller: Kodi Smit-McPhee, Michael Fassbender, Ben Mendelsohn
Produktion: Iain Canning, Michael Fassbender, Rachel Gardner, Conor McCaughan, Emile Sherman
Musik: Jed Kurzel
Kamera: Robbie Ryan
Schnitt: John Maclean
Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 4.0) Lizenz.