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Tonya Harding: I, Tonya

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Rezension zum Film von Craig Gillespie Tonya Harding: I, Tonya

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Kultur

Die Geschichte um die begnadete Eiskunstläuferin Tonya Harding, deren Karriere sehr hässlich endete, hätte Stoff für ein Drama oder auch einen Thriller gegeben.

Tonya Harding während einem Training in Portland, Oregon, 1994.
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Tonya Harding während einem Training in Portland, Oregon, 1994. Foto: Andrew Parodi (CC BY 3.0 unported - cropped)

Datum 20. März 2018
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„I, Tonya“ macht daraus jedoch eine böse bis satirische (Meta-)Komödie, die sich über alles und jeden lustig macht, der damit zusammenhängt. Das ist wahnsinnig unterhaltsam und doch auch bitter, das tragische Underdogschicksal ist gleichzeitig ein erschreckender Blick auf das ausgestossene Unterschichtenmilieu Amerikas.

Schon seit ihrer frühesten Kindheit wurde Tonya Harding (Margot Robbie) von ihrer Mutter LaVona Golden (Allison Janney) zu einer Eiskunstlaufkarriere gedrängt. Das Talent hat sie, mit vier Jahren gewinnt sie ihre ersten Wettbewerbe. Und doch: Die ganz grossen Erfolge wollen sich nicht so recht einstellen. Tonya, die aus ärmsten Verhältnissen stammt, hat nur wenig mit den Eiskunstlaufprinzessinnen gemeinsam, gegen die sie antritt – und eckt damit unentwegt an. Und auch privat läuft es nicht immer rund bei ihr. Die anfangs so liebevolle Ehe mit Jeff Gillooly (Sebastian Stan) entwickelt sich immer mehr zu einem Albtraum. Immerhin unterstützt er sie aber bei ihren sportlichen Ambitionen, ist bereit alles für sie zu tun – bis es zu einer Katastrophe kommt.

An Skandalen mangelt es im Sportbereich ja nun nicht gerade. Vor allem Korruption ist zu einem derart integralen Bestandteil grosser Events geworden, dass sie manchmal fast als Synonym für diverse Organisationen verwendet wird. Und auch Doping ist ein Dauerthema, etwa der in «The Program – Um jeden Preis» gezeigte, systematische Betrug bei der Tour de France. Aber kaum ein Skandal sorgte weltweit wohl für ähnliche Schlagzeilen wie der um Tonya Harding. Denn die wurde nicht nur für ihr grosses Talent berühmt, sondern auch für ihre Verwicklung in den Anschlag auf ihre Kollegin Nancy Kerrigan.

Satirische Blick auf ein Medienereignis

„The Incident“ wird dieser Vorfall in I, Tonya genannt. Dass dieser der Höhepunkt in Hardings Geschichte ist, zumindest in medialer Hinsicht, dessen ist sich der Film bewusst. Mehr noch, er macht sich über das Filmpublikum lustig, das nur darauf wartet, dass wir bei diesem Thema ankommen. Es ist ein typischer Moment für das etwas andere Biopic. Immer wieder wird die Vierte Wand durchbrochen, um den Zuschauer direkt miteinzubeziehen – oft verbunden mit einer bissig-satirischen Auseinandersetzung mit den Medien. I, Tonya erzählt nicht nur die Geschichte der Eiskunstläuferin. Mindestens ebenso wichtig ist die Frage, wie die Welt da draussen mit dieser umgegangen ist.

Von Anfang an wechselt der Film auf eine Metaebene, spielt mit fingierten Interviews, die ganz gerne mal im Widerspruch zu den gezeigten Alltagsszenen stehen. Was aber ist fingiert, was real? Welche der erzählten Versionen des Vorfalls ist wahr? Und darf man überhaupt jemanden glauben, der eine Geschichte erzählt? Zumindest an Letzterem wird man hier sehr schnell zweifeln. Keine der Hauptfiguren ist glaubwürdig, soll es auch gar nicht sein. Ein Running Gag: Tonyas Beteuerung, dass sie an keinem der vielen Unglücke in ihrem Leben Schuld hatte, die Verantwortung immer woanders lag.

Die bittere Wahrheit hinter der Farce

Überhaupt ist I, Tonya lustig, sehr sogar. Allein die Auftritte von der mit einem Golden Globe ausgezeichneten Allison Janney als kettenrauchender Albtraummutter oder Paul Walter Hauser als realitätsfremder Buddy von Gillooly garantieren Lacher am laufenden Band. Was eigentlich überraschend ist. Der Anschlag hätte Stoff für einen Thriller gegeben, das harte Leben von Harding, das sich aus dem Nichts ins Rampenlicht kämpfte, ist klassisches Dramamaterial. Regisseur Craig Gillespie (Lars und die Frauen, The Finest Hours) bereitet dieses aber mit viel Ironie und auch Spott auf. Dabei kommt keiner wirklich gut weg. Nicht die Protagonisten. Nicht die Medien. Nicht die Eiskunstlaufszene, die sich mehr um das saubere Prinzessinnenimage des Sportes bzw. der USA kümmert als um das tatsächliche Talent der Athletinnen.

Trotz des enormen Unterhaltungswertes der auch stilistisch ungehemmten Farce: I, Tonya ist im Grunde ein sehr tragischer Film. Die humorvoll, selbstironische Darstellung täuscht kaum darüber hinweg, wie bitter die Geschichte eigentlich ist. Häusliche Gewalt, erst in der Familie, später in der Ehe. Mangelnde Wertschätzung von Seiten der Jurys, die Harding nicht als eine der ihren akzeptieren will. Die ständigen Fehlschläge einer Frau, die nie wirklich ankam, egal ob sie sich nun auflehnte und ihr Ding durchzog oder doch versuchte, nach den Regeln zu spielen und zu gefallen. I, Tonya ist eine typische Underdog-Geschichte eines kleinen Mädchens, das sich allen Widerständen zum Trotz an die Spitze kämpfte. Nur dass diese hier kein Happy End hat. Der Blick in das amerikanische White-Trash-Milieu, er amüsiert, er erschreckt und weckt doch auch Mitleid für eine Gesellschaft, die nie wirklich eine Chance erhält.

Oliver Armknecht
film-rezensionen.de

I, Tonya

USA

2017

-

120 min.

Regie: Craig Gillespie

Drehbuch: Steven Rogers

Darsteller: Margot Robbie, Sebastian Stan, Mckenna Grace

Produktion: Steven Rogers, Tom Ackerley, Margot Robbie, Bryan Unkeless

Musik: Peter Nashel

Kamera: Nicolas Karakatsanis

Schnitt: Tatiana S. Riegel

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 4.0) Lizenz.