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The Hate U Give

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The Hate U Give Abschussfahrt in die Gewaltdynamik

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Kultur

Der neue Film «The Hate U Give» von George Tillman Jr. thematisiert die jüngsten rassistischen Polizeimorde in den USA und den Widerstand dagegen, der sich im Jahr 2013 und danach vor allem durch die Bewegung „#Black Lives Matter“ entwickelt hat.

Der kanadische Schauspieler Lamar Johnson nach der Pressekonferenz zum Film «The Hate U Give».
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Der kanadische Schauspieler Lamar Johnson nach der Pressekonferenz zum Film «The Hate U Give». Foto: Peter Kudlacz (CC BY 2.0 cropped)

Datum 21. März 2019
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An einer Stelle taucht dieser Spruch auch auf einem Demoplakat im Film auf, obwohl die Benennung der Bewegung ansonsten im Hintergrund bleibt.

Die Bewegung begann 2013 nach der Freilassung des schwarzen Polizisten George Zimmerman, der den 17 Jahre alten und unbewaffneten afrikanisch-amerikanischen Schüler Trayvon Martin nach einem Handgemenge erschoss. Auch in diesem Film geht es um einen Mord, diesmal allerdings von einem weissen Polizisten, wie das eher üblich ist, an einem schwarzen Jugendlichen. Der war als Fahrer eines Autos zum Opfer der Polizeigewalt geworden, zusammen mit der Filmheldin, Beifahrerin „Starr“, die überlebt und deren politischer Reifeprozess als Zeugin der Tat geschildert wird.

George Tillman Jr. verfilmte hier den gleichnamigen Roman der afrikanisch-amerikanischen Autorin Angie Thomas [1], die für die deutsche Übersetzung ihres Romans den Deutschen Jugendliteraturpreis 2018 bekommen hatte. [2] Eine wichtige Rolle sowohl für den Film wie die literarische Vorlage spielt die Gangsta-Rap-Gruppe „Thug Life“ (ein Akronym für „The Hate U Give Little Infants Fucks Everybody“) vom Rapper „Tupac“, sowie dessen gleichnamiger Song über das Leben eines jugendlichen schwarzen Drogendealers und die alltägliche Polizeigewalt, dessen Lyrics so granatenhaft sexistisch sind (z.B.: „Can't stand bitches now fuck a wife“), dass ich mir hier den Link zum Songtext erspare. Die Verfilmung konzentriert sich aber auf den Polizeirassismus und die Drogenproblematik in den verarmten Schwarzenvierteln.

Allein im Jahr 2017 wurden in den USA 987 Menschen durch Polizeischüsse getötet, davon ein überproportional hoher Anteil schwarzer Männer.

Eine 16-jährige afrikanisch-amerikanische Schülerin mit dem Spitznamen „Starr“ lebt noch mit ihrer vielköpfigen Familie in einem schwarzen Armenviertel, geht aber auf eine gehobene Privatschule mit vielen weissen Schüler*innen und ist auch in einen weissen Schüler verliebt. Auf einer Party trifft sie überraschend ihren früheren schwarzen Jugendfreund Khalil wieder und vor einer beginnenden Partyschlägerei rennen beide davon und fahren dann in Khalils Wagen weg. Auf einsamer Strasse werden sie von einer Polizeistreife angehalten. Der weisse Polizist wird schnell aggressiv, will den Pass von Khalil kontrollieren, als Khalil zu einer Haarbürste greift. Der Polizist hält das für eine Waffe und erschiesst Khalil sofort und ohne jede Vorwarnung. Starr sitzt nebendran und bekommt mit, wie Khalil zuckend und nach minutenlangem Todeskampf stirbt.

Der Film verfolgt nun parallel die weitere Entwicklung mehrerer Protagonist*innen im Umfeld von Starr sowie von Starr selbst. Starrs Vater ist ein alter Black Panther-Kämpfer, der seine Kinder mit der Malcolm-X-Maxime erzieht, die Rechte „by all means necessary“ zu erkämpfen. Erst will er sich zurückhalten, kann aber nicht anders, als schliesslich zu versuchen, sowohl gegen die Polizei als auch gegen die schwarzen Drogendealer gewaltsam anzugehen. Eine Aktivistin von Black Lives Matter kommt der Familie zu Hilfe, die wiederum für gewaltfreien Widerstand agitiert.

Die Familie hat – was für ein Zufall – in der Verwandtschaft einen schwarzen Polizisten, der ihr einerseits hilft, andererseits in einen Rollenkonflikt gerät, weil er die Polizeigewalt aus dem eigenen Berufsalltag kennt, aber irgendwie doch dazu gehört und auch die nervliche Anspannung der Polizisten vor dem Schuss nachvollziehen kann. In einer der besten Szenen des Films konfrontiert ihn aber Starr mit der unterschiedlichen Herangehensweise im entscheidenden Moment einer Festnahme. Und selbst der schwarze Polizist muss nun zugeben, dass gegenüber einem Schwarzen, wenn er einen Gegenstand in der Hand hält, erst geschossen wird, während bei einem Weissen zunächst „Hande hoch“ vor dem potentiellen Schuss gerufen wird. Genau das macht den erfahrungsgesättigten Unterschied im entscheidenden Moment aus, der Rassismus als systematische Ungleichbehandlung in solch lebensentscheidenden Situationen blosslegt.

Der Film wird zunehmend spannender, weil die Hauptprotagonistin Starr einen beschleunigten politischen Reifeprozess durchmacht. Anfangs will sie ihre eigene traumatische Erfahrung selbst unter den Tisch kehren. Immer wieder wird Starr jedoch damit konfrontiert, dass Khalil doch letztlich selbst schuld daran sei, dass er erschossen wurde, schon weil er als jugendlicher Drogendealer gearbeitet hatte.

Schliesslich sagt sie vor den Medien und auch vor Gericht aus, muss aber erleben, dass der Polizistenmörder von einer mehrheitlich von Weissen besetzten Geschworenen-Jury freigesprochen wird, wie in 99 Prozent solcher Verfahren in den USA. Starr wird nun die Dimension des Rassismus erst selbst klarer, dass etwa hinter der Ignoranz ihrer besten weissen Schulfreundin ebenfalls Rassismus steckt, ja dass sogar ihr weisser Freund nicht frei von Rassismen ist. Dieser hinterfragt sich jedoch selbst, hört zu, untersützt seine Freundin auch in schwerer Situation und lässt die Möglichkeit gemischter Schwarz-Weiss-Liebesbeziehungen offen. Es ist damit kein Plädoyer des Regisseurs für schwarz-identitären Nationalismus, obwohl Black Lives Matter von manchen Interpretator*innen als ein Revival der Black Liberation-Bewegung beschrieben wurde. [3]

Als Starr entschlossen an die Öffentlichkeit geht, denunziert sie auch den Dealerchef aus der Gangsta-Gruppe „King Lords“, die nun ihrerseits Anschläge auf die Familie durchführt. Am Schluss gerät Starr in einen Riot mit der Polizei, endet aber in einem Showdown zwischen der Familie und den King Lords, bei dem sogar der fünfjährige Junge der Familie plötzlich eine Waffe zieht und schiessen will. Starr stellt sich plötzlich zwischen den bewaffneten Jungen und die bewaffneten King Lords und gibt in dem Film damit das entscheidende Statement ab, dass die sich immer schneller drehende Spirale der Gewalt durchbrochen werden muss und dabei das Prinzip der Gerechtigkeit doch nie aus den Augen zu verlieren ist. Das bleibt ein Drahtseilakt.

Der Schluss-Showdown mit finaler Notbremse mag ein wenig zu melodramatisch geraten sein, aber ansonsten thematisiert Tillman Jr. rassistische Polizeigewalt in den USA und die unmittelbare Reaktion der Betroffenen auf authentische Weise, er thematisiert en passant die Gewaltdiskussion in solchen Bewegungen – und das alles aus der Perspektive von Jugendlichen, die auch als jugendliche Kinobesucher*innen von dieser Thematik so angesprochen werden, dass sie sicher noch einige Zeit über den Film nachdenken werden. -

Musik: Dustin O'Halloran

F. Tiresias
www.graswurzel.net

Fussnoten:

[1]: Angie Thomas: The Hate U give, cbj-Kinderbücher-Verlag, München 2017.

[2]: Vgl.: http://www.djlp.jugendliteratur.org/preis_der_jugendjury-5/artikel-the_hate_u_give-4149.html .

[3]: Vgl. z.B.: Keeanga-Yamahtta Taylor: Von #BlackLivesMatter to Black Liberation, Unrast Verlag, Münster 2017.

The Hate U Give

USA

2018

-

133 min.

Regie: George Tillman, Jr.

Drehbuch: Audrey Wells

Darsteller: Amandla Stenberg, Regina Hall, Russell Hornsby

Produktion: Robert Teitel, George Tillman Jr.

Musik: Dustin O'Halloran

Kamera: Mihai Mălaimare Junior

Schnitt: Alex Blatt, Craig Hayes