Zum Filmstart von „Freiheit im Herzen“ „Lasst es uns eilig haben, menschlich zu sein“

Kultur
„Freiheit im Herzen“ ist ein Dokumantarfilm über die Protestwelle der iranischen Diaspora, die nach dem Tod von Jina Mahsa Amini (geboren am 21. September 1999, gestorben am 16. September 2022) entstand.


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Nach der damaligen islamischen Revolution etablierte sich eine Diktatur, die ihre Version des Islam für die eigene Herrschaft instrumentalisierte. Das Mullah-Regime verachtet systematisch die Menschenrechte, verfolgt Minderheiten und setzt Folter und Hinrichtungen ein. Jeglicher Widerstand wird seit über vierzig Jahren mit brutaler Gewalt niedergeschlagen.
Am 13. September 2022 wird Jina, wie Tausende andere vor ihr, wegen des „falschen“ Tragens des Kopftuchs verhaftet. Sie erleidet in der Haft einen Schlaganfall und stirbt an ihren Verletzungen, isoliert und allein, nicht einmal ihre Eltern dürfen sie sehen. Als sie stirbt, wird ihr Name zu einem Codewort für einen beispiellosen Aufstand des iranischen Volkes: #JINA_MAHSA_AMINI
Der tragische Tod der jungen Frau schockierte die Menschen in Iran, aber auch die Weltöffentlichkeit und Millionen von Menschen iranischer Abstammung im Ausland (10 % der Iraner*innen leben ausserhalb ihres Landes). Alte und junge Menschen jeglichen Geschlechts, jeglischer politischer oder unpolitischer Orientierung kamen mit offenen Herzen zusammen, um gegen die unmenschlichen Zustände in Iran zu demonstrieren. In „Freiheit im Herzen“ geht es um die Diaspora in Deutschland. Um Menschen, die schon lange oder erst seit kürzerem hier im Asyl leben, und Menschen, die in Deutschland geboren sind und noch nie in Iran waren. Sie mobilisierten ihre Energie und ihren Widerstand, um den Unterdrückten in ihrer fernen Heimat zu helfen.
Der Film zeigt eine erstaunliche Massenmobilisierung, 100.000 Menschen und mehr demonstrierten allein in Berlin. Einzelne Protagonist*innen dieses Protests, die teilweise ohne politische Verortung dem Ruf ihres Herzens folgten, stellt der Film in Interviews vor. Das sind erstaunliche und berührende Einblicke in diesen spontanen Widerstand. Auf den Rausch der Massenmobilisierung folgt allerdings der Absturz: Wo sind ein paar Monate (oder Jahre) später all die Protestierenden geblieben, wohin ist all die Energie verpufft, die die vielen Menschen zusammengetrieben hat?
Roxana Samadi, Schauspielerin aus Köln (die u.a. gerade für die aufsehenerregende Hörspielbearbeitung der Neuübersetzung von „1001 Nacht“ im Deutschlandfunk die Figur der Schahrasad spielt und spricht), stellt mit diesem Film ihr Regiedebüt vor. So interessant es ist, dass der Film die Tücken der politischen Grabenkämpfe beiseite lässt, die unter den Regimegegnern der Diaspora bestehen, so ist dies doch auch die Schwäche des Films. Es konnte nicht gutgehen, dass sich die Beteiligten einer Massenmobilisierung nicht auch inhaltlich auseinandersetzen.
Die „Freiheit im Herzen“ ist sicher der Ausgangs- und auch Zielpunkt einer revolutionären Bewegung, das Miteinander, die Solidarität, die Hilfsbereitschaft, aber die Fragen der gesellschaftlichen Neuorganisierung müssen gestellt und erörtert, um sie muss gestritten werden. Eine Veränderung der Gesellschaft muss ihre Veränderung als Kern innerhalb der Mobilisierung in sich tragen.
Die Erfahrungen des Kampfes um eine „andere Gesellschaft“ müssen benannt werden, sie müssen im Herzen und im Gedächtnis aufbewahrt werden, damit sie als Reservoir wieder eingesetzt werden können. Und damit am Ende nicht nur Tränen bleiben.
Die Ermächtigung, der Griff nach der Zeit, in der gemeinsam etwas gestaltet wird, indem es aus der Vorstellung eines geschichtlichen Kontinuums losgelöst wird, ist die einzige Möglichkeit, sich nicht wieder vereinnahmen zu lassen. Aber dafür muss man verstehen, dass es um die Befreiung aus der geschichtlichen Chronologie geht, es geht nicht um die Vergangenheit und die Zukunft und ihre Bedingungen, es gehts ums Jetzt. Und es geht darum, in diesem Jetzt die Wünsche und Gemeinsamkeiten auszudrücken. Dieses Jetzt wird immer (wieder) da sein.
Freiheit im Herzen
Deutschland, Irland
2024
-99 min.
Regie: Roxana Samadi
Musik: Ali N. Askin
Kamera: Roxana Samadi
Schnitt: Ilja Altvater, Roxana Samadi
Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 4.0) Lizenz.