„Wir Frauen sind kein schwaches Geschlecht“ lautete der Refrain des Songs, den die Sängerin Fasia Jansen mit der Gitarre anstimmte. Somit stimmten die umstehenden Frauen in das Lied ein, das gleich mehrmals wiederholt wurde. Es sind Bilder einer anderen Zeit, die am Sonntagabend in der Galerie Scriptings in Berlin-Wedding auf oft jüngere Zuschauer*innen trafen, die teilweise zum ersten Mal auf eine Strömung der Frauenbewegung gestossen sind, die heute auch bei Aktivist*innen leider vergessen ist.
Umso verdienstvoller, dass die Berliner Künstlerin Ina Wudtke an sie in der Ausstellung BLACK STUDIUM A Tribute to Fasia Jansen and Joseph Ekwe Bilé erinnert, die noch bis zum 19. November zu sehen ist. Fasia Jansen war mit ihrer Gitarre in den 1970er und 1980er Jahren immer mittenmang, wenn gegen alte und neue Nazis und gegen Aufrüstung demonstriert wurde. Dabei stand sie aber oft nicht auf eine Bühne, sondern ging wie bei den Ostermärschen gegen Atomraketen mit einer Friedensfahne vorne weg. Meistens aber hatte sie ihre Gitarre dabei und schuf mit ihren Liedern ein Gefühl der Solidarität. Das konnte man am Sonntagabend gut sehen in dem Film „Frauengeschichten – Fasia Jansen, Sängerin“ sehen.
Dieses beeindruckende Porträt drehte Christel Priemer 1985 für den Bayerischen Rundfunk. Wer sich über das Leben, der 1997 an einem Herzleiden verstorbenen, das nach Aussage ihrer Freundin und Genossin Ellen Diederich eine Spätfolge von medizinischen Versuchen in einem Aussenlager des NS-Konzentrationslager Neuengamme, informieren will, sollte die Ausstellung im Wedding unbedingt besuchen. In einer Hörstation kann man über 40 Minuten mehr über die Biographie von Fasia Jansen erfahren. Auf der Grundlage des 2004 im Asso-Verlag erschienen Bildbandes "Fasia – geliebte Rebellin“ hat Jasmin Eding eine über 40minütige Audiobiographie erstellt. Eding gehört zu einer Gruppe von Schwarzen queeren Frauen, die sich in den 1980er Jahren mit anderen ADEFRA Frauen (Schwarze Frauen in Deutschland), für die Rechte und die Sichtbarkeit von Schwarzen Menschen in Deutschland organisiert haben.
Für Fasia spielte Hautfarbe keine Rolle
Im Gespräch im Anschluss an den Film wurden auch die unterschiedlichen Zugänge zum Leben von Fasia Jansen deutlich. Jasmin Eding und auch einige Zuschauer*innen fragten sich, warum Fasia so wenig darüber geredet hat, dass sie als Schwarze Künstlerin in Deutschland eine absolute Ausnahme war. Tatsächlich hat Fasia darüber gesprochen, wie sie reagierte, als sie bei einer Beziehung auf ihre Hautfarbe angesprochen wurden. Sie habe dann darauf erwidert, sie interessiere auch nicht, dass er weiss sei. Bald habe sie allerdings beschlossen, keine dieser Beziehungen einzugehen, in denen sie wegen ihrer Hautfarbe exotisiert werde. Sie fand Zusammenhänge, wo ihre Hauptfarbe keine Rolle spielte, auf den Ostermärschen und den Kundgebungen für die 35 Stunden Woche und für gleichen Lohn für gleiche Arbeit.„Fasia gehörte zu dem Teil der Frauenbewegung, die ihre Basis in den Betrieben hatte", erklärte ihre Freundin und Genossin Ellen Diederich im Film. Man sieht immer wieder Fasia vor Fabrikschloten. Sie ist damit Teil einer Geschichte des proletarischen Ruhrgebiets, den manche jungen Leute, die dort heute wohnen, am liebsten vergessen wollen. Dabei wäre es gerade gut, an sie zu erinnern und sich zu fragen, was wir heute daraus lernen können. Die von gewerkschaftlich organisierten Proletarier*innen aus unterschiedlichen Ländern geführten Kämpfe in den späten 1970er und 1980er Jahren sind heute leider weitgehend vergessen, obwohl ihre Forderungen noch immer nicht vollständig durchgesetzt ist. Wir sehen in dem Film den Optimismus, den die Frauen bei ihren Kampf ausstrahlen und Fasia trug mit ihren Liedern zu dieser guten Stimmung bei.
Wir erfahren aber in der Audiobiographie auch über ihre Verfolgung im Nationalsozialismus. Es werden einige besonders erschütternde Szenen beschrieben, wo Fasia Jansen mit einem sowjetischen Kriegsgefangenen, mit dem sie sich angefreundet hat, fast verhungernden polnischen Jüdinnen das Essen aus der Küche von Neuengamme bringen musste und SS-Männer auf die Frauen eingeschlagen haben, die um eine Suppenration anstanden. Der nigerianische Vater von Fasia Jansen gehörte zur gutsituierten Oberschicht von Nigeria. Doch Fasia lebte bei ihrer Mutter und deren späteren Lebensgefährten, einem Hamburger Kommunisten. Er förderte ihre künstlerischen Ambitionen schon in jungen Jahren. Für Fasia war er der Vater, den sie bewunderte und der sie auch politisch prägte. Das erklärt vielleicht auch, warum sich die Künstlerin nicht explizit als Schwarze Frau sondern als Sozialistin verstanden hat, für den die Hautfarbe keine Rolle im emanzipatorischen Kampf spielen sollte.
Joseph Ekwe Bilé - antistalinistischer Kommunist
Das unterscheidet sie von der Biographe Joseph Ekwe Bilé, über dessen Leben wir in der zweiten Hörstation mehr erfahren. Er zog mit Eltern und Geschwistern bereits vor dem 1. Weltkrieg nach Berlin und bekam bald Kontakt zur sozialistischen und später der kommunistischen Bewegung. Inspiriert wurde er von den antikolonialistischen Aktivisten der 3. Internationale, die vor allem von Willi Münzenberg vorangetrieben wurde.Bilé trat 1930 der KPD bei und reiste mehrmals nach Moskau. Im Stalinismus erkannte er früh eine parteiinterne Konterrevolution, die sich gegen zentrale emanzipatorische Kämpfe der Komintern richteten, darunter den Antirassismus. Nach der Machtübergabe an die Nazis floh er nach Frankreich, wo er sich vom Kommunisten zum Panafrikanisten entwickelte, wie einige der Genoss*innen mit denen er in den 1920er Jahren im Rahmen der Kommunistischen Internationale gekämpft hat.
Nur Fotos gibt es in der Ausstellung über Hilarius Gilges, der 1909 in Düsseldorf geboren wurde. Schon als Jugendlicher engagierte er sich im Kommunistischen Jugendverband und war Mitglied einer Agitprop-Gruppe, die mit künstlerischen Mitteln für den Sozialismus agierte. Für die Nazis war er als Schwarzer und Kommunist doppelt verhasst. In der Nacht zum 20. Juni 1933 wurde er, vermutlich von sechs SA und SS-Angehörigen, aus seiner Wohnung in der Düsseldorfer Altstadt zum Rheinufer verschleppt, dort brutal misshandelt und ermordet. Erst 55 Jahre wurde die erste Gedenktafel in der Nähe des Ortes seiner Ermordung angebracht. Mittlerweile gibt es in Düsseldorf mehrere Erinnerungsorte an den schwarzen Kommunisten.
Über den Mietenkampf zur sozialistischen Agit-Pop-Bewegung
Die Künstlerin Ina Wudtke, die selber von einer Gentrifizierung betroffen war, ist über den Mieter*innenkampf auf das Kapitel Kunst und Arbeiter*innenbewegung gekommen. In mehreren Ausstellungen befasst sie sich mit Agitprop. Dabei gehört sie nicht zu denen, die diese Kunst belächeln und als unwichtig abtun. Für Wudtke sind dies oft lange vergessenen Aktivist*innen, Genoss*innen, die schon in ihrer Zeit für eine Welt ohne Kapitalismus, Faschismus und Krieg gekämpft haben.Die aktuelle Ausstellung Black Studium zeigt auf, dass der Kampf gegen Patriarchat und Rassismus eine lange Geschichte hat und zeitweise eng mit der kommunistischen Bewegung verbunden war. Die Ausstellung demonstriert auch, wie unsinnig heute die Debatte über Klassenkampf versus Identitätspolitik geführt wird. Fasia Jansen, Hilarius Gilges und Joseph Ekwe Bilé stehen dafür, dass der Kampf gegen Kapitalismus, Rassismus und Patriarchat zusammengehören und eben nicht zu trennen sind.